Spencer Davis Group In Concert 2006
19.05.2006, Bluesgarage Isernhagen
Bluesgarage
Spencer Davis GroupAutsch! Das tut schon wieder richtig weh. Wenn ich mir vorstelle, dass ich mich, als die Spencer Davis Group ihren größten Erfolg in den britischen Charts erreichte, gerade erst mit dem kleinen 1x1 und dem Alphabet in der Grundschule herumschlagen musste, kriege ich mal wieder eine altersbedingte Krise. Ganz schön lange her, als ihr "Keep On Running" im Jahr 1965 die damals schier übermächtigen Beatles und ihren Song "Please, Please Me" von Platz 1 der Hitparaden verdrängte. Aber was soll's. Dafür baut einen die Tatsache wieder auf, dass die Band auch nach über vierzig Jahren noch immer angesagt ist und weiterhin permanent durch die Welt tourt.
Spencer DavisNatürlich steht heute nicht mehr die Originalbesetzung auf der Bühne, aber das aktuelle Band Line Up besteht zum größten Teil aus Musikern, die schon reichlich Musikgeschichte geschrieben haben. Dabei hat der Namensgeber der Spencer Davis Group eigentlich den wenigsten Anteil daran. Sieht man mal davon ab, dass er in Zusammenarbeit mit seinen jeweiligen Bandkumpanen an der Entstehung von zahlreichen Hits der Gruppe mitgebastelt hat.
Steff PorzelEinziges relativ unbekanntes Bandmitglied ist Steff Porzel. Der aus Bamberg stammende, 1963 geborene Drummer hat seit einigen Jahren das schwere Erbe übernommen, Schlagzeuglegende und Gründungsmitglied Pete York zu ersetzen, der noch bei der letzten Reunion der Band dabei war und inzwischen diverse andere Projekte in Angriff genommen hat. Aber Steff Porzel erledigt seinen Job hervorragend. Ruhig und sachlich schwingt er die Sticks und ergänzt sich perfekt mit Bassmann Colin Hodgekinson. Absoluter Höhepunkt ist sein Drumsolo im Mittelteil von "I'm A Man". Hier beweist Porzel sein ganzes Können und tobt sich so richtig aus. Große Klasse der Mann!
Colin HodgekinsonApropos Colin Hodgekinson. Mit ihm steht einer der besten Bassgitarrenspieler der Welt auf der Bühne, wenn man das überhaupt irgendwie messen kann. Jedenfalls wird Spencer Davis nicht müde, diese Meinung immer wieder unters Volk zu bringen. Und DER muss es ja schließlich wissen! :-) Bekannt wurde Hodgekinson durch seine Mitgliedschaft bei David Coverdales Band Whitesnake, bei denen er an den frühen Erfolgen maßgeblichen Anteil hatte. Außerdem war er über mehrere Jahre fester Partner des leider viel zu früh gestorbenen englischen Bluesmannes Alexis Korner. Schon hier bewies er ein großes Können am Tieftöner.
Colin HodgekinsonIm aktuellen Set der Spencer Davis Group bekommt er gleich zweimal die Gelegenheit, sich zu zeigen. Und das bewerkstelligt er absolut professionell. Schon beim "San Francisco Bay Blues" im ersten Teil des Konzertes lässt er den Bass nur so brummen und entlockt seinem Instrument unglaubliche Töne. In dieser Art habe ich bisher eigentlich nur Tim Bogert von Vanilla Fudge an den dicken Saiten erlebt. Zum Zweiten gibt er den "Walking Blues" zum Besten. Wieder ganz allein auf der Bühne, aber diesmal am Gesangsmikrofon. Und auch da zeigt er eine ganz starke Leistung.
Miller AndersonDie Lead- und Slidegitarre bedient ein weiterer Dino der Rockmusik. Miller Anderson war mit der Keef Hartley Band schon 1969 beim 'Woodstock'-Festival dabei, dort für die Arbeit an der Klampfe zuständig und besorgte auch noch den Leadgesang. Es folgten Gastspiele bei Savoy Brown und Mountain, bevor er im Jahr 1997 die Spencer Davis Group verstärkte. Hier fühlt er sich augenscheinlich pudelwohl, denn man gibt ihm zahlreiche Gelegenheiten zu Solo-Ausflügen. Am meisten beeindruckte er mich beim Animals-Klassiker "House Of The Rising Sun". Selten habe ich diesen Song in so einer intensiven Fassung erlebt.
