Savoy Brown / Hellbound Boogie
Hellbound Boogie
Savoy Brown wurde 1966 als Savoy Brown Blues Band in London gegründet und stieg im gerade entstehenden British Blues-Boom schnell zu einer festen Größe unter den Bluesmusikfans auf. Mit ihrer Liebe zur Musik der Altmeister wie Howlin' Wolf und Elmore James lagen sie fast auf einer Wellenlänge mit Peter Greens Fleetwood Mac und John Mayall. Doch nicht nur musikalisch gab es Parallelen zu den Bluesbreakers. So war Kim Simmonds (guitar, vocals, piano) die einzige Konstante bei Savoy Brown. Im Laufe der Jahre verschliss die Band durch ständige Personalwechsel an die hundert Musiker. In ihren Reihen standen unter anderem so bekannte Leute wie Dave Paverett (guitar, vocals) und Roger Earl (drums), die im Jahr 1970 die Combo Foghat ins Leben riefen, sowie Stan Webb (guitar, vocals) (ex-Chicken Shack) und Miller Anderson (guitar, vocals) (ex-Keef Hartley Band), mit denen Savoy Brown 1974 das hervorragende Album "Boogie Brothers" einspielte.
In den vier Jahren dazwischen bestand Savoy Brown neben Kim Simmonds aus dem Bassisten Andy Sylvester, Dave Bidwell am Schlagzeug und Keyboarder Paul Raymond. Alle drei spielten vorher zusammen bei Chicken Shack, und Paul Raymond ist heute bei UFO aktiv. Sänger Dave Walker vervollständigte dieses Band Line Up. In dieser Besetzung wurden insgesamt fünf hervorragende Alben eingespielt, von denen "Street Corner Talking" (1971) und "Hellbound Train" (1972) den größten Erfolg brachten.
Der Twofer "Hellbound Boogie" bringt uns nun die Aktivitäten der Band aus dem Jahr 1981 näher. Die erste CD enthält den Live-Mitschnitt "Greatest Hits Live In Concert" (hier mit "Hellbound Boogie" betitelt). Dieses Konzert wurde am 27. Juni 1981 in der 'Rainbow Music Hall' von Denver, Colorado mitgeschnitten. Auf der Bühne standen Kim Simmonds, Ralph Norman (vocals), Barry Paul (rhythm guitar), John Humprey (bass) und Keith Boyce (drums).
Beide Titel konnten gar nicht treffender gewählt werden, denn es gibt wahrhaft 'höllischen' Boogie auf die Ohren. Dreckig, rau, hart, rotzig - ich weiß gar nicht richtig, wie ich das beschreiben soll - es passt einfach alles zu diesen völlig aufgedrehten Songs. Kim Simmonds spielt sich, egal ob mit oder ohne Flaschenhals, diverse Knoten in die Finger. Die Rhythmusgruppe legt ein gewaltiges Feuerwerk an den Tag, und Shouter Ralph Norman lässt immer wieder gewisse Ähnlichkeiten zum seligen Steve Marriott erkennen. Das muss ein wirklich starker Auftritt gewesen sein. Das sagen jedenfalls die hier sehr gut eingefangenen Publikumsreaktionen aus. Hier wirkt nichts steril mit null Stimmung, im Gegenteil, man fühlt sich mitten drin im Geschehen. Genau so will man Savoy Brown hören!
Auch "Greatest Hits Live" ist völlig zutreffend, sind doch "Hellbound Train" (übrigens mein persönlicher Anspieltipp) vom gleichnamigen Album mit einem Wahnsinns Bass-Solo am Anfang, sowie "Street Corner Talking" (ebenfalls ein Album Titel) schon wahrhafte Highlights. Dazu kommt noch das über dreizehn minütige Meisterwerk "Tell Mama". Außerdem führt uns der "Louisiana Blues" vom Album "Blue Matter" bis ins Jahr 1969 zurück.
