Die Geburtsstätte des Bergischen Blues von Herrn Smokin' Joe Kowalski ähnelt sehr der großen amerikanischen Bluesmusiker - kleine, feine Unterschiede gibt es jedoch. Die Musik ist am Wupperdelta und nicht am Mississippi entstanden. Wuppertal war zwar berühmt für seine Textilindustrie in den vergangen Jahrhunderten, aber Baumwollfelder sucht man hier vergebens. Dafür gibt es in der Stadt die bekannten Bayerwerke. Auch fahren hier keine Züge, die man mit der Harp nachahmen könnte - hier schweben die Züge durchs Tal. Trotzdem oder gerade deshalb gibt es den Blues… den Bergischen Blues. Oder wie es in 'Landessprache' heißt: "Blues auf Bergisch".
"Blues auf Bergisch" ist natürlich und selbstverständlich etwas, woran man sich erst gewöhnen muss. Es ist tiefdeutscher Blues - entstanden im Bergischen Land. Nichts desto trotz, der Blues ist echt. Er beschreibt den grauen Alltag. Aber unterhaltsam und witzig, mal mysteriös oder schaurig traurig. In der bergischen Variante halt noch mit etwas Shuffle, Jazz und Rock gemischt.
Die Texte von Smokin' Joe Kowalski sind genial wie banal, bringen aber die Sache auf den Punkt und spiegeln das Wesentliche im Leben wieder. Mir ist klar, dass deutschsprachiger Blues mit Vorurteilen behaftet ist. Wer aber jetzt glaubt, dass hier nur unverständliches Kauderwelsch gesungen wird, der irrt. Und wer denkt die Texte sind sinnfrei, täuscht sich auch. Zugegeben, es ist etwas bergischer Humor dabei, aber auch sozialkritisch wird über die Gesellschaft und vor allem über die Alltagsprobleme gesungen und gespielt. Dies lässt sich in den meisten Fällen auch auf das eigene Leben außerhalb vom bergischen Städtedreieck, Wuppertal/Solingen/Remscheid, übertragen. Beispiele dazu später.
Obwohl der "Blues auf Bergisch" das Debüt-Album von Smokin' Joe Kowalski & Freunde ist, haben die Musiker schon einige Jahren an Musik- und Bühnenerfahrung auf dem Buckel. Resultierend daraus liegt hier ein abgerundetes und musikalisch sehr gutes Album vor mir. Die Besetzung hat sich gesucht und gefunden. Sie unterstützen und ergänzen sich menschlich wie musikalisch und haben hörbar Spaß am Bergischen Blues.
Susanne Heinemann am Cajon und Perkussion treibt mit ihrem akustischen Beat die Band in den schnelleren Stücken gut voran. Joachim Heinemann ergänzt mit seinem fantastischem Kontrabassspiel die Rhytmussektion. Jürgen 'Bruno' Frenzel spielt die Bluesharp wie einst Bruno der Bär. Dazu gibt es dann auch nichts mehr zu sagen; es ist ja allgemein bekannt, dass alle Bären Meister der Harp sind. Rainer Humpert mischt das ganze mit seiner elektrischen Blues-Gitarre auf. Einflüsse der großen Bluesgitarristen sind hier nicht zu überhören. Zusammen sind sie die 'Freunde' von Smokin' Joe Kowalski, der seinen Gesang noch mit akustischer Gitarre oder Keyboard unterstützt.
Die Essenz der CD sind natürlich die Songs, die sich auf dem Tonträger, hier in CD-Form, befinden. Elf eigene Tracks mit einer Gesamtspielzeit von knapp einer Stunde sind inhaltlich gesehen in zwei Lager aufgeteilt. Auf der einen Seite Lieder, die mit einem Augenzwinkern zu verstehen sind - auf der anderen Seite etwas ernsthafter.
Der Titel des ersten Stückes, "Man nennt mich Smokin' Joe Kowalski", verrät eigentlich auch schon worum es geht. Hier erfährt man wer Joe eigentlich ist, wo er herkommt und was er so mag, kann und macht.
»Ich komm nicht auß'm Delta, komm nicht aus Chicago, komm nicht aus Memphis, Tennessee. Komm nicht aus New York, nich vonner Westküste, ne - ich komm aus Good Old Europe, Germany - und man nennt mich hier: den John Lee Hooker vonner Wupper.«
Etwas Rock'n'Roll-mäßig geht es bei "Blues auf Bergisch" weiter, das live mit Sicherheit für gute Stimmung sorgt. Ein Song bei dem das Publikum garantiert mitsingen kann.
Der kleine, dicke "Pausenclown" bringt zwar etwas Zirkusflair mit auf die CD, spiegelt aber dann doch eher das traurige Leben eines Clowns wieder.
