Quizfrage, verehrte RockTimes-Leser: Finger hoch, wer kennt die Smoking Popes? Ich sehe - niemand …
Nun, da RockTimes nicht nur von der 'Classic-Rock-Generation' geklickt wird, wie wir erfreulicherweise feststellen dürfen, ist allerdings anzunehmen, dass es durchaus auch hier Indie-Fans gibt, die nur müde ablächeln: "Klar, Alter, die Caterer Brothers aus Chicago - schon lange tot!"
Von wegen, nach sieben Jahren Pause gaben die drei samt neuem Drummer am 11.11.2005 im Chicagoer 'Metro' eine Reunion Show. Bereits am 17.9. war das Konzert nach vorheriger Ankündigung binnen 37 Minuten lt. Band-Homepage ausverkauft! Der Auftritt wurde mitgeschnitten und nun auf DVD und CD veröffentlicht.
Die Setlist beider Scheiben ist bis auf vier Tracks identisch, die aus Platzgründen nicht auf der CD enthalten sind. Ich kann mich also auf den audio-visuellen Part in meiner Besprechung beschränken. Und dem staunenden Rest der RockTimes-Gemeinde nun berichten, wer diese offensichtlich kultigen Smoking Popes sind und was da abging. Die Band besteht seit 1991 und hat eine beachtliche Anzahl von Alben (darunter viele Kurzscheiben, Promos und Sampler-Tracks) herausgebracht, was ihr dann zumindest eine (nur?) lokale Genre-Berühmtheit eingebracht hat. Auf der Bandpage wird öfters der Begriff 'Punk' verwendet.
Das Video beginnt schwarzweiß mit einem längeren Schwenk über die endlose Schlange der Anstehenden vor dem Eingang des 'Metro', vorwiegend bestens gelaunte Mittzwanziger bis Mittdreißiger. Dann Schnitt in die Katakomben, die Band kommt auf die Bühne - es wird farbig. Was vorwiegend blau und rot heißt, die bevorzugten Farben des Stagelights. Dreh- und Angelpunkt ist Mastermind Josh Caterer, Sänger, Gitarrist und Komponist. Die zweite Klampfe sowie den Bass spielen Eli und Matt C., neuer Drummer ist Rob Kellenberger. Der Sound ist punkig, relativ gesehen. Die beiden Gitarreros schrubben ihre Bretter rauf und runter und verhauen sich auch mal bei den Soli (vorzugsweise Eli C.). Der Bass hält den Grundrhythmus und das ist so okay, weil der Drummer eine wahre Wildsau ist und sämtliche Strukturen zerdeppert. Soweit nichts Außergewöhnliches im Indie-Sektor. Die rundgesichtigen, in kurzärmeligen Freizeithemden steckenden Brüder, mit ihren wenigen, modisch kurz geschorenen Haaren, machen allerdings eher den Eindruck von braven Bankangestellten, als von nonkonformistischen Freaks. Kellenberger ziert ein gut getrimmter Vollbart. Alle Vier dürften auch gut über die Dreißig sein. Bis auf den sich abstrampelnden Drummer bewegen sie sich kaum, eine Show in dem Sinne gibt es nicht.
Das Verblüffenste ist allerdings die Stimme und Interpretation von Josh C. Ein einschmeichelnder, warmer Tenor, der richtig 'schön' singt (der aber viel eher zu einem kaledonischen Barden oder einem Singer/Songwriter der Hippiezeit von der Westcoast passen würde). Und das über die gesamte Dauer des Konzerts! Die Songs variieren nicht groß; kurze, krachende Stücke meist im Mid- oder Uptempo-Bereich, bei der die Gitarren qualmen, der Bass rumpelt und das Schlagzeug zusammen zu brechen droht. Später wird es gängiger und mitunter sogar ausgesprochen 'lovely'. Eigentlich sind die Smoking Popes eher eine Popper-Band mit ausgeprägtem Hang zum Punk.
Ein Highlight ist "Writing a Letter", ein fröhlicher Lovesong, mit 78 Umdrehungen gespielt, der in dem nachfolgenden "Megan" seine Fortsetzung findet. Es gibt aber auch astreine Rock'n'Roller wie "Ramblin Rose". Alles gesungen von diesem 'Goldkehlchen', das so gar nicht dazu zu passen scheint.
Aber das ist wohl grad der Reiz für die Fans, die wie gebannt an den Lippen des Frontmanns hängen und viele Songs ("Pretty Pathetic", "I Know You Love Me") mitsingen. Es wird nicht gepogt, nicht mal gezappelt, sondern nur selig zugehört - sehr seltsam für ein derartiges Konzert. Nach drei Zugaben ist Schicht. Irgendwelches Bonus-Material bietet die DVD nicht. Die CD und vor allem die DVD sind soundmäßig recht dumpf, beim Bildmaterial handelt es sich um einen normalen Konzertmitschnitt ohne kamera- oder regietechnische Extravaganzen. Als Dokument des Reunion-Auftritts völlig in Ordnung.
Das Indie-Label 'Victory Records' wird den U.S.-Fans von den Smoking Popes mit dieser Veröffentlichung sicher eine große Freude machen. Und auch die deutschen kommen durch den Vertrieb der Berliner Agentur 'Gordeon' in den Genuss der Doppelscheibe. Für 'normale' Rockfans ist die Band sicher gewöhnungsbedürftig, die zunächst durchaus reizvolle Kombination 'schöner Krach+dahinschmelzende Stimme' verlor zumindest für mich nach den ersten Hördurchgängen schnell an Interesse. Das Metro-Konzert war übrigens keine einmalige Sache. Die Band trat dieser Tage wieder in ihrer Heimatstadt auf.
Spielzeit CD: 60:01, Medium: CD/DVD, Victory Records, 2006
1:Ramblin Rose (Intro) 2:Off My Mind 3:No More Smiles* 4:Gotta Know Right Now 5:Midnight Moon 6:Paul 7:Rubella 8:Don't Be Afraid 9:Mrs. You And Me* 10:Writing A Letter 11:Megan 12:Surf 13:Before I'm Gone 14:Just Broke Up* 15:Stars 16:You Spoke To Me 17:On The Shoulder 18:Need You Around 19:Pretty Pathetic 20:Ramblin Rose (Outro) 21:Pure Imagination* 22:I Know You Love Me 23:Brand New Hairstyle
*nur auf DVD
Norbert Neugebauer, 16.03.2006
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