Holland als die ultimative Antwort auf die Frage nach neuen, bisher unbekannten Prog Bands? Man könnte es fast annehmen, sieht man sich die Anzahl der in jüngster Vergangenheit erschienenen Veröffentlichungen aus den Niederlanden an. Während Bands wie Knight Area oder auch Kramer ganz klar auf die Karte Neo Prog setzen, ist es bei der Gruppe Splinter damit nicht getan. Dieses Quintett scheint werbetechnisch recht professionelle Unterstützung zu erhalten. Man bezeichnet sich selbst als die holländischen Spock's Beard, wahrscheinlich wissend, dass insbesondere diese Formation im Kreise der zur Zeit angesagten Retro Prog-Bands einen ausgezeichneten Ruf genießt. Dazu gesellt sich als Helfer ein gewisser Roine Stolt von den Flower Kings. Mit denen haben Splinter übrigens gemeinsam getourt. Betrachtet man nun noch die Aufmachung der CD mit Bonus-DVD, so scheint hier offensichtlich etwas mehr Kohle als sonst üblich und möglich geflossen zu sein.
Was mich von Beginn an stört, ist der nach außen offerierte Anspruch, musikalisch ganz weit vorne im progressiven Bereich aufwarten zu wollen. Dazu steht nämlich die Selbstdarstellung der Band im krassen Widerspruch. Dieser wird beim Betrachten der Bonus-DVD deutlich, doch dazu später mehr. Man soll ja auf das Äußere nicht zu sehr achten, aber die Cover-Gestaltung mit den abgebildeten geschniegelten Jungs lässt einen vor dem Einlegen der CD böses erahnen.
Aber umso überraschter bin ich, als ich mir die gebotene Mucke reinziehe. Die Gitarren braten bereits im Eröffnungstrack "Goodbye", die Synthies legen sich opulent über die gespielten Hooks, der Leadsänger klingt souverän und absolut passend. Insbesondere der Groove und die eingebundenen Abläufe kommen überzeugend aus den Boxen. Zugegeben, da schwingt schon, wie in "Bio Engine" eine Menge an Mainstream mit. Von AOR keine Spur, versucht die Band die eine oder andere melodische Variante ins Spiel zu bringen. Leider habe ich den Eindruck, dass man sich schließlich nicht vollends durchringen kann, eine bestimmte Linie zu fahren.
Splinter scheinen musikalisch sehr beschlagen zu sein und ihr Handwerk zu verstehen. Das wird vor allen Dingen bei einer Nummer wie dem mehrteiligen "Reflections" deutlich. Äußerst viel Abwechslung, retro-progressive Anstriche und stellenweise schnurgerade Harmonien. Hin und wieder etwas anstrengend, aber das kann auch den Reiz ausmachen. Man sollte also bereit sein, zumindest in ein bis zwei Fällen auf diesem Longplayer eine Entdeckungsreise anzutreten. Kurzum: Es handelt sich bei "Dreamers" um ein versiertes und interessantes Prog-Album.
Weniger ist manchmal mehr! Warum?
Die mitgelieferte Bonus-DVD ist im Grunde genommen nichts anderes als modern aufgemachtes Promo-Material der Band. Man kann in die einzelnen Tracks des Albums reinhören, liest bereits erstellte Reviews verehrter Kollegen, dazu gibt es Presse-Fotos und eine ziemlich ausführliche Biographie der Formation. Diese Art der Vermarktung, zumal man diese Scheibe in dieser doppelten Ausführung als sog. "Special Edition" bezeichnet, empfinde ich als aufdringlich und sage es klipp und klar: Das braucht die Welt nicht und ist nichts anderes als ein stümperhafter Versuch, marktstrategisch großspurig auf sich aufmerksam zu machen. Auch die beiden Video-Clips hätten sich Splinter meines Erachtens besser verkniffen, kommt die Band doch mehr als ein Robbie Williams für Arme (man beachte das Gepose und die Hopserei von Leadsänger Ewout Ongering) rüber und dämpft den ansonsten guten Gesamteindruck doch gewaltig. Alles gestellt, schmierig und meiner Prognose nach, ein untauglicher Versuch, mit netten Frisuren und charmantem Lächeln bei den Teenies anzukommen. Raus aus den Player und in die Hülle stecken!
Ach so, und dann finde ich allerdings noch einen kleinen grünen Papierstreifen in der Hülle der CD. Darauf enthalten ist ein Login-Code sowie ein Passwort (es handelt sich um den von der Band deklarierten "Dreamcode"). Diese Idee ist nun wahrlich nicht schlecht. Geht man auf die Website der Holländer, findet man eine 'Backstage-Area'. Hier kann der Hörer in einen geschützten Bereich eintreten und sich alte Demos sowie weiteres, bisher nicht veröffentlichtes Material reinziehen. Gut gemacht!
Insgesamt: 7 von 10 RockTimes-Uhren
Line-up:
Ewout Ongering (lead vocals)
Didier Kerckhoff (guitars, vocals)
Menno Broer van Dijk (keyboards, vocals)
Berry Vink (drums)
Marcel Everts (bass, pedals, vocals)
Tracklist |
CD:
01:Goodbye (5:42)
02:Bio Engine (6:51)
03-06:Reflections (14:37)
Part 1 - Dreamer
Part 2 - The Dream
Part 3 - REM
Part 4 - Wake Up
07:Anthony's Songs (5:41)
08:Korsakov (6:42)
09-11:The Devil's Advocate (11:27)
Part 1 - Dreamworld, The Saint
Part 2 - Realworld
Part 3 - The Devil's Advocate, Distinctness
|
DVD:
01:Dreamers + Lyrics
02:Live Footage
03:Photo Shoot
04:Biography
05:Reviews
06:Credits
|
|
Externe Links:
|