Stoppok / Bla Bla Nonstop
Es ist der einzigartige Charme, wie ihn wohl nur die Spezies Ruhrpottler besitzt, mit dem er Sachverhalten, die für viele das Maß der Ding, ja sogar oft Bestandteil unzähliger (meist unerfüllter) Träume sind, auf humorvoll bissige Weise, auch da noch das Negative abgewinnen kann. So beklagt sich Stefan Stoppok auf seinem neuen Silberling "Bla-Bla Nonstop" beim Song "Lotto Gewonn'n" über die plötzlich unerträglichen Qualen eines gerade neureich gewordenen.
Da kann man auf einmal nicht mehr über das verregnete Wetter oder den niedrigen Kontostand meckern, da wird einem Angst und Bange beim Blick auf die Speisekarte des Nobelrestaurants, weil die Alte zu Hause nicht mehr kochen will, da muss man in die Oper, wo man doch eigentlich viel lieber Kegeln gehen würde. Oder man liegt fettig eingeölt in der Bullenhitze am Strand von Accapulco, wo es doch im Sauerland auch immer ganz nett war. Vorgetragen mit frecher Stimme gegen anmutig klingende Töne mit karibischem Hulahula-Flair. Köstlich!
Und so erzählt der oft als Ruhrpottbarde bezeichnete, in Essen lebende, aber gebürtige Hamburger, die kleinen, oftmals skurrilen Anekdötchen des Alltags von Leuten wie Du und ich, mit all ihren Neigungen, Schwächen und Gewohnheiten. Da ist der Mensch, der sein Trinchen gerne vierteilen würde, aber, weil er eigentlich kein Blut sehen kann, sich für die Variante des Badengehens mit einem Betonklotz an den Füßen entscheidet. Natürlich alles nur aus Liebe. Ganz "normal pervers" eben.
Höhepunkt des Albums, auch in musikalischer Hinsicht, für mich eine Honky-Tonk-Gute-Laune-Nummer, bei der live sicherlich so richtig abgefeiert wird, weil die Titelzeile des Refrains zum Mitgrölen prädestiniert ist. Der Text ist auch zum Piepen:
Ein Typ trifft sich mit seiner durstigen Clique in der Stammkneipe und ausgerechnet die schicke Zicke Janine, mit ihrem Wodka-Red-Bull-Splin, setzt sich neben ihn. Als sie eine Aspirin und Streichhölzer verlangt, rennt er den Feuerlöscher holen und Freddy bestellt noch schnell ne Runde, bevor da eventuell die ganze Bude abfackelt. Sein Kumpel Werner geht zum Reihern nach draußen und legt sich zum Pennen auf die Bahngleise.
Am Ende stellt sich raus, der Gute ist am Tresen eingepennt und hat das Ganze wohl nur geträumt. Oh, wat 'ne Nacht!
Nett anzuhören sind die für etwas mehr Wärme und Menschlichkeit plädierenden Balladen wie Dein Glück, Annabell oder Flügel. Gut gefallen mir die meist sparsam eingesetzten weiblichen Backgrounds als Gegenparts.
Klasse auch Stoppoks Blick in den Spiegel mit einem Schuss Selbstironie. Bei Der Dichter nimmt er sich und seine Zunft ein wenig aufs Korn, funkig garniert mit tollem Banjo- und E-Gitarrenspiel. Witzig auch die Wahl des Titels für das einzige Instrumentalstück: "Bla-Bla Nonstop".
Alles in allem eine CD, die eine wirkliche Bereicherung für die deutsche Rockmusik dieser Tage und eine angenehme Alternative zu den mittlerweile angepassten Großverdienern des Genres darstellt.
Und so kann man eigentlich froh sein, dass man nicht unbedingt den Jackpot knacken muss, um sich dieses nette Werk von Stefan Stoppok kaufen und den einen oder anderen Gig seiner demnächst anstehenden Tour mitnehmen zu können.
Also, scheiß wat auf'n Lottogewinn!
Spielzeit: 51:04, Medium: CD, La-La-Land, Grund Sound, 2003
1. Normal Pervers 2. Dein Glück 3. Sei Nicht Sauer 4. Frisch Renoviert 5. Sexy Spass & Sparen 6. Jackpot 7. Annabell 8. Der Dichter 9. Bla-Bla Nonstop 10. Was Bleibt Ist Weg 11. Flügel 12. Wat 'Ne Nacht 13. Lotto Gewonn'n 14. Scheisse Am Schuh (Bonustrack)
Daniel Daus, 3.8.2003