Der achtminütige Slow-Blues "Ich hab' Dich satt" fängt mit einem wunderbaren Harp- und Gitarrensolo an. Letzteres klingt vom Sound her wie eine Mischung aus Gary Moore und Stevie Ray Vaughan. »Du schleichst in meine Träume und dann tust Du so, als würden sie dir gehören.« Eines meiner Lieblingsstücke auf der CD.
Wer behauptet, noch nie den "Aldi-Slalom" mitgemacht zu haben, der lügt. Dieser Song handelt vom Einkauf im Supermarkt. Es stellt sich raus, dass es gar nicht so einfach ist, unfallfrei mit dem Einkaufswagen zur Kasse zu kommen. Ein amüsanter Song.
Eine genaue Wegbeschreibung ins regnerische Bergische Land, wo zwischen Rhein- und Ruhrgebiet der Blues ganz tierisch abgeht, wird in "SJK Is Back In Town" beschrieben, ebenfalls in deutscher Sprache gesungen, auch wenn der Titel anderes erwarten lässt. Ein hörenswerter Song mit guten Gitarren- und Harpsoli.
"Tauben am Döppersberg" ist eine sehr ernsthafte, kritische Nummer, in der es um die bluesigen Seiten im Leben geht: Arbeitslosigkeit, fehlende Zukunftsperspektiven der Jugendlichen und das Leben im hohen Alter. Depressive Stimmung vorprogrammiert; dennoch ein Anspieltipp.
Ruhiger geht es weiter mit "Voodoo Mann"; das klingt so wie er heißt. Atmosphärisch gut umgesetzt wird die Geschichte des Voodoo Mannes erzählt. Ob dieser ebenfalls in Wuppertal lebt, wird leider nicht verraten. Rundum gelungenen.
Inspiriert vom eigenen Spiegelbild ist "Arm, alt, hässlich und krank", eine bluesige Up-Tempo-Nummer mit Slidegitarre, die durchaus tanzbar ist. Und jedem sollten Themen wie chronischer Geldmangel, Haarausfall und Praxisgebühren bekannt vorkommen.
"Zivilisiert" prangert unsere Gesellschaft an und hinterfragt ironisch, ob wir 'jetzt endlich' zivilisiert sind. Jetzt, wo Musiksendungen wie "Ohne Filter" der Container-Sendung "Big Brother" und den "Superstars" gewichen sind, sich die Jugend statt der Politik lieber Klingeltönen widmet und Janis' letzte Whisky-Flasche bei eBay angeboten wird…. Auch und gerade hier glänzt Smokin' Joe Kowalski als Liedermacher und hat die momentane Situation gut erfasst und in Worte gepackt.
Zum Abschluss ein Träumerlied - "Wenn ich Kohle hab'". Jeder hat sich schon Gedanken gemacht, was er mit ausreichend finanziellen Mitteln machen würde. Smokin' Joe Kowalski träumt davon, eine eigene CD aufzunehmen, die Schulden zurückzuzahlen und im Urlaub am Grab von Robert Johnson zu singen (ich hoffe er findet es *gg*).
Ob er jetzt schon die Kohle hat, weiß ich nicht. Aber für die erste CD hat's wohl noch gereicht.
Fazit:
"Blues auf Bergisch" ist eine gelungene, deutsche Akustik-Bluesscheibe mit Shuffle-, Jazz- und Rockelementen, teilweise sehr starken Texten und in meinen Augen ein gelungenes Debüt für Smokin' Joe Kowlaski und Freude, musikalisch ausgreift und abwechslungsreich. Ebenso textlich unterhaltsam bis nachdenklich. Zu Recht hatte das Publikum in Solingen Spaß, als sie als Vorgruppe von Walter Trout gespielt haben. Sicherlich anfangs etwas ungewöhnlich, aber beim Zuhören kommt man schnell auf den Geschmack. Gelungene CD einer Band, die mehr Aufmerksamkeit und auch CD-Verkäufe verdient hat.
Line-up:
Smokin' Joe Kowalski (Gesang, Akustische Gitarren, Keyboard)
Reiner Humpert (Elektrische Gitarren, Hintergrundgesang)
Jürgen "Bruno" Frenzel (Bluesharps, Chromatische Mundharmonikas)
Susanne Heinemann (Cajon, Congas, Perkussion, Hintergrundgesang)
Joachim Heinemann (Kontrabass)
Tracklist |
01:Man nennt mich Smokin' Joe Kowalski
02:Blues Auf Bergisch
03:Pausenclown
04:Ich hab' Dich satt
05:Aldi-Slalom
06:SJK is back in town
07:Tauben am Döppersberg
08:Voodoo Mann
09:Arm, alt, hässlich und krank
10:Zivilisiert
11:Wenn ich Kohle hab'
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