Stilbruch / Alles kann passieren
Alles kann passieren Spielzeit: 55:40
Medium: CD
Label: Interfuse, 2013
Stil: Akustikrock/New Classic

Review vom 28.10.2013


Wolfgang Giese
Wenn ich mir die Besetzungsliste anschaue und bemerke, dass neben dem Schlagzeug im Wesentlichen nur noch Cello und Geige aufgeführt sind, fällt mir spontan die finnische Band Apocalyptica ein. Darauf bin ich jetzt erst einmal fixiert. Bleibt das auch so? Klares Nein! Denn obwohl der Sound recht satt durch die Streicher bestimmt wird und das Schlagzeug kräftig schlägt, erscheint nun Gesang, und zwar in deutscher Sprache. Fette Riffs auf den Celli paaren sich mit luftigen Violinenklängen, ein sehr interessantes Klangbild wird geboten, insgesamt wirkt das sehr eigenständig. Oh - und nun noch ein Jugendchor, der ständig den Refrain »Alles kann passieren« als Backgroundgesang wiederholt, bereits im ersten Titel werden ganz besondere Akzente gesetzt, die diese Musik von anderen stark unterscheidet.
Im zweiten Song stört mich (erstmalig) der Einsatz der Schlagzeugs, es hämmert recht hölzern und unflexibel, zu steif wirkt das bei diesem ohnehin etwas mehr mit Hektik belasteten Titel. So wirken die Arrangements einerseits zwar sehr professionell, jedoch beim Gesang und beim Schlagzeug trifft das nicht unbedingt zu. Die Atmosphäre scheint gehetzt und gesanglich ist man bemüht, der Melodie zu folgen, anstatt souverän darüber weg zu singen. Im Verbund wirkt das etwas steif, schön sind natürlich die eingeflochtenen Beiträge mit den Streichern, ähnlich wie es Nigel Kennedy auf der Platte "Music In Colours" von Stephen Duffy vorgemacht hat.
Sehr schön wirkt hingegen die Ballade "Glücklich", doch auch hier könnte es gesanglich melodischer, harmonischer und einfühlsamer sein, gerade bei dieser und bei anderen Balladen oder balladenhaften Momenten grundsätzlich. Die Band aus Dresden nennt ihre Musik Akustikrock. Alle drei sind Absolventen der Dresdner Hochschule für Musik und haben insofern den notwendigen professionellen Background. In technischer Hinsicht sind also alle Voraussetzungen für Arrangements und perfekte Instrumentierung gegeben. Dieses hohe musikalische Niveau zeichnet die Musik aus und der Wandel ehemaliger Straßenmusiker zu studioerprobten Cracks wird dergestalt dokumentiert, als dass sich die Spontaneität und Frische der Straße mit dem Gestaltungsspielraum eines Studios paaren.
So hat die lange Zeit seit dem Studienbeginn des Bandleaders Sebastian Maul im Jahre 2004 bis jetzt - einschließlich einigen Wechseln der Bandmitglieder - bereits einige Eckpfeiler aufzuweisen, sei es die Teilnahme an der Pro7-Show "Germany's Next Showstars" im Jahre 2009 oder auch Auftritte auf größeren Bühnen als in Fußgängerzonen. Diese neue Platte hat sich mit dem neuen Trend des Crowdfunding finanziert und so konnte man sicher gehen, die Ideen im Studio auch professionell umsetzen zu können.
Meine Kritikpunkte bleiben nach Durchlauf der Platte die gleichen. Einerseits bin ich mit der gesanglichen Darbietung nicht durchgehend zufrieden. Sowohl gesangstechnisch als auch emotional wirkt sie weniger professionell als die instrumentale erstklassige Gestaltung. Andererseits wünschte ich mir den Einsatz des Schlagzeugs flexibler, weicher und swingender. Mir klingt das zu trocken, nur in einigen und bewusst rockenden Momenten passt es, aber das ist mir zu wenig. Im Verlauf der Platte kristallisieren sich - gerade, wenn man mehrmals hört - einige Songs mit Ohrwurmcharakter heraus. Als Fazit bleibt mir, der Band zum Gesamtergebnis zu gratulieren. Man hat es durchaus vollbracht, eine neue Tür in der deutschsprachigen Musik aufzustoßen. Dieser Sound ist ein eigener und ich würde mich freuen, ginge man diesen Weg konsequent weiter.
Das sehr sorgfältig gestaltete Booklet im Pappdesign beinhaltet ein Booklet mit allen Texten und stellt insofern genau das Gegenteil eines Stilbruchs dar, ist es doch äußerst stilvoll geworden.
Line-up:
Sebastian Maul (Cello, Gesang)
Friedemann Hasse (Violine)
Gunnar Nilsson (Schlagzeug)
Florian Mayer (1.Violine)
Götz Bergmann (2.Violine)
Filip Sommer (Viola)
Laura Härtel (Cello)
Nathaniel Wendt (Gitarre, Gesang)
Tom Götze (Kontrabass, Bassgitarre)
Alma Stolte (Cello)
Dörthe Braun (Harfe)
Simon Rothe (Fagott)
Matthias Vogel (Cembalo)
Gemeinsamer Jugendchor von Werner-Siemens-Gymnasium, Großenhain,
Ev.-Luth. Kirchgemeinde Reinersdorf und Mittelschule Ebersbach,
Leitung: Stefan Jänke
Tracklist
01:Alles kann passieren [Maul/Maul/Hasse]
02:Zeig mir die Nacht [Maul]
03:Glücklich [Maul]
04:Was anderes [Maul/Maul/Hasse]
05:Nichts bleibt [Maul,Wendt/Maul]
06:Keine Macht [Maul,Wendt/Maul,Hasse]
07:Rot [Maul]
08:Alles oder Nichts [Maul,Wendt]
09:Stummer Schrei [Maul/Nilsson,Maul]
10:So gut [Maul/Maul/Hasse]
11:Nur ein Leben [Maul/Maul,Wendt]
12:Du schweigst [Maul/Maul/Hasse]
13:Wie ein Feuer [Maul]
14:Mon Parnasse [Maul]
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