Da ich Anfang der siebziger Jahre meine ersten Erfahrungen und Erlebnisse mit der damals angesagten Rock- und Bluesmusik sammelte, hat diese Zeit natürlich eine ganz besondere Bedeutung für mich. Immer wieder erinnere ich mich gern an die Bands aus dieser Epoche zurück. Einen ganz speziellen Eindruck hinterließ dabei die englische Bluesrock Kapelle Steamhammer.
Gerade auf dem Höhepunkt ihrer Karriere waren sie Headliner bei zahlreichen Open Air Festivals in ganz Europa und traten dabei auch mehrmals im 'Langelsheimer Beat Club' auf. Dieser aufregende, dynamische Sound, den Mick Bradley am Schlagzeug, Martin Pugh und Martin Quittenton an den Gitarren, Steve Davy am Bass sowie Kieran White (Gitarre, Harmonika, Gesang) verbreiteten, war einfach nicht zu toppen.
Steamhammer formierten sich Ende 1968. Die Musiker kamen aus der britischen Folkszene bzw. spielten in diversen R & B Bands auf der Insel. Schon Anfang 1969 begleiteten sie Freddy King auf seiner England Tournee und erhielten daraufhin einen Plattenvertrag von 'CBS'. Wie im Fluge verbreitete sich der Bekanntheitsgrad von Steamhammer in ganz Europa, und ihre legendären 2 bis 2,5 Stunden Auftritte wurden zu ihrem Markenzeichen. Steamhammer "zelebrierten wilde Exkursionen voller Improvisationen" (Pressetext). Nachdem Martin Quittenton die Band 1969 verließ und durch Steve Joliffe (Saxophon, Flöte) ersetzt wurde, änderte sich der musikalische Stil der Gruppe. Die traditionellen Bluesformen gerieten etwas in den Hintergrund. Steamhammer entwickelten ihre eigene Musikrichtung ohne irgendwelchen technischen Schnick Schnack.
Nach den Festival Disastern von 'Altamont' und 'Fehmarn' ging die Zeit der großen Open Airs so langsam ihrem vorläufigen Ende entgegen, und auch die Geschichte von Steamhammer näherte sich stetig ihrem Schluss. White und Davy nahmen ihren Hut. Dafür kam Louis Cennamo (ex-Renaissance) für die tiefen Töne. Das Album "Speech" wurde aufgenommen, und... floppte völlig. Der Dampf beim Dampfhammer war endgültig raus. Als dann kurz nach Ende der Studiosessions Mick Bradley an Leukämie verstarb, war das endgültige Aus von Steamhammer besiegelt.
27 Jahre nach dem Split wurde mit "Junior's Wailing" eine Compilation veröffentlicht, die meiner Meinung nach fast nichts zu wünschen übrig lässt. Lediglich "Another Traveling Tune" vom Album "MK II" hätte diesem Silberling noch gut zu Gesicht gestanden, denn dieses über 16 Minuten lange Stück ist ein wahres Meisterwerk der Rockmusik.
Ansonsten ist aber alles Wichtige auf der CD enthalten und man erhält in den 75 Minuten einen hervorragenden Überblick über das musikalische Schaffen von Steamhammer. Klangtechnisch vom ehemaligen Grobschnitt Drummer Eroc auf seiner 'Mastering Ranch' aufgemotzt kommen ausschließlich Songs der ersten drei Alben "Reflection" (1969), "MK II" (1969) und "Mountains" (1971) zum Tragen. Die vierte LP "Speech" (1972) ließ man komplett außen vor.
Gleich am Anfang steht mit "Junior's Wailing" der erfolgreichste Titel der Band. Diese etwas mehr als drei Minuten wurden zum Markenzeichen der Gruppe. Mit seinem sofort ins Ohr gehenden Rhythmus wurde der Song zu einem der Diskothekenrenner der damaligen Zeit und auch mehrmals gecovert (u. a. von Status Quo!). Doch keine andere Version kam an die Qualität des Originals heran.
Es folgt mit dem im 'Londoner Lyceum' mitgeschnittenen Doppeltitel "Riding On The L & N / Hold That Train" die wohl einzige existierende Liveaufnahme von Steamhammer. In dem 16 minütigen Track wird die ganze Intensivität der Gruppe auf der Bühne deutlich. Allein der Übergang zwischen den beiden Songteilen durch einen pulsierenden und immer heftiger werdenden Bassrhytmus ist absolut hörenswert.
Ein weiterer Anspieltipp ist der "Contemporary Chick Con Song". Hier geht es nur nach vorne. Schnörkellos geradeaus. Ein absoluter Ohrwurm voller Dynamik und Kraft.
Und schließlich muß noch "I Wouldn't Have Thought" erwähnt werden. Ein Song zu dem mir eigentlich nichts vergleichbares einfällt. Nach einem kurzen Intro der kompletten Band steht dann nur noch die Leadgitarre von Martin Pugh im Brennpunkt. Und was der für ein Brett herunterschrammelt ist mit Worten einfach nicht zu beschreiben. Dieses 'Gitarrensolo mit Ein- und Ausleitung' (vier der 5,5 Minuten gehören dem Solisten!) ist einmalig.
Mit "Junior's Wailing" ist das Vermächtnis einer Band veröffentlicht worden, die leider nur kurz aber dafür heftig lebte, und dadurch bei vielen Rockmusik Freaks schon fast in Vergessenheit geraten ist. Da es auch nie eine Reunion gab oder geben wird (bedingt durch den Tod von Mick Bradley 1972 und Kieran White 1997) ist es umso wichtiger dieses Stück Musikgeschichte für die Nachwelt zu erhalten. Und das ist voll gelungen!
Spielzeit: 75,08 Minuten, Medium: CD, Repertoire Records, 1999
1:Water Part One 2:Junior's Wailing 3:Riding On The L & N 4:Hold That Train 5:Passing Through 6:Autumn Song 7:When All Your Friends Are Gone 8:Lost You Too 9:Supposed To Be Free 10:Johnny Carl Morton 11:Even The Clock 12:Contemporary Chick Con Song 13:Junior's Wailing Single Version 14:Windmill 15:I Wouldn't Have Thought 16: Mountains
Jürgen Bauerochse, 15.07.2005
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