CD 2 enthält das ebenfalls 1981 entstandene Studio-Werk "Rock & Roll Warriors". Unterstützt wurde Savoy Brown hier durch den Keyboarder John Sinclair und die Background Sängerinnen Linda Lawley, Andrea Robinson, Sue Richman und Riba Gleich. Stilistisch macht die Band mit dem Opener "Cold Hearted Woman" genau da weiter, wo sie bei dem Konzertmitschnitt aufgehört haben. Rauer, eindringlicher Rock mit einer stark treibenden Gitarre bringt gleich wieder Stimmung in die Bude, gefolgt von dem 'Gute Laune' Rock 'n' Roll-Stück "Geordie", bei dem mir gleich irgendwie die guten alten Faces in den Sinn kommen. Es ist schon komisch, aber auch im dritten Song ziehe ich unwillkürlich wieder eine andere Band als Vergleich vor mein geistiges Auge bzw. Ohr, denn "Bad Breaks (Make Me Feel Good)" hätte auch ohne weiteres von Angry Anderson und Rose Tattoo stammen können. Tempo und Gitarren erinnern mich doch gewaltig an "Butcher And Fast Eddie" der australischen Tattoo Träger. Besonders zu erwähnen ist hier die fantastische Slidegitarre von Kim Simmonds. Dieses Stück strotzt nur so vor Kraft und Dynamik.
Und wieder folgt mit "Don't Tell Me I Told You" purer Rock 'n' Roll mit fliegenden Gitarren. Jetzt leben die 50'er Jahre wieder auf und lassen die Füße wippen. Weiter geht's mit "This Could Be The Night" in schönster Status Quo-Manier.
Und dann kommt der absolute Brüller des Albums. "Lay Back In The Arms Of Someone", von den Weichspülern Smokie übernommen, aber auch leider kaum verändert. Das Teil könnte ohne Weiteres auf "Kuschel Rock Nr. 5863" vertreten sein, aber nicht auf einem Savoy Brown Album.
Zum Glück ist das aber der einzige Ausrutscher, und es geht weiter mit straighter Rockmusik und viel Tempo. "Rock & Roll Warriors" trägt seinen Titel ebenfalls vollkommen zu Recht, denn hier sind wirklich "Krieger des Rock & Roll" unterwegs. Für mich bietet das Album guten 'Sauf-Rock', bei dem man sich nicht groß konzentrieren muss. Die Songs gehen schon in die Beine. Nur hat das rein gar nichts mehr mit der Band Savoy Brown zu tun, die ursprünglich mit dem Britischen Blues-Boom groß geworden ist. Und das ist schade!
Kurzes Fazit zum Schluss: Die Live CD ist absolut empfehlenswert, während man als Anhänger der 'alten' Savoy Brown-Musik doch einige Abstriche machen muss. Leute, die noch nichts von der Band gehört haben, werden aber auch hier ganz gut bedient.


Spielzeit: 62:44 (CD 1), 39:47 (CD 2), Medium: CD, Music Avenue, 2006, Rock
CD 1: 1:Street Corner Talkin' (4:40) 2:I'm Tired (2,37) 3:Hellbound Train (9:47) 4:Train To Nowhere (4:06) 5:I Can't Get Next To You (4:52) 6:All I Can Do Is Cry (8:05) 7:Needle And Spoon (2:56) 8:Tell Mama (13:42) 9:Louisiana Blues (4:50) 10:The Boogie (7:02)
CD 2: 1:Cold Hearted Woman (2:49) 2:Georgie (2:48) 3:Bad Breaks (Make Me Feel Good) (5:37) 4:Don't Tell Me I Told You (2:35) 5:This Could Be The Night (3:57) 6:Lay Back In The Arms Of Someone (4:15) 7:Shot Down By Love (3:01) 8:Bad Girls (Make Me Feel Good) (3:36) 9:Got Love If You Want It (3:17) 10:Nobody's Perfect (3:33) 11:Run To Me (3:48)
Jürgen Bauerochse, 01.07.2006