RockTimes: Inwieweit bringst Du deine Persönlichkeit in dieses musikalische Projekt mit ein? Könntest Du dir auch vorstellen, Liedtexte zu verfassen, wie es Tamara Danz getan hat?
Anna: Meine Persönlichkeit bringe ich eigentlich zu einhundert Prozent ein, weil ich finde, wenn man diese Musik von Silly und Tamara interpretiert, sollte man sich damit auch beschäftigt bzw. mit den Songs auseinandergesetzt haben.
Leider habe ich Tamara nie kennen gelernt, sondern kannte sie nur als Fan aus meiner Kindheit, habe sie auf der Bühne bewundert und damals die Texte schon toll gefunden, obwohl ich diese noch nicht so verstehen konnte. Jetzt habe ich mich natürlich noch einmal damit auseinandergesetzt, in Vorbereitung auf die Zusammenarbeit mit Silly, und habe das Ganze diesmal für mich interpretiert. Erwin Strittmatters Frau schuf den Ausspruch »Wenn man etwas zu sagen hat, dann kann man singen, wenn man nichts zu sagen hat, sollte man auf gar keinen Fall singen«.
Ich selbst denke, Gesang ist eine Kunstform des Ausdrucks, die mir unglaublichen Spaß macht und die ich schon länger betreibe. Hatte aber meine Richtung nie so richtig gefunden. Das änderte sich letztendlich nach dem ersten Zusammentreffen mit den Jungs von Silly, wobei ich bemerkte, das ist es, es war sozusagen Liebe auf den ersten Blick. Sie waren mir auf Anhieb sympathisch und ich hatte das Gefühl, ich kenne die Jungs schon ewig. Und diese Musikrichtung, ich nenne es 'Intellektueller Deutschrock', hat mir schon immer ungeheuer imponiert, habe ich quasi wieder neu für mich entdeckt und Lust dafür entwickelt. Es macht auch keinen Sinn jemanden zu kopieren, es würde wenig Zugewinn und Spaß bereiten. Wir verdienen mit unserem Projekt auch nicht die Millionen, sondern es ist ein Projekt der Leidenschaft bzw. aus Liebe zur Sache, das gilt für jeden, der daran beteiligt ist.
Zum zweiten Teil deiner Frage will ich nur soviel sagen: Wir fangen jetzt gerade an, mit zarten Schritten neue Sachen zu machen. Es gestaltet sich aber natürlich für alle Beteiligten sehr schwierig, weil das, woran es anzuknüpfen gilt, ist so hoch, dass man es erst einmal bewältigen muss. Für mich ist es natürlich besonders schwer, weil ich so etwas in dieser Form nie zuvor gemacht habe. Ich schreibe sicherlich nicht jeden Text selbst und wehre mich auch nicht dagegen, Hilfe von kompetenten Textschreibern anzunehmen. Ich versuche es natürlich allein, weil ich ein Kämpfer bin, finde es aber nicht schändlich, sich dabei etwas unter die Arme greifen zu lassen, zumal wir nicht zu lange damit zubringen wollen.
RockTimes: Wie groß ist für dich heute der Schatten von Tamara, die ja immer als Geist von
Silly galt?
Anna: Ich habe Tamara immer sehr geschätzt, und sie hat mich als Künstlerin wahnsinnig fasziniert und es erfüllt mich mit Stolz, dass ich ihre Lieder singen darf. Ich empfinde es keinesfalls als Schatten oder Nachfolge, weil wir meiner Meinung nach etwas Neues machen, obwohl wir die alten Lieder präsentieren. Und ich glaube, genug Respekt und Liebe dafür zu besitzen.
Ich möchte sie auf gar keinen Fall kopieren, sondern das diese Musik bzw. ihre Lieder weiterleben. Ich finde, dass diese betagten und wunderschönen Lieder heute immer noch so aktuell sind, dass es eine Schande wäre, diese nicht zu würdigen.
Die Tamara ist für mich eher ein guter Geist, eine starke Persönlichkeit. Und jetzt, wo sie nicht mehr lebt und auch keine Kinder hinterlassen hat, sind diese Songs das einzigste, was Sie noch für die Nachwelt am Leben erhält.
Und ich glaube diese Tatsache würde Tamara mit Sicherheit erfreuen, es ist für mich ein Bedürfnis, dass man diesen Teil von Ihr nie vergisst.
Durch die vielen Gespräche mit den Jungs über das Leben von Tamara habe ich auch viele Gemeinsamkeiten entdeckt.
