Frisches Futter für fossile Freunde freakig-flippiger Frickeleien:
Die Stick Men legen mit "Deep" - pünktlich den Jahreszyklus einhaltend - ihr nunmehr viertes Album vor. Der Bandname ist durchaus Programm, denn mit 'Sticks' haben alle drei Beteiligten zu tun: Tony Levin kann man bei allem gebotenen Understatement als den 'König des Chapman Stick' bezeichnen, Pat Mastelotto hat als Drummer von Berufs wegen schon viel mit 'Stöcken' zu tun und Markus Reuter, maßgeblicher Weiterentwickler der so genannten Touch Guitar, verfügt ebenfalls über profunde Kenntnisse des Chapman Sticks. Alle drei sind mehr oder weniger mit King Crimson verbandelt und so ist es alles andere als eine Überraschung, dass ihr gemeinsames Projekt wie eine moderne Variante der Progressive Rock-Legende klingt.
Eingängig ist nichts, aber auch garnix auf "Deep" - völlig müßig, hier auf musikalische 'Leitplanken', sprich: Songstrukturen, zu hoffen. Und so ist die Gefahr allgegenwärtig, dass sich die Hirnwindungen des Hörers zu speckigen Dreadlocks verfilzen. Bei den Musikliebhabern, bei denen sich dieser Aggregatzustand bereits manifestiert hat, wird dagegen ein erfrischender Gebirgsbach inmitten der Ohren plätschern. Demzufolge wird man also "Deep" lieben oder hassen - Zwischenstufen sind nahezu ausgeschlossen!
Vom Renommee betrachtet könnte man das Trio ohne weiteres in die immer wieder gerne bemühte Supergroup-Schublade stecken. Äußerst angenehm fällt allerdings von Beginn an auf, dass die Stick Men auf "Deep" keinerlei Egoismen nachgehen. Beim Aufbau der teilweise schwindelerregenden Soundwände und Klangkaskaden verhält sich das Trio Levin/Mastelotto/Reuter überaus 'mannschaftsdienlich', hört einander zu, geht aufeinander ein und hat dabei stets das Gesamtwerk im Blick. Besonders schön ist dies bei der 'Tiefseeabteilung' von "Deep", "Sepia" und "Whale Watch", zu hören.
Natürlich spielen drei Meister der Progressive-Abteilung kaum einmal 'geradeaus'. Alle Stücke sind massiv verschachtelt, geradezu gespickt mit vertrackten, vielfach gegenläufigen Figuren, kruden Takten, frickeligen Läufen und krummen Rhythmen. Ein jedes gleicht einem Labyrinth, in dem sich der Hörer zu verlieren droht und der Ausgang - sprich: das Ende des Stücks - kommt zumeist recht überraschend. Da ist es regelrecht wohltuend, wenn die Klangcollagen, wie bei "On/Off" und "Sepia", mal etwas übersichtlicher werden.
Stilistisch kann man "Deep" nicht eindeutig verorten - hier wird alles 'verwurstet', was das Progressive-Arsenal so hergibt: Von experimentellem Math Rock über Jazz und Fusion hin zu hart, bisweilen sogar schwermetallisch Rockendem. Wie schon gesagt: King Crimson- oder Brand X-Freunde dürfen blind zugreifen.
"Deep" stellt ein überaus dynamisches und intensives, manchmal aber auch verstörendes Klangerlebnis dar. Auf jeden Fall handelt es sich um 'harte Kost', die nicht mal eben so en passant goutiert werden kann. Mir persönlich sind die Stick Men leider etwas zu akademisch verkopft - ich präferiere da eindeutig die Variante aus der Mitte heraus, quasi die Bauchvariante. Aber wie schon gesagt: Ein Erlebnis ist es allemal!
Line-up:
Tony Levin (chapman stick, voice)
Pat Mastelotto (acoustic and electronic drums, percussion)
Markus Reuter (8- and 10-string touch guitars, live electronics)
Tracklist |
01:Nude Ascending Staircase (5:05)
02:On/Off (3:58)
03:Cusp (4:54)
04:Hide The Trees (6:38)
05:Crack The Sky (5:46)
06:Horatio (4:13)
07:Concussion (4:27)
08:Sepia (8:55)
09:Whale Watch (10:18)
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