Snowball / Defroster
Defroster Spielzeit: 39:48
Medium: CD
Label: Sireena Records (WEA), 2009 (1978)
Stil: Jazz Rock, Fusion


Review vom 18.06.2009


Wolfgang Giese
Snowball - "Defroster". Ehrlich gesagt, diese Platte ist damals fast spurlos an mir vorüber gegangen. 1978, als sie erschien, hatte ich mich bereits seit gut sechs Jahren fast ausschließlich dem Jazz Rock zugewandt und die Ohren weitestgehend allem anderen verschlossen. Bestandteil meiner Jazz Rock-Passion war jedoch auch eine Platte des möglicherweise besten Drummers unserer Republik, Curt Cress, nämlich die 1975er Veröffentlichung "CCC" vom Curt Cress Clan.
Jene Platte, in der Besetzung mit Volker Kriegel, Dave King, Kristian Schultze und Ack van Rooyen hatte mich begeistert. Da der Jazz Rock stetig kommerzieller und uninteressanter wurde, kaufte ich mir nach und nach auch die Platten meiner 'Helden' nicht mehr. Die nachfolgenden Arbeiten von und mit Cress fielen dem ebenfalls zum Opfer. Und obwohl auf "Defroster" auch 2 Musiker von "CCC" mitwirkten, und ich die Platte wahrscheinlich auch kurz gehört haben mag, wird sie seinerzeit wahrscheinlich gleich in Ungnade gefallen sein, enthielt sie doch nicht mehr die Musik, wie ich sie zu Hoch-Zeiten des Jazz Rock kennen und lieben gelernt hatte.
Heute kann ich da unbeschwerter herangehen, es aus einem neutraleren Blickwinkel betrachten. Die Musik enthält noch eine Menge Jazz Rock-Elemente und Cress' hervorragendes und untadeliges Schlagzeugspiel vermag mich zu beeindrucken, doch womit ich mich so gar nicht anfreunden kann, ist der Gesang von Roye Albrighton. Das ist nicht die Art Stimme, wie ich sie gerne hören mag. Albrighton singt für mich unglaublich angestrengt und fügt sich nicht (für mich) harmonisch in den Gesamtkontext der Musik ein.
Manchmal scheinen hier zwei unterschiedliche Bands zu agieren, und so sind für mich die besseren Stücke jene fünf rein instrumentalen, wobei mich hier auch nicht so sehr die Gitarrenarbeit des Sängers beeindrucken mag. Wie gesagt, sicher bin ich voreingenommen, nicht nur Albrightons wegen, sondern grundsätzlich, denn das, was Cress mit seinem Clan gemacht hat, besitzt für mich mehr Energie und Klasse. Dieses 'Supergroup'-Image passt mir hier nicht vollends.
Als positives Gegenbeispiel möchte ich hier eine Produktion aus dem Jahre 1976 nennen, die mir angesichts der dort auch bereits vollzogenen Veränderung des Jazz Rock damals auch nicht so sehr zusagte, heute jedoch sehr gut gefällt hinsichtlich der Integration der Gesangselemente, nämlich die Platte "Where Do We Begin" von Made In Sweden. Tommy Körberg vermochte auf jener Platte seinen Beitrag harmonisch mit einer brillanten Flexibilität einzuflechten. Etwas, das mir hier vollkommen fehlt.
Aber natürlich hat die hier besprochene Platte auch ihre guten Seiten. Bereits beim zweiten Stück, "Tender Storm", beweist die Band eine unglaubliche Lockerheit und Souveränität. Allerdings sind es hier auch nur Schultze, King und Cress, die diese an den Tag legen, "Devils Demons", Track vier, startet dann auch in bester Billy Cobham-Tradition, bis dann leider der Gesang mir die Illusion raubt. Tut mir ja auch leid, aber es stört mich hier definitiv!
Unter dem Gesichtspunkt der Fusion, oder, wie es im Booklet unter einem abgebildeten Zeitungsartikel heisst, »Snowball: Weg vom Jazzrock a la Passport«, fehlt hier mitunter ein wesentlicher Bestandteil der Fusion, nämlich eben jener Fusionierung verschiedener Elemente zu einem neuen Ganzen. Und genau das ist es wohl, das mich stört. Die Richtung mag vielleicht im Ansatz gut gewesen sein, aber bis zur Vervollkommnung fehlte es dann doch leider insgesamt, bis auf einige Höhepunkte, völlig. Vielleicht symptomatisch dafür, dass Albrighton auf dem nächsten Album auch nicht mehr dabei war?
Wichtigstes Stück für mich ist der Titelsong des Albums, bei dem Cress beginnt wie Alphonse Mouzon, genau in dieser Richtung, nämlich in jene erstklassigen Jazz Rocks geht das gesamte Stück. Wirklich stark gemacht, und die Musiker stellen hier absolut gelungene Fusion zur Schau!
Anzumerken sei noch, dass die vier Musiker in unmittelbarer Zeit vor diesem Projekt von folgenden Formationen kamen: Cress und Schultze spielten zuletzt bei Klaus Doldinger's Passport, King spielte mit Volker Kriegel, Wolfgang Dauner und Donna Summer zusammen und Albrighton war langjähriger Sänger und Gitarrist bei Nektar. King, Kriegel und Dauner sollten sich später in einer anderen 'Supergroup', dem United Jazz + Rock Ensemble, wieder zusammen finden.
Was mir bleibt, ist ein gutes Album mit teilweise guter Jazz-Fusion, und darunter einigen Höhepunkten. Für mich ist es im Gesamtbild jedoch nicht überragend und durchgehend stimmig.
Und noch eine grosse Bitte an Sireena: Bitte veröffentlicht die Platte vom Curt Cress Clan!!!
Line-up:
Roye Albrighton (vocals, guitar)
Curt Cress (drums, percussion)
Dave King (bass, synthesizer)
Kristian Schultze (keyboards)
Tracklist
01:Hold On
02:Tender Storm
03:Devil Demons
04:Country Dawn
05:Backfire
06:Lilli Henri
07:Paradise
08:Defroster
09:Shade
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