Wie gerne würde ich euch ein Interview mit Saga und Marillion präsentieren, aber leider ist am Vormittag vor dem Konzert in Berlin etwas passiert, das den gesamten Ablauf durcheinander gebracht hat. Das Interview mit Marillion muss ich leider selbst absagen, da es zu einer Uhrzeit angesetzt ist, zu der ich auf meiner Arbeitsstelle unabkömmlich bin. Mit Saga möchte ich auch sehr gerne sprechen, da auch ein angenehmerer Zeitpunkt vorgesehen ist, aber leider werden alle Termine kurzfristig abgesagt, da Keyboarder Jim Gilmour einen Unfall erlitt und sich dabei am Auge verletzt hat. Für die Band gibt es in dieser Situation nur zwei Alternativen: das Konzert abzusagen, oder so schnell wie möglich einen Ersatzmann zu finden. Absagen kommt nicht in Frage und so wird vormittags in Berlin herumtelefoniert und nach einem professionellen Keyboarder gefahndet, und zum Glück aller Beteiligten gefunden.
Mit dem neuen Mann müssen natürlich die Songs einstudiert werden, und das hat bis kurz vor der Show gedauert. Leider können Saga aus diesem Grund nicht ihr komplettes Programm abfahren, was zuerst niemanden auffällt. Erst als Saga-Frontmann Michael Sadler während der Show diese Misere erklärt und sich mehrmals entschuldigt, wird allen im Saal klar, weshalb ein neuer Mann an der Tastatur arbeitet. Und dieser Andreas Gundlach ist richtig gut.
Der Andrang zu dieser Veranstaltung hält sich leider in Grenzen und das Tempodrom ist nur zur Hälfte gefüllt, als Marillion beginnen. Ich hatte mich auf diese Band gefreut, da sie im vergangenen Jahr als Vorprogramm von Deep Purple eine gute Figur machten, und ich zu meiner Schande gestehen muss, dass ich sie noch nie in voller Länge live gesehen habe. Sänger Steve Hogarth setzt sich zu Beginn in ein gutes Licht, in dem er seitlich der Bühne auf einem Boxenturm beginnt und nur von einem Spot angestrahlt wird. Währenddessen sammeln sich seine Kollegen auf der dunklen Bühne und stimmen nacheinander in seinen Gesang ein. Der Klang im Saal ist hervorragend, was der melodischen Musik zu Gute kommt. Nachdem die Band im vollen Rampenlicht steht, wandert Hogarth immer wieder von einer zur anderen Seite der Bühne und versucht, das Publikum zu unterhalten. Ständig fährt er sich dabei mit den Händen durch die Haare und wirkt etwas orientierungslos. Irgendwie scheint heute nicht sein Tag zu sein und dieses Empfinden haben auch die ca. 2500 Leute im Saal.
Es mangelt deutlich an Überzeugung, um die Fans in seinen Bann zu ziehen. Seine Musiker sind dagegen in Höchstform. Gitarrist und einziges Relikt der Ur-Besetzung, Steve Rothery, ist an der Gitarre unschlagbar, und mit geschlossenen Augen schwingt er ständig leicht im Takt der Songs mit, die er, wie man unschwer erkennen kann, leidenschaftlich liebt. Hogarth hingegen klammert sich in seinen Laufpausen an seinen Mikrofonständer, der mit reichlich Percussion-Kram behangen wie ein Weihnachtsbaum ist. Ab und zu greift er sich mal eines der Teile um etwas zu klappern oder zu rasseln. Ob es notwendig wäre, sei mal dahingestellt. Viel interessanter sieht seine, anscheinend im Eigenbau gebastelte, elektronische Gitarre aus, die er sich ab und zu um den Hals hängt. Im eckigen Korpus befinden sich vier Knöpfe, auf die er seine Finger legt und am Hals ist so eine Art Griffbrett, das von seiner linken Hand berührt wird. Ob dabei wirklich Töne heraus kommen ist nicht zu definieren, da die Keyboard-Akkorde deutlich lauter sind. Vermutlich nur ein anderer Gegenstand, um seine Zerfahrenheit zu überdecken. An manchen Stellen der Show habe ich den Eindruck, dass der Frontmann überhaupt nicht weiß was er gerade macht oder wo er sich befindet.
