Wenn es nicht gelegentlich solche Platten wie die vorliegende zu besprechen gäbe, man müsste sich begründete Sorgen um den Progressive Rock machen. Fünf Niederländer aus Rotterdam sprengen hier mit ihrem dritten Album nun wirklich alle Grenzen von Raum und Zeit. Und was liegt in diesem Fall näher, als sich mit einem Konzeptalbum auf eine Reise durch unsere Galaxie zu begeben, zu Schwarzen Löchern und Supernovae... 'eine Millarde Jahre der Einsamkeit' lang...
"A Billion Years Of Solitude" hat Sky Architect ihre neueste Veröffentlichung betitelt. Langweilig wird dem Hörer in dieser Einsamkeit [engl. solitude] bei einer guten Stunde voller Progressive Rock keineswegs, denn es ist atemberaubend, wie geschickt diese jungen Burschen dem Fossil 'Prog Rock' neues Leben einhauchen - mit für das Genre nicht alltäglichen Zutaten wie Space- und Alternative Rock, Jazz Rock/Fusion, Metal sowie mt poppigen Elementen und eindeutigen Zitaten aus der Klassischen Musik.
Sky Architect entwickelte sich aus dem 2008 gegründeten Trio Seraphine, bestehend aus Rik Van Honk, Wabe Wieringa und Christiaan Bruin. Ein Jahr später stießen noch Tom Luchies und Guus Van Mierlo hinzu - der Rest ist, wie sie es nennen, Geschichte.
Nach zwei von der Kritik durchweg positiv aufgenommenen, doch leider an mir persönlich 'vorbeigerauschten' Alben ("Excavations Of The Mind" von 2010 und "A Dying Man's Hymn" ein Jahr später) liegt nun mit "A Billion Years Of Solitude" das - wenn Adam Rieses Kenntnisse hier herangezogen werden dürfen - dritte Album der Rotterdamer vor.
Um den Stil von Sky Architect zu charakterisieren, könnte man jetzt hier die ganze Armada von aktuellen Retro- und Neoproggern heranziehen und trotzdem käme nur Stückwerk dabei heraus. Zu eigenwillig und -ständig ist die bemerkenswerte Musikgalaxie dieser 'Himmelsarchitekten'. Lassen wir es also lieber bleiben! Unverkennbar sind allerdings die Einflüsse, die von Urgesteinen wie Gentle Giant und Todd Rundgren's Utopia hinterlassen wurden. Interessant sind auch die progressiv-metallischen Spurenelemente, die von Bands wie Pain Of Salvation oder Opeth hinterlegt worden sind. Jetzt aber wirklich Schluss mit dem Name-Dropping!!
Der wahrhaft 'seltsame' Eröffnungstitel "The Curious One" wird sehr flippig-spacig eröffnet und geht dann in ein neoproggiges, überaus harmonisches Kunstwerk über. Sehr schön kommt hier das Wechselspiel zwischen stillen und fordernden Passagen zur Geltung, das Sky Architect auch im Folgenden nahezu perfekt beherrschen. Denn "Wormholes" zieht gerade hieraus, in Verbindung mit hochinteressanten Rhythmiken, seine spannungsgeladene Atmosphäre. Hier vermag Tom Lachies - wie auch in "Tides" - mit hervorragenden Vocals zusätzliche Glanzpunkte zu setzen.
"Elegy Of A Solitary Giant" nennt sich das nächste vielschichtige Epos. Rik Van Honk entlockt hier seinem Yamaha Grand Piano bezaubernde, klassische Figuren, während sich die Themen irgendwo zwischen prog-metallischen und art-rockigen Klanggewittern austoben. In den Gesangspassagen glaubt man phasenweise sogar, einem Spätwerk der Beatles zu lauschen. Das auf Heavy-Riffs der Gitarrenfraktion basierende "Revolutions" lebt von Rik Van Honk Texturen - mal via Hammondorgel, mal mit diversen Synthesizern vorgetragen.
Das Highlight (MEIN Highlight) schlechthin ist das abschließende "Traveller's Last Candle". Hier glaubt man, sich mit Dr. Bowman auf "Odyssee im Weltraum" zu begeben (wer kennt nicht den Kubrik'schen Kultfilm). Allerdings endet der Trip statt in Strauss' "Also sprach Zarathustra" im magischen Sog einer Gravitation, die den Song in dem Chaos eines Schwarzen Lochs verschwinden lässt.
Das gesamte Werk ist in sich stimmig, wirkt gar wie aus einem Guss. Nicht effektheischend aufgeplustert, sondern mit musikalischer und kompositorischer Substanz gleichermaßen ausgestattet.
"A Billion Years Of Solitude" stellt für mich ein weiteres Leuchtturmprojekt in einem Progressive-Jahr mit erschreckend hoher Amplitude dar. Angesichts der vielen negativen Ausschläge gibt's für diesen überaus erfreulichen auch folgerichtig die allseits begehrte Tippgrafik.
Line-up:
Tom Luchies (vocals [human, robotic, alien], electric and acoustic guitars)
Rik Van Honk (keyboards, backing vocals)
Wabe Wieringa (guitars)
Guus Van Mierlo (bass)
Christiaan Bruin (drums, backing vocals)
Tracklist |
01:The Curious One (18:06)
02:Wormholes [The Inevitable Collapse Of The Large Hadron Collider] (5:52)
03:Tides (3:24)
04:Elegy Of A Solitary Giant (10:43)
05:Jim's Ride To Hell (2:27)
06:Revolutions (8:00)
07:Traveller's Last Candle (12:43)
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