Als ich die "Live @ Rockpalast"-DVD von Spliff in meinen Player schmeiße, tue ich das mit gemischten Gefühlen. Zum einem überwiegt die Freude, dass ich mich auf eine Zeitreise mit der Band von 1981 bis 1983 begeben darf, doch zum anderen werde ich an ein erst kürzlich trauriges Ereignis erinnert, als am 12. September dieses Jahres der damalige Bassist der Band, Manfred Praeker, verstarb. An dieser Stelle möchte ich unsere Leserschaft bitten für einen Moment inne zu halten, um einem großartigen Musiker eine symbolische Gedenkminute zu widmen. Vielen Dank!
Die Bild- und Tonkonserve beginnt mit einem Konzert aus dem Jahr 1983, das am 20. Mai im beschaulichen Elspe, weiß der Geier, wo das liegt, stattfand. "Computer sind doof!" Alle Achtung, dass die Band das bereits Anfang der Achtziger analysierte und es darf geschmunzelt werden, das die Band bereits bei diesem Gig auf solche angewiesen waren. Bemerkenswert finde ich die Stimme vom Ansager des Gigs, Keyboarder Reinhold Heil, die mich mit geschlossenen Augen an den jungen Fernsehmoderator Fank Elsner erinnert. Bereits an vierter Stelle der Setliste hatte die Band eines ihrer wohl bekanntesten und erfolgreichsten Lieder, die je aus der Feder der Combo entstand, "Déjà Vu", platziert. Logisch, dass mit diesem Teil jegliche Zurückhaltung der Fans gebrochen war.
Als ihre mitgebrachten Computer kurzzeitig ihre Arbeit eingestellt hatten, musste Drummer Herwig Mitteregger ans Ersatzschlagzeug wechseln, um den anwesenden "Maurer" taktvoll zu begleiten, als die Kapelle das Teil vorspielt. Nach "Kill!" folgt mit "Carbonara" ein weiterer Kracher, der auch noch heute oftmals im Radio zu hören ist. Ihr Anhang begleitete sie klatschend, den Refrain mitsingend, um den Song, bei dem Heil ins Publikum marschiert, um einzelnen Gäste 'nen »schönen Abend« zu wünschen, zum Schluss mit frenetischem Applaus zu verabschieden.
Sicher, beim genauen Betrachten der Songauswahl des Konzerts wird nicht nur der eingefleischte Spliff-Anhänger feststellen, dass mit "Jerusalem", "Notausgang", "Heut' Nacht", "Das Blech" und "Rock Is A Drug" weitere Highlights der zur NDW (Neue Deutsche Welle) gezählten Band geboten werden, sondern die DVD auch gut, als eine 'Best Of''-Präsentation durchgehen kann. Gänsehaut pur bekomme ich bei "Heut' Nacht", tolle Nahaufnahmen von Manfred Praeker lassen ihn sehr lebendig wirken, sodass mir sein Tod noch unbegreiflicher und sinnloser erscheint. Am 25. September 2012 wäre er einundsechzig Jahre alt geworden.
Nachdem ersten Konzertmitschnitt ist es kein geringerer als Thomas Gottschalk, der die Kapelle in die Mangel nimmt. Leider nur für 2:43 Minuten, in denen man merkt, dass Spliff den damals noch nicht ganz so bekannten 'Supermoderator' nicht allzu ernst nehmen. Im Anschluss folgt ein "Intro" des Dortmunder Rockpop-Konzertes vom 19. Dezember 1981 aus der Westfalenhalle. Hier wird dem Konsumenten mit "Jive" leider nur ein Teil offenbart, das es beim Elspe-Gig nicht zu bestaunen gab. Insgesamt wirkt hier der Sound fetter, die eingefangenen Bilder wesentlich abwechslungsreicher, als die Aufnahmen aus dem Jahre '83. Nach gut zwei Stunden allerbester Deutschrockunterhaltung ist leider Feierabend. Leider deshalb, weil die DVD sehr kurzweilig erscheint.
Was ist aus den Musikern geworden, von der Band, die sich 1985 auflöste? Wie bereits oben erwähnt, weilt Manfred Praeker nicht mehr unter uns. Der gebürtige Österreicher, Sänger und Drummer Herwig Mitteregger wohnt seit 2006 in Hamburg und hat mit 'Manoscrito Music' ein eigenes Label gegründet, Keyborder Reinhold Heil lebt seit 2010 in Los Angeles und arbeitet dort in seinem eigenen Studio. Gitarrist Bernhard Potschka weilt zurzeit in Hohen Neuendorf bei Berlin, spielte zuletzt mit Praeker und u. a. dem Wahlberliner Ron Spielman bei Bockx auf Spliff, mit der sie die Songs von Spliff neu einspielten.
Fazit: Ganz klar, auch wenn es die DVD 'nur' im PCM-Stereo-Sound zu erwerben gibt, ist eine Anschaffung des Silberlings eine lohnenswerte Investition. Über ein Vierteljahrhundert altes Filmmaterial wird noch mal zum Leben erweckt. Man wird unweigerlich an die Zeit der NDW, an Spliff, und deren Musik aus einer Mischung von gutem Deutschrock mit reichlich elektronischer Musik, verwöhnt, beziehungsweise erinnert. Eine Band, die mit ihrer Musik nicht nur ein wichtigen Teil deutscher Musikgeschichte geschrieben hat, sondern die zum Teil auch im Ausland viel Anerkennung erfuhr. Da die Weihnachtszeit vor der Tür steht, kann unbedenklich eine Geschenkidee empfohlen werden, und sei es, man beschenkt sich einfach selbst.
Line-up:
Manfred Praeker (Gesang, Bass)
Bernhard Potschka (Gesang, Gitarre)
Reinhold Heil (Gesang, Keyboard)
Herwig Mitteregger (Gesang, Schlagzeug)
Tracklist |
Rockpalast, Elspe, 20.05.1983
01:Herzlichen Glückwunsch
02:Computer sind doof
03:Duett komplett
04:Déjà Vu
05:Tag für Tag!
06:Glaspalast
07:S.O.S.
08:Augen zu!
09:Die Maurer
10:Kill!
11:Carbonara
12:Jerusalem
13:Notausgang
14:Heut' Nacht
15:Das Blech
16:Müller
17:Jet Set Star
18:Rock Is A Drug
Rockpop In Concert, Dortmund, 19.12.1981
01:Interview
02:Intro
03:Déjà Vu
04:Jerusalem
05:Jive
06:Müller
07:Kill!
08:Heut' Nacht
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