Eddie HardinAn der Hammond sitzt mit Eddie Hardin ein Mitglied der Spencer Davis Group, das schon sehr früh den abgewanderten Steve Winwood an den Tasten ersetzen musste. So spielt diese Band eine ganz gewichtige Rolle in seinem musikalischen Leben. Zwischenzeitlich erregte Hardin Aufsehen, als er sich mit Pete York zusammentat und ein paar Jahre lang als Hardin & York eine ganz eigene Stilrichtung kreierte und damit auch ziemlich erfolgreich war. Hardin & York sorgten vor allem durch eigenwillige Interpretationen von Beatles-Songs für Furore, die sie in progressive Meisterwerke für Schlagzeug und Keyboards umwandelten. Eddie Hardin verfügt über eine sehr gute Stimme, und auch das kommt der Spencer Davis Group von heute zugute.
Spencer DavisSo war also ein vielseitiges Konzert mit ständig wechselnden Leadsängern vorprogrammiert, und gerade dieser Gesang wurde zu einem Problem bei diesem Gig. Im ersten Teil gab es immer wieder Rückkopplungen, so dass die Stimmen nicht wie gewohnt rübergebracht werden konnten. Das änderte sich aber nach einigen Korrekturarbeiten während der Pause und wurde dann besser. Trotzdem kam der Gesang nicht immer ganz klar und deutlich aus den Boxen. Das Ganze hielt sich aber im Rahmen und konnte diesem Konzert nicht wirklich schaden.
Spencer Davis GroupDie Setlist war im Großen und Ganzen die Gleiche wie auf der letztjährigen Tour und enthielt mit "When I Come Home" lediglich einen mir gänzlich unbekannten Titel. Natürlich gab es die bekanntesten Sachen der Spencer Davis Group auf die Ohren, wobei "Keep On Running" auf vielfachen Wunsch gleich zweimal angestimmt wurde. "I'm A Man" mit dem schon erwähnten Schlagzeugsolo durfte genauso wenig fehlen, wie "Gimme Some Loving" und die erste Single-Produktion "Dimples". Mit diesem Song erinnerte die Band an den unvergessenen großen Bluesmann John Lee Hooker, der diesen geschrieben hat. Ganz stark auch "Don't Want Me No More" aus der Feder von Hardin / Davis, das in der Version der Allman Brothers Band in die Musikgeschichte einging.
Spencer Davis GroupNeben "House Of The Rising Sun" und den diversen Soloeinlagen der einzelnen Musiker war für mich "Spoonful" ein weiteres Highlight bei diesem Konzert. Auch bei "Dust My Broom" brodelte es in der gut gefüllten 'Bluesgarage'. Im krassen Gegensatz dazu standen mit "Across The Borderline" und "Every Little Bit Hurts" zwei sehr gefühlvolle Balladen, die mit viel Feeling gespielt wurden und so manchem Fan die Tränen in die Augen trieben.
Spencer Davis GroupViel zu schnell gingen diese zwei Stunden zu Ende. Das war ein geiles Konzert mit einer richtig guten Band von fünf absoluten Könnern an ihren Instrumenten. Auch den Musikern schien der Auftritt Spaß zu machen. Ein gutgelaunter Spencer Davis kommunizierte in seinem unnachahmlichen Dialekt auf Deutsch mit einem freundlichen und zufriedenen Publikum, und Miller Anderson unterhielt sich sogar mitten in "House Of The Rising Sun" mit einigen Fans am Bühnenrand. Das habe ich in dieser Form auch noch nicht erlebt. Fest steht: Am heutigen Abend erlebte die 'Bluesgarage' ein richtiges 'Spaßkonzert'. So etwas darf sich von mir aus gern wiederholen.
Setlist:
Keep On Running
When I Come Home
Don't Want You No More
Every Little Bit Hurts
San Francisco Bay Blues
Love Is On A Roll
Somebody Help Me
Dimples
Walkin' Blues
Deep In My Dispair
Dust My Broom
Across the Borderline
Spoonful
House Of The Rising Sun
I'm A Man
Gimme Some Loving
Keep On Running


Spencer Davis Group In Concert 2006, 19. Mai 2006, Bluesgarage Isernhagen
Jürgen Bauerochse, 24.05.2006