Pfüati miteinand: Mir als gestandenem Niederrheiner kommt die Ehre zuteil, die Debüt-CD der bayrischen Band Schorsch & de Bagasch zu rezensieren.
Ohne je im Ursprungsland des Blues gewesen zu sein, handelt es sich um Blues aus den deutschen Südstaaten: "Sekänd Händ Blues" eben. Nebenbei: Der Rezensent wird verdammt viele Blicke auf die Trackliste werfen, um dem Fehlerteufel beim Tippen der Songtitel Einhalt zu gebieten. Hoffentlich geht das gut!
Schorsch & de Bagasch erzählen Geschichten, die das tägliche Leben schreibt und verpacken das Ganze in vorzüglichem, traditionellem Blues.
Zentrum der Band ist Schorsch Hampel, der mit Ausnahme des Bonus-Tracks für Text und Musik verantwortlich ist.
Beruflich hat der Schorsch einen beachtlichen Spagat hinter sich. Eisenbahnbeamter, Politik studiert und Taxifahrer. Als ausgebildeter Psychotherapeut war er jahrelang Jugendberater im Dr. Sommer-Team bei der 'Bravo'. Sieh an, sieh an, da hat der beruflich umtriebige Schorsch mit Sicherheit viel zu erzählen…
Im Info-Blatt zu Sekänd Händ Blues heißt es: "...Synthese aus bairischem G'stanzl und Blues."
Perfekt, diese Umschreibung, was auf dem Erstling so passiert. Blues mit in Mundart gesungenen Lyrics. Spontan fällt mir da Smokin' Joe Kowalski aus dem Bergischen ein.
Vom untersten Niederrhein darf ich euch nun zu einer musikalischen Reise in den Süden Deutschlands einladen. Genauer gesagt ins 'Downtown-Studio' nach München, denn dort ist der "Sekänd Händ Blues" aufgenommen worden.
Soviel mal vorweg: Das, was letztendlich aus den Speakern meines Players kommt, ist klangtechnisch beeindruckend umgesetzt. Der CD-Sound passt zum Schorsch & de Bagasch-Blues.
Der Schorsch spielt die Gitarren und singt (Xang heißt das im Booklet). Und de Bagasch sind:
Ferdl Eichner - Mundharmonika
Klaus Benz - Klavier, Orgel, Xang
Dominik Schindlbeck - Bass
Artur Silber - Schlagzeug
Das was die 10 Gastmusiker und -sänger/-innen beitragen, verdeutlicht, welche Blues-Route so mancher Song nimmt. Aber dazu an anderer Stelle mehr.
War ich aus dem Wissen heraus, dass die CD bei mir landet, doch etwas skeptisch, bin ich, um das Wort mit den zwei 't' zu zitieren (hier: flott), von Anderem überzeugt worden: Der Blues und die bayrische Mundart verschmelzen zu einer ungeahnten Einheit.
Leute das geht zusammen!
Aber hier wollte ich, nett wie ich bin, mein Review in 'Gochse Platt' schreiben. Das hätte aber in einem übertriebenen Unterfangen geendet, sind doch alle Lyrics griffbereit im Hochglanz-Booklet, mit gelungenen Fotos unterlegt, abgedruckt und man kann dem glaubwürdigen Schorsch-Blues lesender Weise geschmeidig folgen.
Der Titeltrack erzählt differenziert, warum man nicht auf der Beale Street, in New Orleans/Chicago oder beim 'Mardi Gras' gewesen sein muss, um den "Sekänd Händ Blues" zu haben. Auch wenn der Schorsch den Mosi in Gaising cruisen sieht, dann bekommt er einen sauberen Blues.
Intoniert wird die Geschichte mit mächtiger Slide-Gitarre und ist dominiert von Eichners Harp. Klaus Benz besticht im Song durch ein schönes Orgelsolo.
Im folgenden Bluesstück ("Gmahte Wiesn") kommen Geli Stalinski am Akkordeon, Dr. Will (der von Dr. Will & The Wizzards?) am Waschbrett und Hans O. Graf am Sousaphon zum Einsatz.
Country-Blues ist angesagt und das von Auslese-Format. Inhaltlich zeugt der Song von einer gewissen Unzufriedenheit, wenn man nicht weiß, was man will. So hat der Refrain schon literarische Qualitäten.
Der Schorsch ist auf musikalischen Umwegen, Jazzrock und Pop, letztendlich beim Blues gelandet.
