Oh je, oh je, auf was habe ich mich hier nur eingelassen?
Sweet Addiction, the next big thing in Sachen Rotz-Rock aus dem Lande der Elche, Braunbären (pah, gibt's auch in Bayern), Seen und Mücken (sollen auch bei uns durchaus mal gesichtet worden sein), hämmern uns und mir mit ihrem Longplay-Debüt "Class And Dignity" eine gewaltige Ladung Rock 'n' Roll um die Ohren und der zartbesaitete RockTimes-Redakteur sucht inmitten des punkigen High-Energy-Infernos hilflos nach der nächsten Flasche Bier. Au backe, hier geht wirklich die Post ab.
Seit knapp 10 Jahren existiert dieses explosive Quartett aus Göteborg, aber nach zwei EP's und einer selbst produzierten CD-R liegt nunmehr der in Schweden bereits letztes Jahr erschienene Erstling auch in Deutschland über 'Alleycat Records' vor, zumindest via Mailorder.
Uns erwartet von den vier Freunden von Kindestagen an die volle Dröhnung ohne Kompromisse, alles scheint auf Anschlag gedreht zu sein und kracht und brummt mit einem wunderbar livehaftigen Sound aus den Speakern. Wie heißt es doch so schön: "Wir sitzen in der ersten Reihe und Du bist dabei!".
Sitzen? Ein Brüller, denn wer hier nicht gewaltig in Wallung kommt, sollte dringend seine lebenswichtigen Organe überprüfen lassen!
Allerdings dürfen wir keinerlei Innovationen erwarten und für den Genre-Nicht-Experten erschließt sich auch mitnichten irgendeine signifikante Individualität, dafür dürften aber jedem Ex- Hellacopters-Fan, dem seine ehemaligen Helden mittlerweile zu glatt gebügelt erscheinen, die Tränen der Freude in die Augen schießen. Auch die Freunde der ebenfalls landsmännischen Backyard Babies oder der neuseeländischen The Datsuns müssten voll auf ihre Kosten kommen. Um mal nur einige wenige Referenzen zu nennen.
Zusätzlich sollten auch Hardrock-Freunde mit Motörhead-Affinität ein strapaziertes Ohr riskieren. Die Band drückt durchgehend aufs Tempo, es wird gerne mehr geschrieen und gerotzt denn gesungen, und findet letzteres doch statt, dann mit einem heiseren und für die jungen Jahre des Vokalisten bereits erstaunlich kaputtem Timbre. Für die Kilmister-Anhänger bieten sich vor allem "Dr. J. Y. Girls", "Lick Your Poison" und "Going Out In Style" an.
Meine persönlichen Highlights sind dagegen "Give Me Some Death" mit memorabler Refrainmelodieführung, geilem groovigen Bass, klasse 2-Gitarren-Sturm, gutem Arrangement und einem Farbtupfer in Form eines aggressiven Saxofons und "The Boys Are Back", fast eine High-Energy-Rock 'n' Roll - Hymne mit weiblichem Background-Druck und jede Menge Spektakel. Das Ganze dürfte live höllisch abgehen und für manches Gemoshe sorgen.
Ist das hochenergetische Spiel der Band das Salz in der Suppe, bei "The Sick Kids Have Grown Up" noch durch Pianoklänge und einer Harp zusätzlich gewürzt, so ist die fehlende Variierung des Tempos über das ganze Album hinweg und die Abstinenz jeglicher Breaks oder Soli (mit wenigen Ausnahmen, wo Soli kurz und knackig gespielt werden) das Haar in selbiger, was einem das Ergebnis dieser Rock 'n' Roll - Dröhnung etwas eintönig und austauschbar erscheinen lässt.
Aber da kaum ein Song auch nur die Dreiminutengrenze kratzt, ist das Vergnügen bereits nach einer halben Stunde vorbei und die Gehörgänge können sich nach ihrer gründlichen Reinigung erstmal erholen. Danach folgt der erschöpfte Gang zum Kühlschrank und wenn Stimmung und Kondition passen der Druck auf die Repeat-Taste.
Fazit:
Wir haben es hier mit einem weiteren skandinavischen (Punk) Rotz-Rock ('n' Roll) - Sturm zu tun, engagiert, kraftvoll und mit Drive vorgetragen, verpackt in einem feinen Digi-Pack, nur leider mit wenig Informationsgehalt. Doch wer mag angesichts dieser steifen Brise schon noch lesen? Genau, eine rein rhetorische Frage!
Spielzeit: 31:11, Medium: CD, Alleycat Records, 2006
01:Sound Of The Revolution 02:Lord Of Flies 03:Dr. J. Y. Girls 04:Give Me Some Death 05:Spiritual Negro 06:Lick Your Poison 07:Miss Demeanor 08:The Boys Are Back 09:The Sick Kids Have Grown Up 10:Today We Kill, Tomorrow We Die 11:Going Out In Style
Olaf "Olli" Oetken, 28.05.2006
|