Spock's Beard / Kino
19.03.2005, Verviers, Belgien
Spirit of 66
Live
Kino
Kino Kino und Spock's Beard hatten sich im Spirit of '66 angekündigt. Terminiert war die Show für den 19.03.2005. Endlich mal hatten die Tourmanager ein Einsehen für die Belange aller Werktätigen, denn der 19.03 war ein Samstag. Die Autobahnen waren leer, Verviers allerdings so proppenvoll, dass wir zum ersten Mal irgendwo im Einbahnstraßendschungel der belgischen Stadt ein Plätzchen für das Auto suchen mussten.
Im Spirit war ebenfalls der Teufel los. Für Progressive Rock verzichteten eine Menge Fans aus Belgien, Deutschland und Holland auf das zweifelhafte Vergnügen der ach so beliebten Samstagabendshows. Am Merchandisingstand brummte es schon vor dem Gig gewaltig.
KinoIm Publikum brummte es übrigens auch, als Kino um 21:30 Uhr die Bretter betraten, welche doch die Welt bedeuten. Alle waren gespannt: Würde sich eine Band präsentieren, oder vier exzentrische Diven? Die Frage war eigentlich schon beantwortet, als sich Basser Pete Trewawas beim Opener "Telling Me To Tell You" als professioneller Anklatscher erwies. Kino sind eine Band! Und was für eine! Zwar fehlte auf dieser Tour Stammtrommler Chris Maitland, aber dieser Umstand relativierte die Aussage kein Bisschen. John Becks alter It Bites-Kumpel Bob Dalton substituierte exzellent.
Es folgte ein Kracher vom Kino-Album "Pictures" nach dem Anderen. Schon beim furiosen Finale des zweiten Songs "People" zeigte alle Kinos ihre überragende Musikalität. Nach "Lettin Go" griff John Beck das erste mal ernsthaft ins Gesangsgeschehen ein. Im Duett mit Frontman John Mitchell brachte er "Perfect Tens" gekonnt auf den Punkt.
KinoDen Zuschauern blieb keine Verschnaufpause. Es folgte nämlich das begeistert aufgenommene "Swimming In Women" mit seinen Supertrampähnlichen Songstrukturen. Der Titeltrack des Debütalbums "Picture" ist live übrigens ebenso ergreifend wie auf CD. Mit dem knackigen "Losers Day Parade" beendeten Kino ihre rund 45 minütige Vorstellung.
Der lange Schreibe kurzer Sinn: Die Show war brillant. Kino spielten mit einem klasse Sound. Sänger und Gitarrist John Mitchell lieferte einen grandiosen Job ab. Über seine Fähigkeiten als Axtschwinger brauchen natürlich keine Worte mehr verloren werden. Aber auch als Livesänger agierte er perfekt. Selbst die schwierigsten Gesangspassagen bedeuteten für ihn kein Problem.
Kino Pete Trewavas hatte offensichtlich Probleme mit dem Ohrhörermonitorsound. Während des Gigs konnte man ihn mehrmals mit den Armen in Richtung Soundmann gestikulieren sehen. Bei "Loser Day Parade" riss er sich den Ohrhörer zunächst probeweise vom Kopf. Aber die verzweifelten Reparaturversuche der Roadcrew blieben erfolglos. Nach einem nächsten Anlauf ließ Pete schließlich Ohrhörer, Ohrhörer sein und verließ sich auf den Boxensound.
Kino jedenfalls werden sich über kurz oder lang zum Blockbuster des Genres entwickeln. Das deutete dieser Abend eindrucksvoll an.



Spock's Beard
Spock's BeardNach einer kurzen Umbaupause von gerade mal schlappen 40 Minuten legten Spock's Beard ab 22:55 Uhr los. Um es gleich vorwegzunehmen: Nick D'Virgilio ist mehr als ein Lückenfüller. Er singt phantastisch, er trommelt wie ein Berserker und unterstützt "Plekless" Alan Morse gekonnt an der Gitarre. Nick muss zudem noch irgendwie Derwisch-Blut in den Adern haben. Er rastet auf der Bühne geradezu aus. Er springt herum, verrenkt sich, singt, brüllt, trommelt und ist immer in Action. Sein "physical Acting" alleine rechtfertigt schon den Besuch einer Spock's Beard Show.
Der erste Einschlag der Truppe erfolgt mit "The Ballet of The Impact" vom aktuellen Album "Octane" Natürlich lag der Schwerpunkt der Songauswahl auf dem Material dieser CD. Ryo Okumoto gebührten also die Eröffnungssequenzen des Gigs. Er ging während der Show sehr konzentriert zu Werke. Manchmal konnte man meinen er hätte sich abgeschaltet, so regungslos stand er zuweilen hinter den Tastenbrettern. Aber das hatte seinen Grund. Schließlich musste Ryo bei den älteren Stücken die Keyboardparts von Neal Morse übernehmen. Trotzdem hatte er immer noch Zeit und Muße das Publikum mit dem "Evil"- Zeichen freundlich zu grüßen und seinen obligatorischen mit den Fingern gespielten Witz auf japanisch zu erzählen.
