Michael Sagmeister Trio
08.10.2010, Pumpwerk, Wilhelmshaven
Michael Sagmeister Michael Sagmeister Trio
Pumpwerk, Wilhelmshaven
08. Oktober 2010
Konzertbericht
Stil: Jazz


Artikel vom 16.10.2010


Wolfgang Giese
Michael SagmeisterMichael Sagmeister wurde am 27.Juli 1959 in Frankfurt geboren. Etwa seit 1972 widmete er sich der Gitarre und hatte bereits 1975 eine Band gegründet. Ferner arbeitete er seinerzeit mit Emil Mangelsdorff und dem Jazz-Ensemble des Hessischen Rundfunks zusammen und verdiente sich nebenbei Geld als Studiomusiker. Anfang der 80er Jahre kam es zum Durchbruch und zur ersten, von Volker Kriegel produzierten Platte. Neben weiteren Veröffentlichungen gab er Lehrbücher für Gitarre heraus und wirkte als Dozent in Boston und besitzt eine Professur an der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst in Frankfurt am Main.
Michael SagmeisterEiner der sicher besten Gitarristen des Jazz/Jazz Rock, Larry Coryell, soll einmal über ihn geäußert haben: »I can't believe how good he is playing. For me he is one of the best guitarists in the world«. Nun, ob das stimmt, das wird unter anderem auch Inhalt meiner Besprechung sein. Auffällig in diesem Zusammenhang ist, und das vorab, dass ich während des Konzertes versucht habe, mir vorzustellen, an wen mich Sagmeisters Stil nun am meisten erinnert und auf welchen Musikerkollegen ich spontan tippen würde. Und das war dann - Larry Coryell!
Tatsächlich bemerkte ich, gerade bei den etwas mehr ruppig gespielten Parts, dass unüberhörbar Anklänge an ihn zu vernehmen waren. Allerdings - und das sei auch vorab bemerkt, hat Sagmeister mittlerweile einen eigenen Stil entwickelt, der sich gleichermaßen durch sehr flüssige Spielweise, die fast spielerisch aussieht, wenn er scheinbar mühelos das gesamte Griffbrett auslotet, seine gerade bei ruhigen und fließenden Stücken starke Emotionalität, fast in sich gekehrt und meditativ wirkt er dann, wenn er die Saiten manchmal nur antupft, und Innovation, Spielfreude und Spielwitz mit immer wieder neuen Ideen in den Arrangements als auch im Solospiel, auszeichnet.
Michael SagmeisterDoch nun zum Konzert, das mit einem Klassiker von Wes Montgomery begann. "Four On Six" wurde hier gar nicht so vorgestellt, wie man das als Montgomery-Fan vielleicht haben möchte. Aber mit eigenem Anstrich versehen, ein gar nicht einmal so schlechter Auftakt, der aber die Band auch als noch nicht eingespielt zeigte. Die folgende Ballade "You Don't Know What Love Is" plätscherte leider auch etwas dahin. So ging es weiter bis zum dritten Titel, "Roadsong", der so richtig gut und zupackend dargeboten wurde. Und als dann ab dem vierten Stück zunächst Eigenkompositionen vorgestellt wurden, als erste das unglaublich feurige und spritzige "Bouncing Around", da war aus meiner Sicht der Knoten endgültig geplatzt. Und die nun folgenden Vorträge hatten es dann auch in sich.
Michael SagmeisterDie Band fand nach und nach zusammen und wuchs ständig. Auch der Funke zum Publikum, das sich mit vielleicht 80 Zuhörern recht spärlich eingefunden hatte, sprang nun über. Nun denn, Fußball-Konkurrenz im Fernsehen - EM-Qualifikation Deutschland - Türkei. So bemerkte Sagmeister anfänglich, er hätte das Spiel auch gern gesehen, »er müsse aber arbeiten!«. Im Übrigen lästerte Sagmeister offensichtlich gern über seinen Drummer Michael Küttner, mit dem er nun bereits seit 31 Jahren zusammenspielt. Beide seien inzwischen wie ein altes Ehepaar. So bat der Gitarrist sich noch etwas Wartezeit aus, bis Küttner seine Medikamente vollständig genommen habe, und im Laufe des Abends kam noch die Geschichte, dass Küttner auf den Tourneen langsam zu teuer werde, wegen der vielen Krankenhausaufenthalte. Dabei ist 'der alte Herr' auch nur 5 Jahre älter. Nun denn, dass er noch ganz frisch und jugendlich ist, bewies er dann später noch.