Ein jazziger Einfluss ist deutlich auf "De warn gschead" zu spüren. Dezentes Schlagzeug gibt den Takt an. Aber Klaus Benz' Klavier-Intro zeigt deutlich die musikalische Richtung an. Eine coole Gitarre, gespielt im Jazzmuster, gibt dem Song Aussagekraft. Im Track setzt das Klavier immer wieder gezielte Farbtupfer.
"Da Nachbar" nimmt im Talking Blues-Muster die 68er-Generation aufs Korn. Wieder Dr. Will am Waschbrett, sorgt besonders Rainer Wöffler (Mandoline) für Akzentuierung.
Notarztwagen, man kommt nach Hause, der Nachbar braucht fachmännische Hilfe, der Schorsch soll sich um des Umwohners Katze kümmern und Schorsch erinnert sich an so manche geleerte Flasche Wodka, wobei der Nachbar aus den 68ern erzählt.
Musikalisch ein Stück Sahnetorte vom besten Konditor am Platz.
Slowblues ist angesagt: In "Du woanst nia" empfindet Hampel einem seiner Vorbilder aus der britischen Bluesszene der 60er nach. Und das hat der Schorsch auch drauf, seine Gitarre in Art des unvergessenen Peter Green erklingen zu lassen.
Im Song verleiht Ferdl Eichner mit seiner (chromatischen?) Harp die Trauer um die verflossene Liebe. Nicht umsonst wächst "Du woanst nia" zu einem der Highlights auf der randvollen CD.
Der "51er" braucht sich nicht zu verstecken, glänzt er doch in bester Paul Lamb & The King Snakes-Manier. Ein toller Blueser, in dem sich der Harper mal so richtig austoben kann.
Ha, da singt der Schorsch ja gerade über das richtige Thema in "Pantsching Boi". Ein Bäuchlein ziert den ehemaligen Astralkörper und die Allerliebste hat jetzt was zu meckern und geht durch die Tür hinaus.
Ein flotter Track mit Country-Feeling und Uli Kümpfel am Banjo…
Centrepieces auf "Sekänd händ Blues sind "Trommen von Afrika" (ist das ein Tippfehler im Booklet und dem Inlet der CD? Muss es vielleicht 'Trommeln' heißen?) und "Wudumond". Der Schorsch erinnert sich an seine Zeit als Taxifahrer, der nachts in München umtriebig ist und von einer Fahrt nach Genua träumt. Dort hört er die Trommeln. Die Riffs der Gitarre lassen Erinnerungen an die guten alten Stones wach werden. Das perkussive Outro hat was und leitet nahtlos in "Wudumond" über. Blues direkt aus München. Man soll es nicht glauben. In einer psychedelischen Atmosphäre verstreuselt der Xang in diesem getragenen Song von Geli Stalinski, San2 und Wulf Behrend Gänsehaut-Feeling pur.
In meinem Track-Hopping muss ich als Boogie-Fan der Marke Canned Heat einfach noch "Bevor I geh" auflisten. Wow!
Und natürlich auch das gebläsegestützte "Du woaßt ned wer I bin". Ein Blues der entspannten, lockeren Art mit dem Sound einer halbakustischen Gitarre. Solodarbietungen vom Harper und von Harry Saltzmann am Saxophon.
Dass die Connection zwischen Blues und Mundartgesang hinhaut, stellt beeindruckend das Willie Dixon-Cover (Bonus-Track) mit Text vom Schorsch unter Beweis.
"Sekänd Händ Blues": Eine CD, die uneingeschränkt überzeugt.
Schorsch & de Bagasch haben es. Was gemeint ist, brauche ich wohl nicht weiter aus zu führen…
Spielzeit:77:27, Medium: CD, Stormy Monday Records, 2006
1:Sekänd Händ Intro (1:10) 2:Fesche Mama (3:20) 3:Dia geht's guat (3:44) 4:Du woaßt ned wer I bin (3:49) 5:Da Nachbar (5:16) 6:Pantsching Boi (3:14) 7:51er (4:10) 8:Du woanst nia (7:13) 9:Trommen von Afrika (5:04) 10:Wudumond (7:13) 11:Sekänd händ Blues (4:29) 12:Gmahte Wiesn (3:22) 13:De warn gschead (5:10) 14:Zeit zum Ausziagn (3:39) 15:Bloß in meim Hirn (4:52) 16:Bevor I geh (4:38)
Bonus-Track:Seiwe oide Gschicht (6:50)
Joachim P. Brookes, 25.04.2006
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