Schandmaul / Traumtänzer
Traumtänzer Spielzeit: 55:37
Medium: CD
Label: F.A.M.E. Artist Records
Stil: Mittelalter Rock

Review vom 13.02.2011


Sabine Feickert
»Für uns war nun der Zeitpunkt gekommen mal auszuruhen und unsere Akkus an den Strom zu hängen. Einfach mal Kraft tanken und wieder im eigenen Bett schlafen.«
So erklärt Schandmaul die Konzertpause in 2010 und damit zugleich die Vorgeschichte zum aktuellen Album "Traumtänzer". Gut getan hat der Band diese Pause offensichtlich! Die Nächte in den eigenen Betten haben den Spielleuten wohl viele Träume beschert, von denen ein Teil Eingang auf den "Traumtänzer" gefunden haben. Ein Album wie eine Sammlung von Träumen und Geschichten, das ist zumindest mein Eindruck vom aktuellen Silberling der Münchner.
Nicht nur verträumt, sondern auch mitreißend wirbelnd, so stellt sich im Titelsong der "Traumtänzer" vor. Die Flöte, unterstützt von Geige und Schlagzeug veranstaltet eine furiose Eröffnung und behält im Verlauf der kompletten Nummer die Führung, in einer Virtuosität und Geschwindigkeit, dass sich schon beim Zuhören die Finger verknoten. In diesem Traum wechseln die Themen zwischen heiter und beschwingt treibend mit fast schon punkigem Rhythmus und wenigen eher melancholisch nachdenklichen Passagen. Ernster wird es im "Alchemist", der sich durchaus auch als eine Parabel auf unsere Leistungsgesellschaft verstehen lässt, in der das Streben nach der Formel, die aus Steinen Gold zaubert nur wenig rationaler gehandhabt wird als zu den Zeiten der Alchemisten. Auch heute noch wird so mancher auf der Suche nach dem Weg ins Licht von der eigenen Gier in ein dunkles Verlies irregeleitet:

»Ich wähnte das Gold brächt alleine mir Glück
Ich war still besessen - Stück für Stück
Vergaß ich das Leben, gänzlich ergeben
Betrat ich den Weg in die irdene Gruft
Folgend der Stimme, die flüsternd mich ruft«


Die Schandmäuler sind aber nicht allein auf die Musik festgelegt, dass zumindest einzelne Bandmitglieder auch literarisch interessiert und bewandert sind, zeigt sich nicht nur an der Kooperation mit Wolfgang Hohlbein, auf die ich später noch genauer eingehen werde.
Eine neue Form des "Hexeneinmaleins" stellt Schandmaul vor und auch wenn der rechnerische Part ein ganz anderer ist als der in Goethes "Faust" (»Du mußt versteh'n! Aus Eins mach Zehn,....«), so passt das Lied inhaltlich doch gut zu Goethes großem Drama. Sinnsuche, Magie, sowie die Hoffnung auf Liebe, Macht und Reichtum wird hier auch musikalisch passend geheimnisvoll und etwas düster umgesetzt. An eher leichtere, unterhaltsame Kost lässt "Bis zum Morgengrauen" denken, das als fast gleichnamiges Buch etliche Monate die Bestsellerlisten anführte. Wie bei Stephenie Meyer mit ihrer Bis(s)-Reihe, tritt auch bei Schandmaul ein Wesen der Nacht auf die Bühne und verführt zu ewiger Liebe und tödlichen Küssen. Und wenn wir gerade bei der Liebe sind - zum Heulen schön finde ich die nächste Nummer "Die Rosen". Thomas beschreibt hier die sehnsuchtsvolle Suche nach der großen Liebe. Einen ganzen Rosengarten küsst er, um schließlich die Einzigwahre zu finden. Er schafft es, ein wirklich anrührendes und schönes Liebeslied zu schreiben und darzubieten, ohne in Schmalz und Kitsch abzudriften. Doch schon geht es weiter mit dem nächsten Traum, der "Schwur", bei dem weitere literarische Anleihen im Spiel sein könnten. Ein verfluchter, verzauberter Ring, der Krieg mit sich trägt, soll zurückgebracht werden - Tolkien und andere grüßen ganz herzlich. Ein Zauber anderer Art ist beim "Pakt" im Spiel, der wieder an den "Faust" denken lässt. Eine Liebe, die durch den Pakt mit dem Teufel im Tausch gegen die Seele erzwungen wird, zeigt sich als wertlos, weil der nun seelenlose Liebhaber diese nicht genießen kann. Dramatisch und mit Elementen, die mich an Tango denken lassen, wird das Thema musikalisch umgesetzt.
"Der Anker" widmet sich einem Motiv, das auch bei "Halt mich" aufgenommen wird und mit den Randbedingungen, unter denen das Album entstanden ist, begreifbar gemacht wird. So wie die Musiker sich die Zeit genommen haben, um Zeit mit ihren Familien zu verbringen und dort aufzutanken, hat sich dieses Bedürfnis in den beiden Liedern niedergeschlagen.
Doch neben dem Auftanken gab die Ruhepause auch Gelegenheit eine ganz besondere Zusammenarbeit zu eröffnen:
"Geas Traum" ist das oben schon angesprochene Lied, das aus der Kooperation mit Wolfgang Hohlbein hervorgegangen ist. Frei nach dessen Roman "Infinity - Der Turm" haben die Schandmäuler, die diesen bereits vor der Drucklegung zur Verfügung gestellt bekamen, ihre musikalische Umsetzung davon gebracht. Eine verstörende, fast schon bizarre Situation bildet die inhaltliche Grundlage dieser Nummer, das Wissen darum, dass da mehr gewesen sein muss, eine Liebe gar, doch die Erinnerung an das, was war, fehlt. Noch mehr Dramatik mit weiteren Tango-Elemente gibt es bei "Assassine", das die dramatische Geschichte eines Inquisitors erzählt, der seine schwangere Geliebte wegen Hexerei töten soll. Sie fliehen um ihrer Liebe willen bei Nacht und Nebel und fangen ein neues Leben an.
Ein letztes Liebeslied bildet schließlich den Abschluss dieser Traumrunde - "Mein Lied" lässt den Zuhörer ganz sacht in die Realität zurückkehren, aufgewacht aus 55 Minuten traumhafter Musik, die sich mit schlafwandlerischer, traumtänzerischer Sicherheit in die Herzen und Träume der geneigten Zuhörer schleicht.
Musikalisch ist das Album im typischen, unverwechselbaren Schandmaul-Stil sowie in unvermindert hoher Qualität gehalten. Das Warten hat sich auf jeden Fall gelohnt und die Spielfreude, die schon aus dem Silberling überspringt lässt auf die kommende Traumtänzertour hoffen.
Line-up:
Birgit Muggenthaler-Schmack (Dudelsack, Flöten, Schalmeien, Gesang)
Matthias 'Hiasl' Richter (E-Bass, Fretless-Bass, Akustikbass)
Stefan Brunner (Schlagzeug, Percussion)
Martin "Ducky" Duckstein (E-Gitarre, Akustik-Gitarre, Klassische Gitarre, Gesang)
Anna Katharina Kränzlein (Geige, Drehleier, Bratsche, Gesang)
Thomas Lindner (Stimme, Akustik-Gitarre, Akkordeon)
Tracklist
01:Traumtänzer
02:Der Alchemist
03:Auf hoher See
04:Hexeneinmaleins
05:Bis zum Morgengrauen
06:Die Rosen
07:Schwur
08:Pakt
09:Der Anker
10:Geas Traum
11:Assassine
12:Halt mich
13:Des Dichters Segen
14:Mein Lied
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