Tatort: 'The Red Rooster', Kaiser-Friedrich-Str. 150, Duisburg.
Tatzeit: irgendwann im Jahr 2002
Täter: Mark Selby und Band
Tathergang: Konzert im oben genannten Club, nach 22.00 Uhr…
Die Zuschauer im ausverkauften 'Red Rooster' waren bei hervorragender Laune, als so gegen 22.20 Uhr am Eingang eine weibliche Stimme mit amerikanischem Akzent rief: "The police is here. You're too loud, Mark!"
Also wurden die Regler an der PA ein ganz klein wenig nach unten geschoben. Es wurde 'leiser' im 'Red Rooster'.
Eine ¼ Stunde später waren die 'Men In Green' wieder da. Mark Selby sprach sich kurz mit seiner Band ab: Bassist, Drummer und Keyboarder gingen an die Theke.
Selby griff zur akustischen Gitarre und spielte die Zugabe solo, sehr persönlich, jetzt wirklich leise.
An die einzelnen Songs der Zugabe kann ich mich nicht mehr erinnern, aber einen Track habe ich abgespeichert: "A Whiter Shade Of Pale".
Diese Encore war wirklich spontan, denn unsere Freunde haben sich Mark Selby wenige Tage später in ihrer Heimatstadt Dortmund nochmals angesehen und da war von akustischen Nummern weit und breit nichts zu hören.
Die gesamte Zugabe war damals der Knaller. Das Konzert eh. Der Kontrast zwischen dem blues-/bluesrockigen elektrisch verstärktem Part und der besagten Zugabe konnte nicht deutlicher sein.
Warum schwelge ich in Erinnerungen? Weil Procol Harums Welthit auf "And The Horse He Rode In On" wiederkehrt, in genau der intimen 'Red Rooster'-Ausgabe.
Noch mal zurück zum Konzert: Im ersten Teil wartete ich sehnsüchtig auf meinen Lieblingssong "Satisfied" seines Erstlings "More Storms Comin'". Beim Bier in der Pause bestätigte mir Selby, dass "Satisfied" im zweiten Teil folgt. Dann fragte ich an ob es möglich wäre, den Song in einer langen Version zu spielen. Die Antwort auf meine Frage blieb offen, bis "Satisfied" im zweiten Set dran war.
Selby und ich hatten zu Beginn des Songs Blickkontakt. Er kniff mir ein Äugsken und spielte mit seiner Band "Satisfied" fast 10 Minuten lang (auf der CD 4:59 Minuten).
Die Credits-Liste eines Mark Selby ist verdammt lang. So ist er als Songwriter/Co-Writer für eine ganze Reihe von Kenny Wayne Shepherd-Tracks verantwortlich: 3 auf "Ledbetter Heights", 4 auf "Trouble Is", 8 (!!!) auf "Live On".
Mark Selby hat mehr als 10 top-40 Singles und 4 # 1 Hits geschrieben, so z.B. "There's Your Trouble" von den Dixie Chicks oder Kenny Wayne Shepherds "Blue On Black" (1998 'Billboards' Rock Track des Jahres).
Live hat er bereits zusammen mit B.B. King, Jeff Beck, Robert Cray, Lynyrd Skynyrd, Delbert McClinton oder Levon Helm auf der Bühne gestanden.
Nach seinem Debüt "More Storms Comin'" (2000) wurde relativ schnell "Dirt" (2002) 'nachgeschoben'. Dann lässt einen der Selby ganze 4 Jahre warten, bis er endlich ein weiteres, persönliches Lebenszeichen abgibt.
"And The Horse He Rode In On" heißt das Werk und er nennt sich jetzt Mark Otis Selby. Wenn er meine Mail bezüglich der Ergänzung seines Namens beantwortet, wissen wir auch warum.
Musik von der Qualität eines Mark Selby ist einzuordnen im musikalischen Dreieck zwischen Blues, Rock und Singer/Songwriter.
Der Titel rekrutiert sich aus der Tatsache, dass er das Album mit seinem ältesten musikalischen Freund ("the horse I rode in on: my trusty 1974 Mossmann acoustic guitar") eingespielt hat.
Wir hören Mark Selby quasi live "in the living room, warts and all." Den Knopf der Aufnahmemaschine gedrückt und ab dafür.
Man hört Schritte, der Gitarrist setzt sich auf einen Stuhl, die 'Klampfe' wird in Position gebracht und in "Here's To You…" bringt Selby direkt mal seine Singer/Songwriter-Seite zu Gehör. Ok, so ganz Solo ist das Ding nun auch nicht. Auf dem Opener begleitet ihn Tim Lauer dezent auf dem Akkordeon.
Dann ein richtiges down-home Slide-Intro, das Mississippi-Delta lässt grüßen, für Bob Dylans "Down In The Flood". Hölle, hat der Track ein Feeling.
Wie schreibt Selby im Booklet: "…and played some of my new songs, some of my not-so-new songs, and a few of my favorite songs."
