Sidony Box / Rules
Rules Spielzeit: 62:00
Medium: CD
Label: Seventh Records/ex-tension records, 2013
Stil: Avantgarde, Jazz Prog

Review vom 08.04.2013


Wolfgang Giese
Ungewöhnlich ist die Besetzung schon: Gitarre, Saxofon, Schlagzeug - da fällt mir spontan keine vergleichbare Band ein. Wenn ich näher darüber nachdenke, gelange ich dann doch in die Gefilde des Free Jazz, wo es solche Konstellationen bereits gab - ein Trio mit Derek Bailey, Evan Parker und Han Bennink zum Beispiel. Oder aber - und nun rieselt es - mit einem ganz anderen musikalischen Ausdruck: die ehemalige Formation von Bill Frisell, Joe Lovano und Paul Motian - nur, dass es dort recht ruhig und schwebend vor sich ging. Die hier zu besprechende Musik ist jedoch mit beiden Formationen nicht zu vergleichen, weil sie anders ist.
Unbequem, kantig, eckig, an den Nerven zerrend, frech, wild, ungezähmt, zart, romantisch, schön - das alles sind Attribute, die hier zutreffen. Die französische Band hatte bereits vorher zwei Platten veröffentlicht und wurde sogar bereits mit einem Preis bedacht, dem 'Rezzo Jazz a Vienne 2010'. In Fachkreisen sind sie insofern keine Unbekannten mehr, doch letztlich allgemein nicht in aller Munde, bietet diese avantgardistische Band erneut ein Wechselbad der Gefühle. Hier vereinen sich Jazz und Prog Rock, mal überwiegt das eine, mal das andere und immer werden auch andere Musikbereiche am Rande gestreift. Freie Improvisationen, frei fließende Passagen, mal meditativ, mal an den Nerven zerrend, so gibt es Einiges zu hören.
Der erste Song erinnert mich stark an die frühe Phase von Soft Machine zu Zeiten von "Third". Doch ist es hier nicht der Bass sondern die Gitarre, die die verzerrten Klänge bietet. Dazu ein wild agierender Drummer und ein Saxer, der die Freiheit ausnutzt. Nach kurzer Zeit wirkt der Auftakttitel dann sehr zerhackt. Das Schlagzeug ist eher im Rock denn im Jazz zuhause, so wie auch die fetzenden Gitarrentöne. Das Saxofon ist insofern eine Art Fremdkörper in diesem Geschehen und bietet einen Gegenpol. Doch sind alle drei Musiker um Integration bemüht, die nicht immer eindeutig funktioniert. Anders verhält es sich beim zweiten, etwas über zehn Minuten langen Titel. Durch die Gitarrenfigur wird ein repetitiver Charakter erzeugt, über dieser tranceartigen Atmosphäre improvisieren der Schlagzeuger, meist zart und tupfend, und der Saxofonist, mit lyrischem Ausdruck. Erst etwa bei Minute sechs brechen die beiden Solisten für kurze Zeit aus und werden ungestümer, und der Gitarrist legt weiter seine dahinfließende Unterlage vor. Zum Schluss wird die Gitarre dann doch noch aufgedreht - das Stück endet aber wieder ganz ruhig, ganz plötzlich, um in eine ähnlich ruhige Atmosphäre in das "Nocturnum" hinüber zu gleiten. Hier bleiben alle Akteure auch weitestgehend zart im Ton, obwohl sich ein leichter Anstieg der Stimmung ergibt, um dann wieder ganz entspannt auszufließen.
Dann wird es höchste Zeit, das wieder 'Stoff' gegeben wird: Der "Dark Wizard" lässt die Gitarre satt und breit hochfahren, verzerrt und zerfetzt agiert Manuel Adnot hier mit seiner Axt und bietet mit seinen Mitstreitern etwas, mit dem Zartbesaitete aller Couleur möglicherweise ihre Schwierigkeiten haben könnten. Selbst Prog Rocker könnten hier schnell verschreckt werden. Und so wirkt die Atmosphäre unter anderem bei diesem Titel sehr provokant, wird jedoch durch die immer wiederkehrende, leicht meditative und schwebende Stimmung ausgeglichen. Besonders schön und für Einige vielleicht versöhnend ist der Abschlusstitel, der sogar auf so mancher Veröffentlichung von ECM Records seinen Platz hätte finden können. Hier schwillt der Gitarrensound an, hier tupft die Perkussion und der Saxofonist fügt verträumte Anteile hinzu.
Es gibt übrigens noch eine Ausgabe inklusive einer DVD, darauf sei an dieser Stelle hingewiesen.
Line-up:
Manuel Adnot (guitare)
Elie Dalibert (saxophone)
Arthur Narcy (batterie)
Tracklist
01:Rules (4:26)
02:Girafe (10:11)
03:Nocturnum (7:42)
04:Dark Wizard (7:16)
05:Electric Love (4:20)
06:Salsa (7:04)
07:Gotham (10:10)
08:Block Party (3:06)
09:Ambre (7:47)
(all songs composed and played by Sidony Box)
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