»Aller Anfang ist schwer«, so beginnt Benjo seinen "Phoenix".
Aller Anfang ist schwer - so ging es mir beim Schreiben dieses Reviews. Wie nur soll ich in Worte bringen, was es mit diesem Album auf sich hat, ohne dass es nach platter Lobhudelei und abgedroschen klingt? Fangen wir am Anfang an, das war auf MySpace. Schon beim allerersten Reinhören hat mich irgendwas an dieser Musik gefangen genommen, verzaubert, eine Saite in mir zum Klingen gebracht. Dann traf das Album hier ein - ein erster Eindruck war, dass es vom Sound her ein ganz klein wenig dumpf rüberkommt, da ließe sich noch mehr rausholen. Aber das wurde zur absoluten Nebensache, denn die Lieder sind weit mehr als nur Sound.
»Aller Anfang ist schwer« ist der erste Satz des "Neubeginns", der da mit verfremdeter Stimme aus den Lautsprechern tönt, von einem monotonen Hintergrundbeat begleitet und durch sphärische Chorgesänge unterstützt, eine aufwärtstreibende Tendenz aufweist. Als Anfang ist auch dieses Album zu sehen, das die Einmann-Band Seelenwandel komplett selbst eingespielt, aufgenommen, gemischt und gemastert hat. Die Texte und die Musik stammen ebenso von Benjo wie die Covergestaltung. Nun ist das nicht mehr unbedingt so ungewöhnlich, dass ein Einzelner ein komplettes Album rundum macht - erstaunlich ist bei Seelenwandel aber, in welch hoher Qualität es ankommt. Wenn sich der "Neubeginn" in diesem Lied auf das musikalische Werk bezieht, so kann ich nur hoffen, dass es der Beginn eines langen Schaffens ist, denn Potential dafür ist jede Menge da. Wenn die »Stimme in dir« diejenige ist, die dafür gesorgt hat, dass Benjo dieses Album eingespielt hat, dann hoffe ich, dass sie nie verstummen wird.
Was ist nun das besondere daran?
Die Musik? Nun, sie ist zwar auf hohem Niveau angesiedelt, aber das allein ist es nicht.
Die Texte? Sind zweifellos nicht von schlechten Eltern.
»Seelenwandel ist eine musikalische Idee, die es sich zum Ziel gemacht hat, möglichst die komplette Bandbreite an menschlichen Emotionen abzubilden«
So drückt es Benjo auf dem Youtube-Video aus. Von der Aufbruchstimmung im schon erwähnten "Neubeginn" über "Die Gier" bis hin zur "Melancholie" und erotischer Anziehung in "Komm zu mir" reicht die Bandbreite seiner Themen.
Mich fasziniert das Zusammenspiel von Text und Musik - selten habe ich eine so gelungene Umsetzung gehört.
In "Spring" wird über das Lied hinweg genau die Spannung aufgebaut, die entsteht, wenn man sich etwas vorgenommen hat, das Mut erfordert. Anfänglich herrscht da noch Stillstand, der durch monotonen Gesang und gleichbleibende Tonhöhe unterstrichen wird. Die ersten Ansätze sich nach vorn zu bewegen, die dann wieder von der Angst gebremst werden, gipfeln schließlich in wildem Herzklopfen, das immer stärker wird und dann beim erlösenden Sprung schlagartig verstummt.
Bei den "Schatten" eröffnet ein sehnsüchtiges, langsames Klavier und leitet in die schleichende Schilderung der schmerzenden Trennung über. Der fast schon quälend langsame Gesang, von monotonem Schlagzeug und Synthie begleitet, beschleunigt sich bei der Aussicht auf das Zusammensein, die Aufregung angesichts dieser Aussicht wird auch von der einsetzenden, mitreißenden Gitarre aufgegriffen. Doch leider bleibt wohl das Zusammentreffen eine schöne Hoffnung, das melancholische Klavier übernimmt den Schluss dieses Songs und hinterlässt die sehnsüchtige Stimmung.
Auch "Die Gier" ist ein schönes Beispiel dafür, wie das Zusammenspiel von Musik und Text mehr als die Summe seiner Teile ergibt. Ein langsamer, fast schon orientalisch anmutender Beginn mit sanfter Stimme und Percussion, der sich nur ganz minimal steigert, bis sie mit quäkend-knarzig-verfremdeter Stimme aus dem Hintergrund rausbrüllt - die »hemmungslose, skrupellose Gier«, die sich zwar zunächst noch in den Hintergrund zurückdrängen und dort sogar zum Verstummen bringen lässt, dann aber umso heftiger zurückkehrt und die vorher so sanfte Stimme brüchig werden lässt, in der Ahnung, dass letztendlich »eines Tages deine Gier dich frisst«.
Ok, nun wollt ihr sicher wissen, wie 'wer' das denn nun klingt. Tja, da muss ich absolut passen. Es sind Elemente vorhanden, die in Richtung Unheilig, ASP oder auch Wolfsheim gehen. In manchen Nummern klingt aber auch ganz leicht ein junger David Bowie an. Und in allererster Linie ist es Seelenwandel - ganz eigen und einzigartig.
Das Album ist per Download oder als Silberling in schöner, professioneller Aufmachung bei Seelenwandel direkt erhältlich, zu einem mehr als fairen Preis. Von daher mein Appell an alle Interessierten - kauft die Scheibe, damit die Kohle, die auch wirklich dem Künstler zu Gute kommt, dazu verwendet werden kann, weiter zu machen.
Für 2010 will Benjo im Rahmen einer Akustik-Tour möglichst oft live spielen, die Ausschnitte im Video überraschen damit, dass die Nummern auch nur mit Akustik-Gitarre bestehen können und lassen hoffen, dass er möglichst viele Engagements findet, um dieses Vorhaben in die Tat umsetzen zu können.
Auch Ideen für neue Songs hat er schon, was mich sehr hoffen lässt, dass dieses überragende Erstlingswerk noch viele Nachfolgealben finden wird und Benjo sein Potential ausschöpfen kann. Denn so gut der "Phoenix" schon ist, ich habe die leise Ahnung, dass da noch viel mehr kommen kann.
Line-up:
Benjo (Gesang, alle Instrumente)
Tracklist |
01:Neubeginn
02:Spring
03:Schatten
04:Raus
05:Licht
06:Die Gier
07:Melancholie
08:Phoenix
09:Komm zu mir
10:Der Weg
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