Spock's BeardBei "She Is Everything" war es an der Reihe "Plekless" Morses, die Akzente zu setzen. Gebannt verfolgte das Publikum die virtuose Soloeinlage des Leadgitarristen. Getarnt mit einer Sonnenbrille spielte sich Alan bei diesem Song warm. Er hatte im Laufe des Abends noch genug Gelegenheit zur Höchstform aufzulaufen.
Irgendein belgischer Scherzkeks brüllte zwischen zwei Songs frech "Johnny B. Good". Natürlich hat eine Band wie Spock's Beard auch Abschlussball-klassiker drauf und stimmte kurzerhand das Thema an. Als der Gitarrist jedoch noch die Eingangsmelodie von "Stairway To Heaven" anstimmte, wurde es auch den anderen Musikern zuviel des Guten. Stattdessen zelebrierten die Jungs "Harm's Way". Was für ein Song! Er kommt live ebenso energisch rüber wie auf "The Kindness Of Strangers". Wer bisher noch daran zweifelte, ob es Nick D'Virgilio drauf hat, wurde nun wohl restlos überzeugt. Er brachte "Harm's Way" gesanglich auf den Punkt.
Spock's BeardNun ist es so, dass Nick den Titel Frontman ernst nimmt. Ein Schlagzeuger ist in den meisten Fällen nun mal eher und ohne weitere Wertung ein Back - als ein Frontman. Seine Trommelparts übernahm deswegen der gut aufgelegte und überzeugende Jimmy Keegan. Der kleine Blondschopf entpuppte sich als ein Meister seines Faches. Manche Fans kennen ihn vielleicht von seiner Arbeit bei Santana und John Wait. Besonders toll wurde es immer dann, wenn sich auch Nick hinters Kit klemmte. Die beiden Trommler lieferten einen klasse Wumm ab und sich selbst ein heißes Drumduell.
Spock's BeardDas alle Bandmember, einschließlich des Gasttrommlers, durchaus Stimmchen besitzen, brachte "Gibberish" an den Tag. Die schwierigen Gesangsstaffeln bedeuteten natürlich kein Problem für die "Neuen" Spock's Beard. Die Ausflüge ins "Feel Europhia" Album trugen ebenfalls zur hervorragenden Live Performance der Band bei. Schön gefrickelt wurde bei "At The End Of The Day" von "V". Insbesondere Basser Dave Meros schien der Song ganz besonders zu liegen. Frohgelaunt bolzte er den Rhythmus durch die P.A..
Spock's BeardDann ward es Licht! Nämlich als Zugabe! Einige Fans hatten "The Light" schon vorher lautstark gefordert und nach knapp zwei Stunden wurde ihr Flehen erhört. Zum Abschluss kam somit wieder so richtig Feierstimmung auf. Spock's Beard drehten ein letztes Mal voll auf.
Am Sonntag Morgen um 01:15 Uhr endete schließlich der schweißtreibende Gig. Was soll man sagen. Im Publikum jedenfalls gab es nur glückliche Gesichter.
Was uns noch aufgefallen ist:
Die Equipmentkoffer zweier Prog-Rock Bands sind so zahlreich, dass sie hinauf bis zum großen Cola-Schild neben der Bühne gestapelt wurden.
Alan Morse bezieht seine Kleidung offenbar aus der Spock's Beard Fashion Abteilung. Ansonsten wäre das "SB" Emblem auf seinem Hemd kaum erklärlich.
Einmal zog Jimmy Keegan Kollegen Meros energisch zur Seite, damit dieser den Blick auf Nick D'Virgilio bei der Schlagzeugarbeit freigab.
Nick und Ryo gehören zweifellos zur Weltspitze in der Disziplin "Synchron-Schnell-Kopfnicken".
Prog-Rock ist offenbar Unterhaltung für die ganze Familie. Die jüngsten gesichteten Gäste durften wohl so gerade mal wählen, wenn überhaupt.
Natürlich gibt es auch in Frankfurt nette Menschen. Von hier aus einen lieben Gruß an Peter und seine sympathische Begleiterin. Die Beiden haben wegen dieser Show die Reise bis nach Belgien gewagt.
Spock's Beard / Kino - 19.03.2005, Verviers, Belgien, Spirit of 66
Ella 'n' Olli "Wahn" Wirtz, 20.03.2005