Ron Spielman / Absolutely Live
Absolutely Live Spielzeit: 60:52
Medium: CD
Label: Eigenproduktion, 2007
Stil: Blues, Jazz Rock

Review vom 05.09.2010


Mike Kempf
Da steht er auf einmal neben mir, Ron Spielman! So geschehen am 8. August diesen Jahres im Radio-Studio mit Viktor, der an diesem Tag eine dreistündige Sondersendung (60 Minuten in Berlin) moderierte und das erste Drittel Spielman widmete! Doch bevor es losging konnte ich in einem zehnminütigen Gespräch erste Eindrücke von diesem Ausnahmemusiker gewinnen. So erfuhr ich, dass er vor ca. vier Jahren ein Konzert im Berliner Kultclub Quasimodo eher zufällig mitschneiden ließ, um später festzustellen, dass ihm und seinen damaligen musikalischen Begleitern, Edward Maclean (Bass) und Benny Greb (Drums), ein außergewöhnlich guter Gig gelungen war. Und zwar so gut, dass sich Ron entschloss, daraus ein Live-Album zu produzieren! Nachdem Spielman an diesem heißen, sommerlichen Augustabend während der Sendung drei Songs, nur mit einer Akustikklampfe und seinem Zwerchfell bewaffnet, zelebrierte, stellte er sich zwischendurch den Fragen des wissbegierigen Moderators. Dabei konnte ich tolle Infos aus erster Hand bzgl. des Albums "Absolutely Live" gewinnen, dass ich vom Gitarrenmeister persönlich für meine RockTimes Rezension erhielt, auf die ich noch zurückkommen werde.
Zugegebenermaßen ging ich schon etwas vorbelastet an die Bewertung der Live-Scheibe ran, dazu hinterließ Spielman bei mir einen zu großen Eindruck in den kurzweiligen Studio-Intermezzi! Doch wie es sich für einen RockTimer gehört, wird auch hier objektiv bewertet. Im Gegenteil, bei solch außergewöhnlichen Musikern setzte ich die Messlatte ziemlich hoch an, so wetze ich das Seziermesser aufs Schärfste um den Silberling in seine Einzelteile zu zerlegen und gnadenlos nach Schwächen zu suchen!
In der folgenden guten Stunde wird "Absolutely Live" in meinem Player seine erste Runde drehen, um mir die Live-Songs von Rons Berlin-Gig des September 2006 aus dem Quasimodo zu offenbaren. Schon der Opener "Crazy Hitman", der mit gebührendem Applaus der Fans angeschoben wird, macht Appetit auf mehr. Gesangstechnisch erinnert er mich ein wenig an Henrik Freischlader, auch vom Gitarrenspiel steht er dem Wuppertaler Blueser im Nichts nach. Beim folgenden "There Is No Reason" fange ich an, bedingt durch den swingenden Rhythmus, auf meinem Stuhl mitzuwippen. Der Song geht butterweich ins Blut, eine Mischung aus Blues, etwas Reggae, Soul und Pop, die der Wahl-Berliner bestens in Szene setzt! Bevor es mit "Funk Brother" weitergeht, heimst das Trio den wohlverdienten Applaus ein. Mit knapp zwölf Minuten ist es das längste Teil der gepressten Zeitreise. Hat sich mittlerweile für meine Ohren sein eigener Gesangsstil herauskristallisiert, so lässt er seiner Stromgitarre freien Lauf, damit diese auf unnachahmliche Art erzählen kann!

Das Besondere an den längeren Stücken ist, dass er ab ca. fünf Minuten seine musikalischen Mitstreiter von der Leine lässt und von dort an nur noch improvisiert. Sicher, dazu bedarf es des Zusammenspiels exzellenter Musiker wie Spielman selbst, des Drummers Benny Greb (2006 vom Modern Drummer Magazin in der Kategorie 'Up and Coming Drummer' auf den zweiten Platz gewählt) und des Tieftonspezialisten Edward MacLean, um sich die Noten blind zuzuspielen. Dazu erklärte Ron: »Der eine spielt eine Vorlage, der andere ergänzt die Vorgabe mit seiner Idee, worauf eine anderer spontan seine Empfindungen beimischt, usw…«. Im Endeffekt werden Songs gespielt, die man wohl so nie auf einer Studio-CD zu hören bekommen wird. Und genau hier liegt der Reiz der Live-Platte, so wie bei Hendrix' "If Six Was Nine", das von einem Drumsolo Grebs ins Leben gerufen wird. Insgesamt wird das Teil von reichlichen Improvisationen geprägt, was dem Oldie bestens zu Gute kommt. Die herausragenden Merkmale des Stücks sind Rons spektakulären Gitarrenläufe, die für mich nur eine Qualitätsform erkennen lassen: Absolute Spitzenklasse! Da spielt es auch keine Rolle, dass er einige Jazz-Elemente mit eingebaut hat.
Nach Halbzeit gibt's "Monschda Ballad" auf die Lauscher. Hier möchte ich einen Vergleich mit Michael Landau ziehen, den ich 2007, ebenfalls im Quasimodo, hautnah erlebte und der instrumental ähnlich veranlagt ist wie Spielman. So verzichtet der Hauptprotagonist auf den Gesang und lässt stattdessen komplett die Spielgeräte zu Wort kommen, die sich im Stil von Jazz, Fusion und Experimentaler Musik bewegt. Ich finde das Teil klasse, so wird dem Konsumenten qualitativ hochwertige Musik geboten, die man nicht alltäglich auf die Ohren bekommt. Was die Tonkonserve besonders prägt, ist die Tatsache, dass hier ohne Absicherung musiziert wird, einfach drauflos und mal sehen und hören was dabei heraus kommt. Sicher, live kann man ein Publikum eh nur schwer austricksen und die Tagesform spielt eine große Rolle! Und die muss an diesem Abend besonders gut gewesen sein, beweist es letztlich auch "In Another Life", dass nach guten acht Minuten ins Ziel einläuft. Mit "Goodbye Pork Pie Hat" folgt der nächste Kracher! Hier entlockt Ron im Fusion-Stil seiner Klampfe die herrlichsten Töne, singt dabei äußerst gefühlvoll und versprüht mystische 'Weltraumatmosphäre'! Für mein Empfinden ist das Musik für Musiker, und obwohl ich selbst keiner bin, begeistert mich das Stück! Zum Finale hat sich das Trio "Big Shuffle" aufgehoben, einem Blues Jazz-Teil, das allerletzte Zweifel vom Tisch bläst und einen rundum zufriedenen Rezensenten hinterlässt, der keinerlei Schwächen entdecken konnte.
Fazit: Für MTV- und Viva-Liebhaber wohl eher nicht geeignet. Dann schon eher für die Sat 1 Frühstücksgucker, wo Ron schon mehrmals seine Visitenkarte abgegeben hat! Ebenso für Fans, die auf sehr anspruchsvolle, qualitativ hochwertige Musik, aus einer Mischung verschiedener Musikrichtungen, wie Blues, Jazz, Fusion und etwas Pop stehen. Diese Fangemeinde wird voll auf ihre Kosten kommen! All diesen muss ich den Erwerb des tollen Albums ohne wenn und aber verordnen! Für mich ein ganz heißer Tipp!
Line-up:
Ron Spielman (vocals, guitar)
Edward MacLlean (bass)
Benny Greb (drums)
Tracklist
01:Crazy Hitman
02:There Is No Reason
03:Funk Brother
04:If Six Was Nine
05:Monschda Ballad
06:In Another Life
07:Goodbye Pork Pie Hat
08:Big Shuffle
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