"Deep Pockets" ist der einzige Titel, der bereits auf Selbys "Dirt" zu hören ist. Hier noch ein weiteres mal 'stripped down to the bone', eben ohne Wayne Jackson von den Memphis Horns oder Gastmusiker an elektrischer Gitarre oder Keyboards. Oftmals schmeckt Aufgewärmtes besser als frisch gekocht. Dann singt seine Frau Tia Sillers gegen Ende des Tracks mit. Welch eine Stimme.
Mark Selbys unverwechselbare, rockige Seite zelebriert er mit "Leveler, Reveler". Das geht voll ab hier. Ich höre Denisé Stimme, ob sie mal in Ruhe telefonieren könne. Rücksichtsvoll regele ich den CD-Player wieder auf Zimmerlautstärke.
Über "A Whiter Shade Of Pale" habe ich ja schon geschrieben.
Für alle anderen nicht so alten Selby-Songs müsst ihr, liebe Leser, eure Kenny Wayne Shepard CD's bereit legen, denn "Last Goodbye" und "Blue On Black" befinden sich auf seinen Discs.
So klingen halt die 'Rohdiamanten' von Mark Selby geschriebenen Songs. "Blue On Black" wieder mit Tia Sillers, die einige Tracks co-geschrieben hat.
Jimi Hendrix' "Little Wing" wird zweimal durch den Selby'schen Musikwolf gedreht und verwandelt sich zu einer Nummer, die sich nahtlos zu seinen Eigengewächsen gesellt.
Das war's dann auch schon mit den nicht selber geschriebenen Songs.
Fingersnaps, Handclaps und Schenkelklopfer bilden den Rhythmus, Selby an der Harp und er zeigt uns in "Know The Blues" was Selbi(y)ger ist. Etwas provokanter Titel, aber er trifft ins Zentrum meines Bluesherzens.
In diese Kategorie passt perfekt "Up To No Good/Slide Wire". Herr, oh Herr, Discs dieser Art sind der Bringer. Hinsetzen, Bandmaschine anschmeißen, Gitarre spielen. Schlittenfahrt mit dem Bottleneck einen steilen Hang hinunter.
Da kommt das "The Scheme Of Things" mit ein wenig Hammond B-3 Begleitung gerade richtig zum Erholen. Diese Ballade gleitet auch wunderbar dahin, aber eher in flacheren Gefilden.
Von ähnlichem, besinnlichen Kaliber ist "Sometimes I Feel Like Goin' Home", der 'letzte' Song auf der CD. Da habe ich mich schon gewundert: Über 10 Minuten lang?
Freunde des guten (Blues-) Geschmacks, es gibt noch einen Hidden-Track und zwar den Titelsong des Albums: "…And The Horse I Rode In On".
Mit den versteckten Liedern ist das ja so eine Sache. Zum Teil ellenlange Pausen bis das Versteckspiel ein Ende hat. Auch an dieser Stelle wartet Mark Selby mit einer kleinen Überraschung auf: Er sagt uns, dass "Sometimes I Feel..." das Ende der CD sein sollte, aber es ist ja noch Platz, also, hier ist es "…And The Horse I Rode In On" mit einem Chor (The Moraine Tabernacle Choir).
So haben die "…" hinter dem ersten Titel und vor dem Hidden-Track schon ihre Bedeutung, denn sie umklammern in gewissem Sinne die anderen Songs.
Letztendlich endet der Silberling (fast) so, wie er begonnen hat: Der Knopf an der Aufnahmemaschine wird ausgestellt, die Gitarre hat Ruhe und Mark Selby verlässt den Raum.
Wieder hat sich ein Musiker seinen Herzenswunsch erfüllt und das mit bewundernswerter Klasse. Das lange Warten hat sich gelohnt. Aber bitte, lieber Mark, nicht wieder 4 Jahre bis zur nächsten vergehen lassen.
Howdy Mark.
Und der 'ZYX'-Infotext zu "And The Horse I Rode In On" birgt die perfekte Überraschung auf der letzten Seite: "Mark will be on tour in Germany in May. "
Auch in meiner Rezension schließt sich nun ein Kreis und ich werde an den Tatort zurückkehren, an dem meine CD-Kritik begann …
13.5.2006 'The Red Rooster', Kaiser-Friedrich-Str. 150, Duisburg.
Spielzeit: 64:22, Medium: CD, Cake/Zyx, 2006
1:Here's To You 2:Down In The Flood 3:Deep Pockets 4:Leveler, Reveler 5:A Whiter Shade Of Pale 6:There's Your Trouble 7:Last Good Bye 8:Peanut Butter, Jelly & A Saucy Little Beaujolais 9:Up To No Good/Slide Wire 10:The Scheme Of Things 11:Blues On Black 12:Know The Blues 13:Little Wing 14:Sometimes I Feel Like Goin' Home
Joachim P. Brookes, 17.04.2006
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