Paul Simon / So Beautiful Or So What
So Beautiful Or So What Spielzeit: 38:08
Medium: CD
Label: Concord (Universal), 2011
Stil: Pop

Review vom 08.04.2011


Wolfgang Giese
Einerseits wieder ein Album von Paul Simon, wie man es eigentlich erwarten kann: Nicht besonders anspringend auf den ersten Höreindruck, dadurch auch leicht sperrig, ungewöhnlich ohnehin, es sei denn, der Künstler hätte sich zurückbesonnen auf Zeiten, in denen die Songstrukturen meistens einfacher gestrickt waren.
Allein der Eröffnungstitel, "Getting Ready For Christmas Day" lässt mich noch immer etwas ratlos zurück, und kommt mir immer mehr als eine Art eine Resteverwertung vor. So, als hätte ich das alles schon einmal in anderen Songs des Musikers gehört.
Dazu die Samples, und dieser leicht schwammige, auf- und abwabernde Sound. Das wirkt befremdlich und nicht überzeugend. Schon besser wird es aber gottlob mit "The Afterlife". Da scheinen die an- und abschwellenden Elemente wieder benutzt worden zu sein, das wie unkontrolliert bediente Schlagzeug tobt im Hintergrund vor sich hin, dabei bewegt sich der Song in einem ständig elastischen und sich windenden Rhythmus dahin. Scheint, da steckt etwas an Arrangierarbeit dahinter. Und darüber dieser typische, manchmal emotionslos erscheinende Gesang. Diesem Stück hätte ich gern mehr Zeit, als die angegebenen 3:40 zugestanden.
"Dazzling Blue" ist eines der gelungensten Kleinode der Scheibe, eine von der Atmosphäre an Afrika erinnernde Gitarre mit akzentuierten Beats von Tablas. Aber auch dazwischen regt sich so manches in diesem kleinen Songparadies, wie der Einsatz der Bluegrasser von Doyle Lawson & Quicksilver.
Aber so manch andere Überraschung lauert noch: Afrika mit dem Einsatz einer Kora ("Rewrite"), Countryanklänge à la "Ghost Riders", seltsam dahingaloppierend ("Love Is Eternal Sacred Light"), oder auch zarte, dahinschwebende Balladenklänge ("Love And Hard Times" und noch viel schöner auf "Questions For The Angels"). Letzterem hätte die Hinzufügung von Art Garfunkel sicher auch gut getan. Eine schwere, fast slidende Gitarre, die von merkwürdig klappender Perkussion aufgelockert wird, erstaunt uns bei "Love And Blessings" und bietet darüber hinaus noch wie abgehackt wirkende Fetzen von Gospelgesang. Mit dem Titeltrack, in dem eine dominierende Gitarre die Leitlinie setzt, wiederum von dieser ungewöhnlich angelegten Perkussion angetrieben, verabschiedet sich Paul fast ebenso seltsam, wie er uns begrüßte.
Bleibt mir zum Schließen, dass der eingangs gewonnene Eindruck, das Album erinnert sehr an "Graceland", immer wieder im Laufe der Hördurchgänge einholte. Mal ist es weniger, mal ist es mehr. Nur scheinen Simon und Mitproduzent Phil Ramone hier viel mit technischen Tricks gespielt zu haben.
Mit "Surprise", dem vor fünf Jahren erschienenen zehnten (?) Soloalbum Simons hatte dieser zuletzt überrascht, wahrscheinlich auch durch Mitwirkung und Mitgestaltung durch Brian Eno. Nun überrascht er uns erneut mit diesen teils schon grenznah kurios anmutenden Klängen, die eines aber auf jeden Fall beinhalten: Es gibt eigentlich gar keine Vergleichsmöglichkeit zu einem anderen Künstler. Was zu dem Schluss kommen lässt: Das hier ist ein typisches Paul Simon-Album.
Ein echter Hit - in dem Sinne, dass man ein Stück vermarkten könnte - ist nicht drauf. Es sei denn, durch Dauerberieselung im Radio, da empfehle ich es einmal mit "Dazzling Blue". Ansonsten atmen die Titel in der Regel derart viel Kompliziertes in den Arrangements, dass sie bestimmt vorwiegend einer zugeneigten Hörerschaft schneller zu erschließen sind.
Fazit: Ganz ungewöhnlich, wieder einmal…
Line-up:
(soweit bekannt)
Paul Simon (vocals, guitar)
Vincent Nguini (guitars)
Steve Shehan (percussion)
Chris Bear (drums)
Doyle Lawson & Quicksilver (vocals, fiddle and other instruments - #3)
Tracklist
01:Getting Ready For Christmas Day (4:07)
02:The Afterlife (3:40)
03:Dazzling Blue (4:32)
04:Rewrite (3:50)
05:Love And Hard Times (4:09)
06:Love Eternal Sacred Light (4:02)
07:Amulet (1:37)
08:Questions For The Angels (3:50)
09:Love And Blessings (4:18)
10:So Beautful Or So What (4:09)
(all compositions by Paul Simon)
Externe Links: