Six Elements / Primary Elements
Primary Elements Spielzeit: 39:26
Medium: CD
Label: Eigenproduktion, 2012
Stil: Retro Prog

Review vom 14.07.2012


Michael Knoppik
Wir sind Six Elements aus den USA. Und wir lieben Genesis. Damit wir uns nicht falsch verstehen: Wir meinen natürlich nicht die Pop-Genesis, die langweiliges Gedudel à la "Invisible Touch" oder "In To Deep" gespielt haben. Nein, wir meinen die spannenden, die kreativen Genesis. Zu Zeiten von
Peter Gabriel. Oh, und wir haben übrigens einen tollen Sänger, der eigentlich von der Band Happy The Man kommt. Ach ja - übrigens: "Happy The Man" ist auch ein Song von Genesis. Aber das ist natürlich nur reiner Zufall.
Wir imitieren einfach Gabriels Gesang und nehmen viel Flöte dazu. Damit klingen wir auch etwas nach den deutschen Neuschwanstein. Und die klingen ja zum Glück gar nicht wie Genesis. Hinzu kommen dann noch Klischee-Prog-Keyboards. Und dann ist alles perfekt. Ne, wartet. Damit wir nicht nur nach Genesis und Neuschwanstein klingen, spielen wir im ersten Track noch eine
David Gilmour-Gitarre ein. Und damit klingen wir dann auch nach Pink Floyd. Uns macht dann keiner mehr Plagiats-Vorwürfe und alles ist super. Der Proggy wird einfach unsere Musik hören. Und damit verkaufen wir gaaanz gaaanz viele Alben. So etwa 25. Naja, aber wären wir in den Siebzigern, dann würden wir mit weitaus mehr Verkäufen sogar in den Album-Charts landen. So wie damals Yes und Genesis. WIR sind aber wirklich DIE Retro Prog-Band. Da kannste die Spock's Beard und die Flower Kings in die Tonne kloppen. Prog rules!
Soweit die Parodie-Darstellung der Platte. Nehmt man den Inhalt auseinander, kommt man aber wirklich auf Folgendes:
Orgel und Flöte können in der "Overture" bereits an Genesis erinnern. Danach setzt das Klavier ein, sowie eine darüber solierende E-Gitarre. Nach dem Start des Schlagzeugs kommen die typischen, zerhackten Orgelläufe, Bass und weitere Stimmen dazu. Gefolgt von etwas Riffing auf der Klampfe, welche "Welcome" einläutet. Spätestens an dem Punkt, wo Gesang einsetzt, ist man hundertprozentig bei Genesis angelangt. Es wird irgendeine komische Story erzählt, die halb nach Fantasy und halb nach dem echten Leben klingt. Wo wurde da wohl wieder abgeschaut? Ganz frech ist am Anfang von Track Numero drei der Einsatz von Peter Gabriel - Korrektur: von Stanley Whitaker - der wieder perfekt abgekupfert ist. Ist die Stimme wohl trainiert, wie Peter zu klingen? Oder ist das einfach ein genetischer Zufall? Man könnte von Glück reden, mit so einer Stimme geboren zu werden - wenn - ja wenn klassischer Progressive Rock noch heute ein großes Thema wäre. Geplänkel auf der Akustikgitarre, plus Orgel, plus Flöten und Oboen klingen wieder nach den großen Vorbildern. Auch hier ist wieder nichts Innovatives zu holen.
"Nightmare" beginnt mit einer Bassfigur und klingt erstmal gar nicht nach Genesis. Aber natürlich darf wieder Mister Whitaker ans Mikro. Und der klingt einfach nach dem alten Gabriel. Es würde gar nicht mal auffallen, wenn man ihn den Gesang auf "Trespass" bis "The Lamb Lies Down On Broadway" neu einspielen lassen würde. Außer dass vielleicht weniger Variation in seiner Stimme steckt als beim Meister.
"Invictus" könnte dann tatsächlich einem Album entstammen, welches aus einer Fusion aus "The Lamb Lies Down On Broadway" und "Nursery Crime" hervorgeht. Eine Sache haben sie allerdings noch vergessen, nämlich die Gitarrenspuren weiter nach hinten zu mischen. Vielleicht wollte man ja wieder eigenständig klingen. Der Song ist spätestens nach der Hälfte seiner Spielzeit so vorhersehbar, dass man fast gezwungen wird, einen Track weiter zu schalten. "Words Of Love" ist eine Klavierballade, die von den originalen Genesis im Jahr 1974 vielleicht spannend klänge. Passen würde sie auch auf "From Genesis To Revelation". Auf einem im Jahr 2012 erschienenen Album nervt sie allerdings nur. Ähnliches gilt für "Summer". Da rettet auch Gastsängerin Betty Seni nichts an dieser Tatsache. Bei "If" (eine Vertonung des Gedichts von Rudyard Kipling) versucht man wieder eine unheimliche Dichte herzustellen, indem man Rollen der Instrumente gleichmäßig verteilt, und nur die Flöte etwas hervorstechen lässt. Der Gesang soll vermutlich für Spannung sorgen. Nein, auch hier will man nach zwei Minuten nicht mehr.
"Winter" - das Gegenstück zu "Summer" oder was? Zu etwas Keyboardgeigen wird irgendeine sinnlose Geschichte erzählt. Soll das irgendwie episch sein? Soll das eine tolle Akkordfolge auf der Gitarre sein? Sollen das Schlagzeug und der Bass kreativ gespielt sein? Bildet das auf dem Klavier Gespielte einen schönen Ausklang? Man weiß es nicht... Ach so, und im Anschluss gibt es noch den lebenswichtigen Radio-Mix von "If". Denn damit werden Six Element total berühmt.
Okay, auch wenn man sich bemüht, kann man dieses Album einfach nicht ernst nehmen. Egal wie oft man es versucht, egal wie oft man es sich anhört.
Man hat Anfangs z. B. auch Spock's Beard mit Genesis verglichen. Verglichen mit Six Elements sind Spock's Beard aber meilenweit von Genesis entfernt. Wer jetzt noch nicht weiß, was einen hier erwartet, der kann klassischen Prog nicht kennen. Im Prinzip ist das Album die reinste Lachnummer und bestimmt auch unter vielen Progressive Rockfans unbeliebt. Wenn man Genesis aus der Geschichte streichen würde, hätte hier sehr ordentlich gemachte Musik vorgelegen.
Line-up:
Stanley Whitaker (vocals)
Michael 'Misha' Shengaout (keyboards, samples)
Jeff McGahren (guitars, organ solo - #3, 7)

Gastmusiker:
Dave De Marco (bass, percussion - #10)
Marc Norgaard (drums, playing Evans Drum Heads)
Betty Seni (vocals - #7)
Inna Satunovsky (piano - #8,10)
The Fauxharmonic Orchestra (brass - #9, string quartets - #6, 9)
Tracklist
01:Overture (2:56)
02:Welcome (2:49)
03:Childhood Books (7:29)
04:Nightmare (4:01)
05:Invictus (4:34)
06:Words of Love (2:30)
07:Summer (2:35)
08:If (4:41)
09:Winter (2:54)
10:If [Radio Mix] (4:45)
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