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Sly & The Family Stone / Higher
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Vor etwa zwei Jahren schockierten Medienberichte über die Obdachlosigkeit eines gewissen Sylvester Stewart aka Sly Stone die Musikwelt. Der damals 68-Jährige lebte weitgehend mittellos in einem Wohnmobil in einem der verrufendsten Viertel von Los Angeles. Angeblich kümmerte sich lediglich ein befreundetes Rentnerehepaar um eine warme Mahlzeit und eine Dusche täglich. Obwohl diese Lebensumstände durch Sly Stones Berater stets bestritten wurden, handelte es sich um eine seriöse Quelle, eine der angesehendsten Tageszeitungen des Landes, die hier recherchiert hatte. Erst kurz zuvor hatte er mit "I'm Back! Family & Friends" ein Comeback versucht, das allerdings ziemlich in die Hose ging.
Es war wohl ein Tiefpunkt der unglaublichen Karriere des Sly Stone, eines der erfolgreichsten Songschreibers und Produzenten der US überhaupt, die alles bot, was man 'mitnehmen' kann:
größte Erfolge, kaum übersehbarer Reichtum, immenser (musikalischer) Einfluss, Drogenexzesse, schwerste Abhängigkeit, Millionenprozesse um Rechte und schließlich der Absturz - musikalisch, finanziell, persönlich. Stone hat wirklich alle Höhen und Tiefen des Business, des 'amerikanischen Traumes' ausgekostet... Sly & The Family Stone waren eine der ganz großen Erfolgsgeschichten der sechziger und siebziger Jahre. Eine der maßgeblichsten Bands, die den Soul und R&B - mit reichlichen Einflüssen aus Gospel und Psychedelic versetzt - zum Funk weiterentwickelten. Letztlich waren sie somit auch einer der wichtigsten Wegbereiter der Discoszene.
Genauso wichtig war das gesellschaftspolitische Engagement der Band. Offen bekannte sich Sly Stone zur Black Panther Party, kämpfte gegen Rassendiskriminierung und für die absolute Gleichstellung insbesondere der Afroamerikaner. Die Singles "Stand!" und "Don't Call Me Nigger, Whitey" trafen den Zeitgeist, der vornehmlich durch den Vietnamkrieg geprägt war, und ermutigten die liberalen Kräfte in den Vereinigten Staaten, tiefgreifende Reformen durchzusetzen. Der Einfluss von Sly & The Family Stone war immens und nachhaltig. Man kann bedenkenlos die These aufstellen: Ohne Sly, Freddie, Vet und Rose Stone kein Prince, kein Michael Jackson und Lenny Kravitz! Die Liste von Musikern, die diese Band zu ihren Haupteinflüssen zählen, könnte schier endlos fortgesetzt werden...
Das nun zur Besprechung vorliegende vierteilige Boxset "Higher" umspannt leider nicht die gesamte Karriere der Band, von "A Hole New Thing" (1967) bis "Ain't But The One Way" (1982). Die letzten Takes stammen aus dem Jahr 1977 ("Hoboken").
Natürlich sind dort alle Hits wie "Dance To The Music", "Stand!", "I Want To Take You Higher", "Hot Fun In The Summertime", "Thank You" oder "Everybody Is A Star" zu finden, allesamt bärenstark! Selbstredend auch alle stilprägenden Kompositionen wie die tief berührende Ballade "We Love All" oder das stimmungsvolle, sehr experimentelle "Sex Machine" (nicht zu verwechseln mit dem James Brown-Superhit) - das sind Nummern, die die Musikwelt wirklich nach vorne gebracht haben! Allerdings geht "Higher" weit über eine klassische Best-of-Zusammenstellung hinaus. Sage und schreibe 17 unveröffentlichte Aufnahmen, darunter Live- und Outtakes sowie Instrumentalversionen, sind unter den 77 Titeln zu finden. Ganz stark hierunter die Takes vom Isle of Wight Festival, am 30. August 1970 aufgezeichnet: "You Can Make It If You Try", "Dance To The Music" und das Medley aus "Music Lover" und "I Want To Take You Higher". Warum es Balladen wie das gospelorientierte "Silenct Communication" oder das bluesige "I Remember" - beide aus den 1967er "A Whole New Thing"-Sessions - auf kein reguläres Album geschafft haben, ist schwerlich nachvollziehbar. Die drei Instrumentalversionen sind von zupackenden Bläsern dominiert, absolut vollwertig und somit garantiert kein Füllstoff für dieses Boxset.
Ein besonderes Schmankerl sind ultra-rare, frühe Singles aus der Prä-Family-Phase - vier unter dem Branding Sly Stone, eine unter Sly And Freddie veröffentlicht. Hier kann man auch deutliche Spuren des Doo-wop wahrnehmen. Außerdem finden sich zwei Takes mit den French Fries aus den Jahren 1967/68.
Die vierte CD widmet sich überwiegend eher weniger bekannten B-Seiten von Singles, darunter ein ziemlich ausgeflippter Jodelspaß, "Spaced Cowboy". Nicht ganz so prickelnd im Sound (mono!), aber als historisches Dokument unverzichtbar: Der Auftritt in der TV-Sendung Don Kirshner's Rock Concert mit "You're The One". So überzeugend die musikalische Zusammenstellung auch ist, so überwältigend ist das sagenhafte, 104-seitige Booklet. Hier verschlägt es einem wirklich die Sprache!! Neben unzähligen Bildern aus allen Abschnitten der Karriere von Sly & The Family Stone und Liner Notes von Jeff Kaliss sind ALLE Songs, Track-by-Track, aufgelistet sowie mit Kommentaren von Sly und seinen Wegbegleitern versehen - ein ganz fettes Pfund Mehrwert! Selbst an eine Time Line von Slys Geburt bis in heutige Tage hat man gedacht.
Die vier CDs samt Booklet werden in einem mit schrill-flippigen Artwork versehenen Digipak im Buchformat (25 x 25 cm) angeboten, das wirklich etwas hermacht.
Das gesamte Paket ist derart überzeugend, dass man hier unbedingt einen dicken Kauftipp aussprechen muss. Tolles Teil!!
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