'Neue Deutsche Härte' donnert aus den Boxen und sofort ist man "Mittendrin", im ersten Sino-Album... und wie!! Die Mucke, garniert mit sehr persönlichen Texten, packt dich sofort an den Eiern. Besser hätte man den Titel für dieses Debütalbum nicht wählen können. Man nimmt den vier Jungs aus dem südpfälzischen Wörth sofort ab, dass sie ihre Songs mit Leib und Seele eingespielt haben.
Vor sieben Jahren - also 2005 - hatte man sich unter dem damaligen Bandnamen Tinitus® zusammengeschlossen. Nach »fünf Jahren mit viel Licht aber auch einer Menge Schatten« schlossen sie dieses Kapitel und nahmen vor zwei Jahren - nun als Sino - mit "Freigeist" eine erste Single auf. Das Album "Mit Leib und Seele" erschien bereits vor einem Jahr, wurde aber nun bei 7music neu aufgelegt - unverändert, aber mit zwei nagelneuen Bonustracks, die (leider) lediglich der Download-Version beigefügt wurden. Allerdings hat das Indie-Label das Werk mit einem Digipak samt Booklet hochwertig aufgebrezelt.
'Sino' ist dem Spanischen entliehen und bedeutet 'Schicksal' bzw. 'anders (sein)'. Welche schicksalshaften Wendungen zur Namensänderung führten, darüber kann man an dieser Stelle nur spekulieren. 'Anders' war die Band allerdings schon immer, weil man sich von Anfang an gegen den Mainstream und englische Texte gesträubt hatte.
Musikalisch geht es zumeist knallhart, mit deutlichen Bezügen zum sogenannten Alternative Rock, zur Sache - es dürfen auch ruhig mal etwas Metal und sogar Punk einfließen. Ganz bärenstark sind die Halbballaden "Für immer" und Nichts auf dieser Welt", weil sie neben den balladesken Momenten auch die nötige Härte und Schärfe einbringen. Auch das akustische "Vergiss mich nicht" drückt gewaltig... wenn auch auf die Tränendrüse. Warum muss ich nur immer wieder an Nirvana denken??
Dieser Gedankengang wird durch die packenden Texte noch bestärkt. Diese bestechen durch ihre klare, direkte Sprache. Von Gesellschaftskritik bis Beziehungskiste wird alles abgedeckt, was persönlich ist - eben Horrorgeschichten, die das Leben schreibt. Man hat den Eindruck, dass es Sänger Chris Pfirrmann richtig schlecht gehen muss, um gute Gedichte zu schreiben. Sehr schön wird das bei "Letzte Worte", das in zwei Teile aufgesplittet ist, deutlich. Es geht um Verlassenwerden, um Abschied: "pt. 1" ist textlich und musikalisch voller Zorn und Aggression - "pt. 2" muss mit deutlichem Zeitabstand entstanden sein. Selbe Frau - selbes Thema, aber völlig andere Betrachtungsweise und nun rein akustisch ausgestaltet. Das ist großes Deutschrock-Kino! Aber auch der Spaß kommt keinesfalls zu kurz, wenn man mit Sino eine wissenschaftlich-musikalische Konferenz besucht: "Symposium" lässt zu knüppelndem Punk den Alkohol gleich literweise strömen...
Nun gleicht es ja oft einem Eiertanz, wenn man sich im Rock der deutschen Sprache bedient. Wenn man auf Englisch rumkitscht, versteht das kaum einer - auf Deutsch wird's sehr schnell peinlich. Sino kriegen hier ganz exzellent die - zugebenermaßen schwierige - Kurve. Warum? Ich glaube, weil ihre Themen allesamt völlig authentisch rüberkommen, ehrliche und echte Gefühle transportieren.
Châpeau, mes jeunes messieurs! Die vier an der französischen Grenze lebenden Sinos werden es verstehen. Ein ganz tolles Debüt habt Ihr da vorgelegt. Man spürt vom ersten bis zum letzten Ton, dass Ihr "Mit Leib und Seele" bei der Sache ward. RockTimes wartet auf weitere Großtaten, zumal wir ein Herz für die Südpfalz haben ;-)
Line-up:
Chris Pfirrmann (Gesang, Akustikgitarre, Rhythmusgitarre)
Tim Stephan (Bass, Background-Gesang)
Jeffrey Deubler (Lead-Gitarre, Background-Gesang)
Dirk Andre (Schlagzeug)
Tracklist |
01:Mittendrin (3:52)
02:Spiegel (4:33)
03:Geh (4:13)
04:Vergiss mich nicht (4:15)
05:Geier (4:26)
06:Letzte Worte pt. 1 (3:46)
07:Du fehlst hier (4:51)
08:Letzte Worte pt. 2 (3:59)
09:Nr. 9 (4:42)
10:Vergessen [Rockversion] (3:24)
11:Für immer (6:08)
12:Symposium (3:53)
13:Nichts auf dieser Welt (5:54)
14:Das A und O (3:22)
15:Gute Reise (3:59)
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Externe Links:
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