RockTimes: Wann hattest du zum ersten Mal Berührung mit der Musik von Silly?
Anna: Das war das Album "Bataillon D'Amour", was ich mir im einzigen Plattenladen in Brandenburg gekauft habe. Mich hat damals dieses Plattencover sehr beeindruckt, das verrückte Outfit von Tamara mit diesem roten Strich durch ihr Gesicht, und natürlich auch die Musik.
Ich habe damals meinen Papa so lange angebettelt, bis er mit mir ein Silly-Konzert besuchte, das mir bis heute unvergessen geblieben ist.
RockTimes: Mit der Zusammenarbeit mit Silly wird deine bisherige künstlerische Laufbahn auf den Kopf gestellt. Wie kannst Du das mit deinem Hauptberuf als Schauspielerin vereinbaren?
Anna: Eigentlich ganz gut, weil der Schauspielberuf den Vorteil besitzt, nicht 365 Tage
arbeiten zu müssen, sondern nur in begrenzten bzw. gebündelten Zeiträumen. Beim Drehen habe ich auch manchmal die Möglichkeit, den einen oder anderen Termin zu verschieben, was natürlich recht gut mit der Tätigkeit als Sängerin zusammenpasst.
Ich liebe Beides, es sind für mich unbedingt artverwandte Künste. Musikalität sollte einem Schauspieler gefühlsmäßig nicht sehr fern sein.
RockTimes: Betrachtest Du deine derzeitige Situation als Mission?
Anna: Nein, ich betrachte es als Erfüllung eines persönlichen Traumes. Viele denken sicherlich, solchen Leuten wie mir fällt das in den Schoß, in Wirklichkeit bedeutet es aber ein Stück harte Arbeit. Ich muss zum Beispiel an meiner Stimme noch arbeiten, ich mache
das aber gern und aus Passion.
RockTimes: Anna, ich danke dir für das Gespräch.
RockTimes: Welchen Ausschlag oder Gedankengang gab es für die Eingliederung von Anna in das Silly-Projekt, und wie beeinflusst sie die Live-Präsentation von Euch?
Jäcky: Wir absolvierten 2005 bekannterweise die Tour, bei der wir verschiedene Gäste auf der Bühne hatten und in diesem Pool verschiedener Sänger war auch Anna mit dabei.
Sie wurde uns damals von unseren Promoter Jörg Stempel empfohlen, wobei wir schon feststellten, dass sie ein Silly-Fan ist und dazu auch noch gut singen kann.
Ritchie: Also, konzeptionell mit Gästen gingen wir nach zehn Jahren Unterbrechung wieder
gemeinsam als Silly im Oktober 2005 auf eine kleine Konzerttournee.
Um nicht einen einzelnen Sänger mit der Last des Vergleiches mit Tamara zu belasten, fanden wir eben diese Bühnenpräsentation recht befriedigend.
Nach Beendigung der Tour im Dezember gleichen Jahres hat dann unserer Promoter noch einmal die Qualitäten von Anna an uns herangetragen, die für uns innerhalb der damals umfangreichen Sängerliste gar nicht mehr präsent war.
Anna absolvierte damals gerade die letzte Vorstellung des Musicals "Cabaret" in der 'Bar jeder Vernunft' in Berlin, wo sie die Sally Bowles mit Bravour verkörperte.
Ich glaube es war der 27. Dezember, an dem wir uns diese Vorstellung alle gemeinsam anschauten, aber damals noch nicht einhundertprozentig davon überzeugt waren, ob es stimmlich zu uns passen könnte.
Wir sind dann direkt nach der Aufführung zu ihr vorgedrungen, und haben sie zu einem intimen Vorsingen in unser Studio eingeladen. Diese kleine Studioprobe im Januar 2006 verlief dann auch recht entspannt und pur ab, mit Jäcki am Kontrabass, Uwe an der Akustik-Gitarre, ich am Flügel und eben Anna am Mikrofon. Mit ihrer Art, wie sie sich gefühlsmäßig bzw. emotional ohne größere Vorbereitung für uns präsentierte, hob sich deutlich von den anderen Sängern ab und wirkte wie eine Offenbarung.
Damals deutete es sich schon an, dass daraus eine sehr intensive Zusammenarbeit entstehen
könnte. Danach folgte die Sommertour bis zum September 2006, die konzeptionell an die vorangegangenen Konzerte anknüpfte, bei denen Anna auf eigenen Wunsch sozusagen zum Aufwärmen, mit von der Partie war.
