Spielzeit: 79:41 Medium: CD Label: Sony Music, 2013 Stil: Singer/Songwriter, Pop Review vom 21.11.2013 Petra Heintz-Braun

"Over The Bridge Of Time“ ist ein musikalischer Rückblick auf fast fünfzig Jahre künstlerischen Schaffens von Paul Simon, von denen die wohl erfolgreichsten sicherlich in der Ära von
Simon And Garfunkel zu verzeichnen sind. Meinen ersten 'Hörkontakt' mit dem Duo hatte ich mit
der Liveaufnahme "The Concert In Central Park" (damals noch auf der guten, alten Kassette), die zu einer Zeit entstanden war, als die beiden Musiker schon getrennte Wege gingen. Ich fand die Aufnahme grandios und empfand fast so was wie 'Revoluzzertum' beim Zuhören. Nein, sie haben niemals auf der Bühne Gitarren zertrümmert und es ist auch nicht bekannt, dass jemals eine Fledermaus Kopf und Leben lassen musste, aber für viele bedeutete die überraschende Berührung mit Folk Rock nach jahrelangem Mitschwimmen im Strom des Pop-Gedudels der achtziger Jahre, samt aller dazugehörender Requisiten und Staffage, eine Art 'Freiheitskampf'.

Die Kassette ist später - nebenbei bemerkt - übrigens einer CD und wiederum später einer DVD zum New Yorker Konzertmitschnitt gewichen, die ich mir auch heute noch stets mit Vergnügen anhöre und –sehe, was bei meinem Mann oder im Freundeskreis immer wieder gerne auf - immerhin halbwegs höflich verhohlenes – Unverständnis stößt... ;-)

Sechs der insgesamt zwanzig Songs von "Over The Bridge Of Time" sind Simon And Garfunkel-Songs, allesamt bekannte Evergreens, die ich teilweise zum ersten Mal bewusst als Studioversion gehört habe und die meiner Meinung nach oftmals den Liveversionen nicht das Wasser reichen können. Zudem fehlen mir persönlich wichtige Klassiker wie "Mrs. Robinson" oder "Scarborough Fair", aber so wird jeder Simon And Garfunkel-Fan seine eigenen Lieblingsnummern haben und bei einer limitierten Anzahl von Songs, die auf eine CD passen, ist es nun mal schwer, jedem hundertprozentig gerecht zu werden.

Die zweite Hälfte bietet Songs aus Paul Simons Soloalben aus der Zeit von 1983 bis 2011, von denen mir allerdings nur das epochale "Graceland" bekannt und auch im Gedächtnis geblieben ist. Simon spielte es Ende 1985 zusammen mit schwarzen, afrikanischen Musikern wie Ladysmith Black Mambazo oder Youssou N'Dour ein. Die Tatsache, dass er dies in Südafrika tat, brachte ihm viel Kritik ein, denn das Land stand seinerzeit noch unter dem Einfluss des Apartheidregimes und kulturelle Kontakte wurden offiziell von der UNO boykottiert. "You Can Call Me Al" und "Diamonds On The Soles Of Her Shoes" können (und sollen) ihre afrikanischen Einflüsse auch gar nicht verhehlen und kommen sehr kraftvoll daher.

Als echter Hinhörer stellt sich "Late In The Evening" vom 1980er "One-Trick Pony"-Album heraus, das durch eine hüpfende Bassfigur und akzentuierte Bläsersätze, die von keinem Geringeren als Dave Grusin arrangiert wurden, besticht. Eine Textzeile lautet »I stepped outside to smoke myself a j«. Was ein 'J' ist, konnte seinerzeit im jugendlichen Alter für reichlich Kopfzerbrechen sorgen... Auch "Still Crazy After All These Years", der Titelsong des gleichnamigen Soloalbums von 1975, das auf Barry Becketts zauberhaften Fender Rhodes-Teppichen basiert und von einem beseelten Solo des begnadeten Tenorsaxofonisten Michael Brecker gekrönt wird, zählt zu den Highlights von "Over The Bridge Of Time".

An Paul Simon-Retrospektiven - offizieller wie inoffizieller Art - herrscht nun wirklich kein Mangel. Sony Music ist mit "Over The Bridge Of Time" ein überzeugender Vertreter gelungen, selbstredend berücksichtigend, dass es schwierig ist, ein derart erfülltes musikalisches Lebenswerk auf eine einzelne CD zu bannen. Zwangsläufig muss da der eine oder andere Klassiker auf der Strecke bleiben, obwohl Sony Music den vorliegenden Datenträger bereits bis an den Rand des Platzens befüllt hat.
Erstklassig ist auch das 26-seitige Booklet, das neben zahlreichen schönen Bildern auch Liner Notes des New Yorker Kulturjournalisten Jesse Kornbluth und alle Texte und jeweilen Line-ups enthält. Eine wirklich schöne Veröffentlichung!

Line-up:
Paul Simon (vocals, acoustic guitar)
Art Garfunkel & a bunch of other great musicians