Nach gut einer Stunde war dann Pause, 15 Minuten lang.
Michael SagmeisterDanach kam "Tenor Madness" von Sonny Rollins, bei dem der Drummer recht wild agierte, was Sagmeister dann gleich mit »Je oller, je doller« kommentierte, sowie das ganz wunderbare Stück "Silence", bei dem sich der Gitarrist wieder in die Musik vergraben zu schien. Der Bass gestaltete die Atmosphäre mit dumpfen, lang gezogenen Tönen in den Lücken perfekt aus. Hier gefiel mit Stefan Rademacher dann auch gut, während ich bei den schnellen Titeln, vor allem den jazzigen und stark swingenden Songs, eine gewisse Eleganz und den Swing vermisste. Wahrscheinlich war er mit seinem E-Bass für solche Stücke nicht die Idealbesetzung. In den rockenden Vorträgen passte es dann wieder besser. Insgesamt haben mich seine gelegentlichen Soloeinlagen gefühlsmäßig nicht besonders beeindrucken können. Irgendwie fehlten mir Seele und Leidenschaft außerhalb der sicher beherrschten Technik auf seinem Instrument.
Michael SagmeisterEin Titel, bekannt geworden in der Version von George Benson, ergab sich als spontane Idee, und so wurde "Breezin'" von Bobby Womack in einer hervorragenden Version geboten. Leider war der letzte Song dann auch schon bald da. Hierzu erzählte Sagmeister auch einige Anekdoten hinsichtlich der Zeit, als er als Studiomusiker etwas Geld verdienen musste, so unter anderem bei Boney M., als »Klein Michi da die Rhythmusgitarre spielte«. So habe man es sich zur Gewohnheit gemacht, bei den Konzerten immer ein Stück aus jener Phase zu spielen, dieses Mal war es "Sunny", der Titel von Bobby Hebb. In dieses individuell interpretierte Stück integrierte man dann ein Schlagzeugsolo, »bei dem die beiden übrigen dann immer essen gingen«! So hatten sie dazu auch gut Zeit, denn Küttner tobte sich gut siebzehn Minuten an seinem kleinen Drumset aus, und "Animal" aus der "Muppetshow" ließ grüßen. Er schien sich in einen Rausch hinein zu spielen, das wirkte bisweilen fast schon wie eine Voodoo- oder ähnliche Zeremonie, wenn er dann zu afrikanischen Gesängen ansetzte. Schließlich hatte er ja afrikanische Musik in Ghana studiert.
Michael SagmeisterDiese unglaubliche Passion war in den einzelnen vorhergehenden Vorträgen recht unterschiedlich ausgefallen. Bei den stark jazzigen Stücken konnte er beweisen, wie stark er swingen konnte, bei den eher Funkorientierten fehlte mir ab und zu das gewisse federnde und groovende Element. Aber hier - solo - das war seine Welt, da bewies er seine Klasse eindeutig und unzweifelhaft, virtuos, ideenreich mit einer ständigen Entwicklung. Die Trommeln sprachen. Das war schon eine Suite, ein solch vielseitiges Schlagzeugsolo habe ich lange nicht gesehen und gehört.
Um 23:30 h war dann leider Schluss, und besonders 'leider', weil es keine Zugabe gab. Nun gut, wir hatten 2 1/4 Stunden Musik erleben dürfen, da war das zu verzeihen, aber schön wäre eine kleine letzte Verabschiedung vom Publikum schon gewesen. Außerdem gab es auch kein sonst übliches Merchandising mit Plattenverkauf und Autogrammstunde.
Ich habe Sagmeister als einen überwiegend recht zurückhaltenden und introvertierten Gitarristen empfunden. Einst galt Volker Kriegel als der wohl beste Jazzgitarrist Deutschlands. Ich denke, Volker hat nun einen würdigen Nachfolger gefunden, das heißt, ich halte Michael Sagmeister sogar noch für einen Tick besser!
Mein Dank geht an Heike Gorath vom Pumpwerk-Team für die problemlose Akkreditierung.
Line-up:
Michael Sagmeister (guitar)
Stefan Rademacher (bass)
Michael Küttner (drums, percussion)
Bilder vom Konzert
Michael Sagmeister        Michael Sagmeister        Michael Sagmeister
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