Wolken, Feingeister, schlichte Gemüter und der Rock'n'Roll
In Skandinavien ist es zu bestimmten Jahreszeiten ziemlich düster. Zu anderen Jahreszeiten weiß die Sonne sich auch nicht immer durchzusetzen. Das Sozialsystem ist traditionell recht weitreichend ausgestaltet, trotzdem sind aus gesellschaftspolitischer Sicht paradiesische Zustände so weit entfernt wie die schwedische Fußballnationalmannschaft vom Weltmeistertitel 2014 in Brasilien. Skandinavische Bands der Neuzeit musizieren oft auffallend weit weg vom
ABBA-Gute-Laune-Pop-Idiom, stattdessen suhlen sie sich gerne in der rockmusikalischen Vergangenheit und lassen es fürchterlich krachen. Dabei feiert neben dem eher düsteren Stoner Rock der Highenergy Rock'n'Roll fröhliche Urständ, als müssten mit Gewalt alle Wolken des allgemeinen Lebens ins Nirvana gepustet werden. Ist das ein Zufall?
Vor gut 2 ½ Jahren formierte sich in Göteborg ein junger Vierer und schmiss umgehend die Zeitmaschine an, veröffentlichte zum Einstand eine 10"-Vinyl-EP und eine 7"-Single, um jetzt mit ihrem Longplay-Debüt um die Ecke zu kommen. Standesgemäß gibt es dieses Werk neben der CD-Ausgabe und digitalen Files auch als 12"-Vinyl und bringt es auf sagenhafte 27 ½ Minuten Gesamtspielzeit.
Ein kurzes, heftiges und gnadenlos auf den Punkt gebrachtes Statement des Rock'n'Roll mit Punk- und 1968er Garagenrockattitüde. Der Rezensent darf hiermit konstatieren, dass sich vermutlich die musikalischen Feingeister mit Grausen abwenden werden, die Grobmotoriker und schlichten Gemüter hingegen begeistert die Mähnen schütteln, Luftgitarren entstauben, wild herumhüpfen und einfach tierisch abhotten.
Dabei geht die Rhythmusabteilung erfreulich groovig zur Sache, der Saitenschwinger klingt wunderbar retro, wie aus einer Endsechziger-Garage entsprungen, allerdings mit sauberem, energetischem Spiel, ebenfalls sehr rhythmusorientiert und mit feinem Riffgespür.
Vokalistisch angeführt wird das Quartett von einer Dame, die optisch einer jungen
Suzi Quatro nicht unähnlich ist, in ihrem Ausdruck allerdings eher an Grace Slick von
Jefferson Airplane gemahnt, ohne deren Charisma versprühen zu können. Der Rezensent hätte sich an dieser Stelle eher eine klassische Rockröhre gewünscht, aber das ist freilich Geschmackssache.
Der Anspieltipp dieses Kurzvergnügens ist ein kompletter Dreier im Mittelteil - "Fraction" (genialer Einbau einer Harp), "Above The Sky" (einziger Track über vier Minuten und im Tempo und musikalischer Grundstimmung sehr abwechslungsreich, im Kontext des Albums fast schon ein 'progressives' Stück) und "Rules Of The Game" (melodischer Riffkracher, geht ab wie ne Silvester-Rakete und bleibt doch im Ohr).
Das Album ist hörbar professionell produziert, verharrt beim Soundbild konsequent im dargebotenen musikhistorischen Kontext, ist aber beim Mastering ganz der Moderne verpflichtet - laut, hohe Kompression, keine Luft für nichts und niemanden. Das kann letztlich Feingeister zur Weißglut treiben, doch die sind hier eh auf der falschen Veranstaltung. Der Rest dreht die Volumenregler nach oben und genießt testosteronhaltigen Klangmatsch mit hohem Spaßfaktor. Das vertreibt auch alle dunklen Wolken!