Während dieser Zeit erwuchs für uns immer mehr die Idee von einem Unplugged-Konzert, wobei wir die elektrische Gitarre nicht gänzlich verbannen wollten, deshalb
benannten wir das ganze Unterfangen als Elektroakustik-Tour. Geplant war das Unterfangen eigentlich mit zwei Sängern, aber sukzessive entwickelte es sich tendenziell zu Anna.
RockTimes: Wie betrachtet Ihr den Verbund innerhalb der Band?
Jäcky: Wir kennen uns nun quasi schon dreißig Jahre und machen seit zwanzig Jahren zusammen Musik. Mittlerweile sind unsere Söhne schon mit involviert, Uwe Hassbeckers Sohn Daniel, mein Sohn Sebastian und als Gast Reinhard Petereit, die zwar noch recht jung sind, aber eine gewisse Frische mit einbringen und zu unserer Art zu musizieren wie die Faust aufs Auge passen.
Unsere Kinder sind sozusagen mit der Silly-Musik herangewachsen, kamen schon in ihrer frühesten Kindheit mit dem Proberaum und dem Instrumentarium in Berührung.
Es stimmt einfach sprichwörtlich die Chemie zwischen uns, wobei mit Anna nun noch
das I-Tüpfelchen obendrauf gesetzt wird.
Und das, glaube ich, bemerkt auch unser Publikum, was sich bei den laufenden Konzerten durchweg an den begeisternden Reaktionen ablesen lässt. Selbst in Theatern, in denen wir jetzt aufgetreten sind, verflüchtigte sich die anfangs etwas steife Atmosphäre zu extrem euphorischen Publikumsgebaren.
RockTimes: Peter Kahane erzählt mit seinem Dokumentarfilm "Tamara" (hatte bei der diesjährigen Berlinale Premiere) nicht nur ein wesentliches Stück DDR-Rockgeschichte, sondern zelebriert damit eine Liebeserklärung an Tamara. Ritchie, was bewegt Dich an und bei diesem Film?
Ritchie: Dieser Film ist extrem persönlich, und wir haben es uns mit der der Entscheidung
nicht einfach gemacht, grünes Licht für dieses Unterfangen zu geben.
Anderthalb Jahre vor dem Drehbeginn hat man dieses filmische Projekt schon an uns herangetragen bzw. mit uns geredet, bis wir von einem seriösen Ergebnis überzeugt waren.
Es wurde in diesem Film sehr behutsam privates Material verarbeitet, das beim Betrachten, ob nun beim Rohschnitt im Studio oder auf der großen Leinwand während der Berlinale, einen Kloß im Hals hinterlässt.
Es ist also immer noch unmittelbar sehr bewegend, obwohl wir die Geschichte selbst erzählt haben. Dieser Film trägt auf jeden Fall auch dazu bei, da kann ich auch für Uwe sprechen, wenn es um die Geschichte des Partnerwechsels innerhalb der Band geht, dass wir beide diese Vergangenheit dadurch besser verarbeiten können. Wir hatten bis dato mindestens zwanzig Jahre dieses bestimmte Faktum bisher nicht verarbeitet bzw. miteinander besprochen.
Das passierte jetzt quasi mit Hilfe dieses Films, was wir Beide unbedingt als etwas Reinigendes betrachten.
RockTimes: Amiga, das wohl damals wichtigste DDR-Plattenlabel für Rock-und Popmusik, feiert dieses Jahr den 60. Geburtstag.Was fällt Euch spezifisch und spontan dazu ein?
Ritchie: Unser Pressesprecher und Promoter Jörg Stempel, der auch der Chef von Amiga ist und natürlich momentan dadurch auch voll im Stress steckt, ist dabei, dieses Jubiläum mit dem nötigen Know-how für die BMG aufzubereiten.
Jäcky: Leider hat sich Amiga nicht immer mit Ruhm bekleckert, aber es haben da
hervorragende Leute gearbeitet, die einen guten Job verrichteten, und Gott sei Dank hatten wir mit denen zu tun. Es war für uns quasi eine Gnade, mit Helmar Federowski, einem wirklichen Starproduzenten der ehemaligen DDR, zusammenarbeiten zu dürfen.
Mein persönlicher Dank für den freundlichen Support gebührt:
Reiner Kalisch (HsD Erfurt), Anna Loos und Silly, dem Silly-Management und Felicitas Köhler.
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