Das Programm hört sich inzwischen auch nur noch eintönig an. Irgendwie ist zwischen den Songs kein Unterschied mehr zu erkennen und würden Marillion nicht als zweite Zugabe ihren einzigen großen Hit "Kayleigh" spielen, hätte ich das Konzert nur als 'unter ferner liefen' abgehakt. Hogarth schafft es aber auch, diesen Klassiker zu zerstören. Seine Stimme ist einfach zu hoch und somit kommt der Song niemals an sein, von Fish gesungenes Original, heran. Zur Strafe honoriert das Publikum im Saal die Musik noch während der Zugaben mit lautstarken "Saga, Saga"-Rufen. Wie peinlich muss das für Marillion gewesen sein. Nun ja, die eingeschworenen Fans sind aufgrund der um fast dreißig Minuten verlängerten Spielzeit mit Sicherheit auf ihre Kosten gekommen. Ich für meinen Teil habe mir vorgenommen, Marillion nicht noch einmal sehen zu wollen, und auf dem Weg nach Hause habe ich mir "Misplaced Childhood" in den Player geschoben, um wenigstens etwas Nostalgie zu haben.
Marillion:
Steve Hogarth (vocals)
Pete Trewavos (bass)
Mark Kelly (keyboards)
Ian Mosley (drums)
Steve Rothery (guitar)
Setlist:
Splintering Heart
Cover My Eyes
King
Sugar Mice
Hooks In You
Somewhere Else
You're Gone
Man Of 1000 Faces
The Great Escape
Between You & Me
Neverland
Afraid Of Sunlight
Kayleigh
Invisible Man
Nach der üblichen Umbaupause stehen nun endlich Saga fast in Originalbesetzung auf der Bühne. Endlich ist Michael Sadler nach längerer Erholungspause zurück und die Fans begrüßen ihn mit tosendem Applaus. Selbst mir läuft dabei die Gänsehaut den Rücken herunter. Dass in der Band ein neues Gesicht erscheint, fällt im ersten Moment überhaupt nicht auf. Der Berliner Keyboarder Andreas Gundlach ersetzt, wie bereits angeführt, den verunfallten Jim Gilmour, und macht sich an dem schönen Tastatur-Aufbau sehr gut. Kaum zu glauben, dass er nur wenige Stunden hatte, um die Songs einzustudieren. Zu seiner Entlastung und um ihm den Druck zu nehmen, wird er dabei oft von Sadler unterstützt, der direkt neben ihm einen zweiten Keyboard-Satz zu stehen hat. Durch Zeichen verständigen sich dabei beide und so geht alles fehlerfrei durch die verkürzte Show. Für seinen selbstlosen Einsatz wird der Ersatzmann mit einem Piano-Solo belohnt und natürlich dem daraus resultierenden Applaus.
Saga haben versucht, in diese Not-Show eine gelungene Mischung aus bekannten und weniger populären Songs zu spielen. Von den tatsächlichen zehn Werken sind fünf Hitparaden-Stürmer wie "How Long", "On The Loose", "The Flyer" und natürlich, als leider einzige Zugabe, "Wind Him Up". Untermalt wird das Ganze von einer schönen Hintergrundbeleuchtung und natürlich den markanten Gitarren-Riffs von Ian Crichton. Sein Bruder Jim hantiert dabei abwechselnd mit seinem Bass und einem Mini-Synthesizer und liefert sich kurz vor Ende eine Battle mit Drummer Brian Doerner, der ebenfalls in Höchstform trommelt. Zu meiner inneren Befriedigung hätte ich gerne noch "Humble Stance" gehört, aber ich denke, dass die Band in den nächsten Tagen das Programm mit dem neuen Keyboarder komplett einstudieren wird, um den Fans in den anderen Städten das volle Programm bieten zu können.
Sadler erklärt zum Schluss den Fans noch einmal die Situation und bittet um Verständnis. Sind Saga wieder in der Stadt, werden sie das Versäumte wieder gut machen. Durch das hervorragende Konzert dieser Kultband hat sich der Abend trotz anfänglicher Schwierigkeiten als gut erwiesen. Für den dünn besetzten Saal mache ich mal die hohen Eintrittspreise und den Termin zu Beginn der Arbeitswoche verantwortlich.
Saga:
Michael Sadler (vocals, keyboards)
Ian Crichton (giutar)
Jim Crichton (bass, keyboards)
Brian Doerner (drums)
Andreas Gundlach (keyboards für Jim Gilmour)
Setlist:
Intro
Out Of Shadows
Careful
How Long
On The Loose
Ice Nice
Piano Solo
Time's Up
Framed
Flyer
Don't Be Late
Wind Him Up
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