Slime / 11.10.2012, Zoom Club, Frankfurt
Zoom Club
Slime
Support: Scheisse Minelli
Zoom Club, Frankfurt
11.10.2012
Konzertbericht
Stil: Punk


Artikel vom 27.10.2012


Marius Gindra
Mensch, was hätte ich als 14- bzw. 15-jähriger Teenie-Punk dafür gegeben, die politisch wohl linksradikalste und beste Deutschpunk-Band der frühen Achtziger einmal live zu sehen. Nun, seit dieser Rebellenphase sind inzwischen ein paar Jährchen ins Land gezogen, der damalige Chaot hat sich mittlerweile dem spießbürgerlichen Leben ein kleines bisschen angenähert und die musikalischen Prioritäten haben sich vorwiegend in andere Genres verschoben. Doch als ich las, dass Slime, zu 3/5 in Originalbesetzung, im Oktober nach Frankfurt kommen, gab es für mich kein Halten mehr: Dieser Jugendtraum musste einfach in Erfüllung gehen!
Scheisse MinnelliNach zwei Aufwärmbierchen ging es um ziemlich genau 21 Uhr mit dem Support-Act Scheisse Minnelli los. Nachdem ich den seltsamen Namen in der Ankündigung gelesen hatte, dachte ich zuerst an viertklassigen, gesichtslosen Neo-Deutschpunk, der nicht einmal genug Punch hat, um auf einem der zahllosen "Schlachtrufe BRD"-Sampler zu landen. Um so erstaunter war ich dann, als mir das deutsch-amerikanische Quartett allerfeinsten, schnörkellosen Hardcore-Punk der alten Schule mit einem kleinen Schuss Thrash um die Ohren prügelte. Irgendwo zwischen uralten D.R.I., Suicidal Tendencies und den Cro-Mags gab es eine knappe Dreiviertelstunde gehörig aufs Fressbrett. Ihr Frontmann sprang wie ein Hyperaktiver auf Speed über die Bretter, Bonuspunkte gab's für das stilvolle Toxic Holocaust-Shirt des Bassisten. Ein Auftritt, der meine eigentlichen Erwartungen um ein Vielfaches übertraf!
Nach einer Zigarettenpause auf dem völlig überfüllten Balkon des Clubs und Fachgesprächen über eine Band, die Metalheads und Punks wohl immer vereinen wird (D.R.I.), ging es wieder hinein ins Warme. Die Helden des Abends sollten nämlich nicht lange auf sich warten!
Als Intro wurde die vorgelesene Begründung über das letztjährige Verbot der Songs "Bullenschweine" und "Polizei SA/SS" ausgewählt, danach stiegen die Hamburger mit "Wir geben nicht nach" vom neuen Album "Sich fügen heißt lügen" ein. Umgehend verwandelte sich die gut gefüllte Fläche vor der Bühne, auf die ich mich voller Elan pflanzte, in ein einziges Pogogewühl. Im Sekundentakt knallten mir von hinten die völlig ausrastenden Fans in den Rücken. Doch was wäre ein Punkkonzert ohne ordentliches Gedränge und Geschubse? Der Sound war an diesem Abend sehr laut, aber keinesfalls breiig oder völliger Matsch. Das Publikum war bunt durchmischt: von typischen Punks über Skins (einer sogar in Ratt-Shirt, hehe) und völlig 'normal' aussehenden Besuchern bis hin zu Metalheads war alles vertreten, was das Herz musikalisch am richtigen Fleck hat.
SlimeIn der üppigen Setlist wurden alle Alben berücksichtigt: Natürlich gingen die meisten Fäuste bei alten Songs wie "A.C.A.B.", "Alle gegen alle", "Störtebeker", "Linke Spießer" und "Religion" in die Luft, doch auch die neuen Songs und das Material ihrer 93er "Schweineherbst"-Platte riefen amtliche Pits hervor. Nebenbei sollte noch eine sehr gute Ansage von Sänger Dirk 'Dicken' Jora erwähnt werden: Bei einem Konzert durften Slime einen Song nicht spielen, weil er laut Veranstalter angeblich Rechtsradikale provozieren könnte; einfach unfassbar! Als kleinen Konter für das Verbot der beiden oben genannten Songs bauten sie das Buttocks-Cover "BGS" mit ein. Doch all das war nur ein laues Lüftchen gegen die Gassenhauer, die noch in der Zugabe folgen sollten: Mit Songs wie "Gewinnen werden immer wir", "Legal, illegal, scheißegal" und natürlich "Deutschland muss sterben" mobilisierten die Nordmänner (nicht nur) bei mir noch einmal die allerletzten Kraftreserven.
Zum etwas gediegeneren Ausklang gab es dann am Schluss noch den "1,7 Promille Blues" vom Debütalbum, bis die Band nach rund 90 schweißtreibenden Minuten um zehn vor zwölf endgültig Feierabend machen konnte! Ich glaube, wenn Slime noch 'ne Viertelstunde länger gezockt hätten, war ich wahrscheinlich wegen Wassermangels umgeklappt, hahaha!
Summa Summarum: Ein höllisch intensives, großartiges Konzert (selten war ich nach einem Gig so durchgeschwitzt wie an diesem Abend), bei dem ich mich mal locker fünf Jahre jünger fühlte und das eindrucksvoll untermalte, dass mit dieser Legende des deutschen Punkrocks nach wie vor zu rechnen ist! Ob ein Eintrittspreis von knapp 20 € im VVK für eine Band dieser Größe gerechtfertigt ist, muss jeder Einzelne für sich selbst entscheiden. Der Club war jedenfalls mit schätzungsweise 400-450 Leuten gut gefüllt. Vielen Dank an Dennis Saia von Starkult Promotion für die freundliche Akkreditierung!
Setlist Slime:
01:Intro
02:Wir geben nicht nach
03:Schweineherbst
04:Sich fügen heißt lügen
05:Alle gegen alle
06:Alptraum
07:Zum Kampf
08:Störtebeker
09:Bett aus Lehm and Jauche
10:Revoluzzer
11:Gewalt
12:A.C.A.B.
13:BGS
14:Zu kalt
15:Freiheit in Ketten
16:Untergang
17:Etikette tötet
18:Rebellen
19:Brüllen, zertrümmern und weg
20:Seenot
21:Der Tod ist ein Meister aus Deutschland
22:Linke Spießer
23:Religion

Zugaben:
24:Gewinnen werden immer wir
25:Gerechtigkeit
26:Legal, illegal, scheissegal
27:Deutschland muss sterben
28:1,7-Promille-Blues
Externe Links: