Stillwater / Same
Same Spielzeit: 40:16
Medium: LP
Label: Capricorn Records, 1977
Stil: Southern Rock


Review vom 15.02.2010


Steve Braun
Wenn mich jemand nach der unterbewertesten Band der Heydays des Southern Rock in den 1970er Jahren fragen würde, käme mir als erstes Stillwater in den Sinn. Dieses Septett wird nur gerne einfach vergessen, was daran liegen mag, dass die Band erst in Erscheinung trat, als der Southern Rock bereits in der Agonie lag. Das hier vorliegende Debütalbum von 1977 ist eine versteckte Sternstunde des Southern Rock.
Zwei 'Hotspots' des Southern Rock gab es in den 1970er Jahren: Einmal das legendäre Capricorn Recording Studio in Macon, Georgia, zu dem nun wirklich keine erklärenden Worte mehr notwendig sind, und dessen nicht minder legendenumwobener Chef Paul Hornsby. Der Gegenpol war Rodney Mills' und Bobby Buies Doraville Studio One in Atlanta, Georgia, in dem Bands wie Lynyrd Skynyrd, die Atlanta Rhythm Section oder eben Stillwater aufnahmen.
Stillwater klangen nie so dreckig-speckig wie Skynyrd und Blackfoot, sondern eher AOR-orientiert wie die Atlanta Rhythm Section oder die 'Platzpatronen' von .38 Special, wohl mit ein Grund, warum sie von der beinharten Fanfraktion so gerne übersehen werden. Man muss einfach berücksichtigen, dass selbst die Branchenriesen wie Skynyrd oder die ABB unter den Druck von immer unrealistischer werdenden, erwarteten Verkaufszahlen gerieten. Für Newcomer wie Stillwater galt das natürlich im Besonderen, zumal obendrein Capricorn Recordings in finanzielle Turbulenzen geriet. Der Bankrott dieses Glücksfalls für den Southern Rock nahm der Band alle Aussicht auf den in greifbarer Nähe liegenden Durchbruch, den man sich durch fleißiges Touren mit der
Charlie Daniels Band und Wet Willie sowie dem #38-Hit "Mind Bender" (1978) erarbeitet hatte. 1982 gab man entnervt auf - ein Comebackversuch Mitte der 1990er Jahre, der allerdings mit klassischem Southern Rock wenig zu tun hatte, scheiterte gnadenlos. Keines der drei Alben Stillwaters wurden bis dato auf CD veröffentlicht, allerdings sollte eine Suche nach legalen Downloads im Internet von Erfolg gekrönt sein.
Stillwaters Debüt startet mit einem formidablen Rocker: "Rock'n'Roll Loser", der durch den schönen Satzgesang besticht. An den souligen, 'funky' Sound Wet Willies erinnert "Out On A Limb", das durchaus Hitpotenzial aufweist. Coole Bar-Atmosphäre vermittelt der "Sunshine Blues": ein klimperndes Piano, Slide- und Gitarrensoli, hübsche Breaks und das alles in knackige dreieinhalb Minuten verpackt - Respekt. Die Übernummer ist ganz klar "Sam's Jam" und das nicht nur wegen der kurzweiligen zehn Minuten. Hier zahlen sich das Three-Guitar-Lineup ebenso aus wie der Umstand, dass die Band über mehrere Sänger verfügt. Der Hauptsänger Jimmy Hall ist übrigens nicht mit der Wet Willie-Southern-Ikone verwandt oder verschwägert, geschweige denn identisch. Die Gitarren 'kochen' über einem irren Groove und die Double-Leads perlen satt. "Sam's Jam" erinnert an die allerbesten Nummern von SR-Godfather Charlie Daniels.
"Mind Bender" konnte mit einer ordentlichen Platzierung in den Billboard-Charts die Hoffnung auf einen großen Durchbruch wecken. Bandgründer Mike Causey setzt hierbei auf die seinerzeit populäre Voice-Box im Stil eines Peter Frampton - ein kompakter, äußerst ansprechender Song. Ebenfalls sehr unterhaltsam ist "Universal Fool" arrangiert worden, allerdings gibt hier eher AOR im Stil von Journey & Co. die Richtung vor. Die akustische Ballade "April Love" ist fast kitschig schön zu nennen. Das kräftig pumpende "Fantasy Park" verfügt über einen irren Zug und gehört ganz klar zu den stärksten Nummern der Scheibe.
Abschließend darf festgestellt werden, dass die damalige LP mit gut vierzig Minuten Spielzeit sehr ordentlich gefüllt war, was seinerzeit nicht gerade selbstverständlich war.
Was blieb von Stillwater? Nach dem Comebackversuch 1996 spielte man noch vereinzelte Shows im heimischen Georgia u.a. im Whiskey River Club in Macon, Georgia, allerdings ohne Sänger Jimmy Hall. Dieser war durch Sebie Lacey ersetzt worden, für den nun David Heck trommelte. Der arme Bob Spearman starb vor ein paar Jahren an Krebs.
Mike Causey genehmigte übrigens die Namensrechte im Jahr 2000 für James Camerons Film "Almost Famous". Die dargestellte, aufstrebende Band hatte allerdings nichts mit den Original-Stillwater zu tun [vgl. Knippschild, Michael: Southern Rock: Bands und Fakten, Books on Demand 2002, S. 134].
Line-up:
Jimmy Hall (lead vocals)
Michael Causey (guitar)
Rob Roy Walker (guitar)
Bobby Golden (guitar, back vocals)
Bob Spearman (keyboards, back vocals)
Allison Scarborough (bass, back vocals)
Sebie Lacey (lead vocals, drums, percussions)
Tracklist
01:Rock'n'Roll Loser (4:12)
02:Out On A Limb (3:55)
03:Sunshine Blues (3:35)
04:Sam's Jam (9:39)
05:Mind Bender (4:12)
06:Universal Fool (6:57)
07:April Love (4:06)
08:Fantasy Park (4:07)