Nach der Veröffentlichung des Stream Of Passion-Erstlings Embrace The Storm im vergangenen Herbst und der Bühnenumsetzung bei einer kleinen Europa-Tour Anfang 2006 war es nur eine Frage der Zeit, dieses wahrlich einmalige Ereignis auch audiovisuell unters musikbesessene Volk zu bringen.
Und diese Konzerte von Arjen Lucassens neuem Bandprojekt hatten es sprichwörtlich in sich.
Der niederländische Multiinstrumentalist und musikalische Schöpfer verschiedener, prominent besetzter Projekte ( Star One, Ayreon), beweist einfach immer sein goldenes Händchen dafür, verschiedene Musikercharaktere und Nationalitäten zu einem kreativen Output zu animieren.
Schon im Studio hatte er seine Mitstreiter aus Mexiko, Niederlande und Schweden, trotz
räumlicher Trennung, miteinander harmonieren lassen.
So konnte man das "Embrace The Storm"-Album als recht erfolgreichen Output dieser Konstellation betrachten, die bei den alten Fans wie auch in der Gothic-Ecke punkten konnte.
Dass Soundtüftler Arjen Lucassen nichts dem Zufall überlässt, wissen seine Jünger, zumal er seinen krampfhaften Perfektionismus auch auf der Konzertbühne reichlich auslebt.
So ist gar nicht verwunderlich, dass der in Bild und Ton konservierte Auftritt im niederländischen Rijssen an einem Februar dieses Jahres durch musikalisches Können, Spielfreude und gestyltes Ambiente überzeugen kann.
Auch wenn der teilweise penetrante Gothic-Habitus und die Arjen-typischen Brachial-Riffs sich auffällig massentauglich anbiedern, machen die Protagonisten in der Beherrschung der Instrumente einschließlich beider bezaubernd singenden Schwestern, einiges wieder wett.
Allein die Tatsache, was Leadsängerin Marcela mit ihrer betörenden Stimme erzeugt, legitimiert den Kauf von "Live In The Real World".
Auch die mehrstimmigen Gesangsparts des Albums gehen live nicht verloren, wofür
Marcela Bovios talentierte jüngere Schwester Diana mit Hingabe sorgt.
Die gekonnt aufbereitete Mischung aus Gothic-Rock, progressiv-metallisch angehauchten
Abrockpassagen, atmosphärischen Einschüben, im Kontext mit einer gehörigen Portion Bombast, trafen ganz offensichtlich den Nerv des niederländischen Publikums.
Eine besondere Note erhält das Ganze, wenn Marcela vereinzelt zur Violine greift, um einen klassischen Kontrast zum gitarrenlastigen Sound abzugeben.
Meister Lucassen drängt sich beachtlicherweise mit seinem Gilmour'schen Saitenspiel nicht in den Vordergrund, sondern teilt sich die Arbeit mit dem neuen Stern am Gitarrenhimmel, Lori Linstruth, die ebenso schwedisch blond, wie auch technisch und optisch versiert agiert.
Hätte sich Eddie Van Halen jemals einer Geschlechtsumwandlung unterzogen, so wäre Frau Linstruth dabei herausgekommen.
Unterstützt wird die wuchtige Bühnenmaschinerie durch Schlagzeuger Davy Mickers, dem knackigen Bass von Johan van Stratum und die filigranen Pianolinien des Alejandro Millan.
So umfasst die Konzertaufzeichnung die sieben Songs aus dem Studioalbum, vom brachialen
Rocker "Passion" über die fragile, spanisch gesungene Ballade "Nostalgia" bis hin zur
mainstreamigen Singleauskopplung "Out In The Real World".
Besondere Leckerbissen bietet ein nachhaltiger Diskurs durch die Historie von Ayreon und Star One, welche durch den Gastauftritt von ex- Threshold-Sänger Damian Wilson noch verstärkt werden.
So verbündelt sich der Stream Of Passion-Song "Deceiver" nahtlos mit dem Publikumsliebling "Songs Of The Ocean" vom Star One-Album. Mit "Valley Of The Queens" aus "Into The Electric Castle" gibt Marcela Bovio auch jenes Stück zum Besten, mit dem sie Lucassen einst dazu bewegte, ein ganzes Studiowerk mit ihr aufzunehmen.
Zum krönenden Abschluss gibt es dann noch eine amtliche Zugabe aus "Into The Black Hole", dem Led Zeppelin-Cover "When The Levee Breaks" und "Day Eleven: Love", als Duett zwischen den beiden Hauptprotagonisten Lucassen und Marcela Bovio.
Auch wenn das konzertante Gesamtkonzept zeitweise etwas langatmig daherkommt bzw. die
unfreiwillig komische Bühnengestik etwas aufgesetzt wirkt, ist diese DVD zu den besseren
Veröffentlichungen zu zählen, und für Lucassen-Anhänger als Evangelium zu empfehlen.
Als Extras gibt es neben einem etwa 15-minütigen 'Hinter den Kulissen'-Filmchen noch den
gelungenen Video-Clip zu "Out In The Real World" mit einem kleinen "Making Of" sowie eine Fotogalerie und ein Tourtagebuch zu durchstöbern.
Die DVD ist Region Code 0, Pal und in englischer Sprache gehalten. Der druckvolle und transparente Ton kann in Dolby Digital 2.0, 5.1 Surround und DVD 9 abgespielt werden.
Der Auftritt und das Video wurden in 16:9 aufgezeichnet, sonstige Extras sind im üblichen 4:3 Format.
Unser Dank geht an den Fotografen Andreas Tittmann ( Kontur Design), der uns Bilder vom Konzert der Band im Bergkeller Reichenbach am 4. Februar 2006 zur Verfügung stellte, die ihr hier bewundern könnt.
Spielzeit 153:00, Medium: DVD, InsideOut Music/SPV, 2006, Prog Rock
1:Intro 2:Spellbound 3:Passion 4:Waracle 5:Wherever You Are 6:ComputerEyes 7:Calliopeia 8:Valley Of The Queens 9:Haunted 10.The Charm Of The Seer 11:Deceiver/Songs Of The Ocean 12:Day One:Vigil 13:Day Three:Pain 14:Nostalgia 15:Out In The World 16:The Castle Hall 17:Into The Black Hole 18:When The Levee Breaks 19:Day Eleven:Love
Ingolf Schmock, 25.07.2006
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