Sylvan / Posthumous Silence
Posthumous Silence
Diese Platte erinnert mich gerade zu Beginn an Riversides Out Of Myself, mit dem Unterschied, dass die Band Sylvan bereits ihr 5. Album auf den Markt bringt, während es sich bei Riverside noch um ein offizielles Debüt-Album handelte. Die Frage ist hier auch keineswegs, wer da möglicherweise wen kopiert hat, sondern es spiegelt so ein bisschen diesen in der Progressive-Szene wiederkehrenden Begriff des 'New Art Rocks' wieder. Ganz egal, welche Schublade man nun aufmacht, es ist Fakt, dass Sylvan einen eigenen Stil spielen, wenn auch von verschiedenen großen Vorbildern zusammengesetzt.
Sylvan existieren unter diesem Namen seit 1997 und resultieren aus der Band Chamäleon. Die Hamburger spielten erst 2005 auch im Vorprogramm von Marillion und sind dieses Jahr beim 'Eclipsed-Festival' im 'Colos Saal' in Aschaffenburg mit von der Partie.
"Posthumous Silence" ist erstmals ein Konzeptalbum und der Nachfolger des im Jahr 2004 erschienenen Albums "X-Rayed" und es ist eine tolle Scheibe geworden. Nachdem ja auch Ricochet aus Hamburg kommen und im letzten Jahr ein fantastisches Album bei 'Progrockrecords' veröffentlicht haben, entwickelt sich das 'Tor zur Welt' zu einem echten Schwerpunkt professioneller Prog-Bands. Ich bin mal gespannt, was da noch folgt.
Wer auf viel Melodie, sanfte Synthies, harte Gitarrenriffs und leichte psychedelische Klänge steht, dem sollte "Posthumous Silence" sehr gut gefallen. Vor allen Dingen die ruhigen Zwischenparts vermitteln sehr viel Atmosphäre, und so ist diese Platte für mich keineswegs dazu gedacht, im Hintergrund ein bisschen mitzulaufen. Nein, "Posthumous Silence" sollte man ganz bewusst hören, insbesondere auch, weil es sich um ein Konzeptalbum handelt. Und dieses Konzept erscheint mir stimmig, die Verkettung der einzelnen Songs geht sehr solide ineinander über und so macht es richtig Spaß, der ganzen Scheibe in einem Stück zu folgen.
Der Rundling ist in 5 'Chapter' aufgeteilt, die jeweils mit einem ein- bis dreiminütigem Intro eingeleitet werden. Die mit Spannung aufgebaute Atmosphäre wird schon bei "Bequest Of Tears" durch schöne Piano-Klänge abgelöst, bevor sich dann der passende Gesang von Marco Glühmann dazu gesellt. Da wird es sicherlich wieder den Einen oder Anderen geben, der meint, dass dies wieder zu viel progressiver Kitsch ist.
Das sehe ich allerdings ganz anders. Es ist nicht leicht, gekonnt die Spannung so aufzubauen, dass der Hörer wirklich zunehmend die Ohren spitzt, um zu erfahren, wie es denn nun weiter geht. Wenn das gesamte Klanggebilde dann in einen richtig treibenden Rock übergeht, wenn sich die Riffs der Gitarre überschlagen und einen Moment später wieder ganz dezent eingesetzt werden, dann sind wir hier in einem zuckersüßen Bereich, der durchaus mehr als akzeptabel ist.
Gerade durch die Vielzahl an Ideen innerhalb der einzelnen Songs und den teilweise drastischen Soundveränderungen, kann man diese Platte keineswegs ausschließlich in die Neo-Prog.-Schiene packen, obwohl Liebhaber dieses Genres sicherlich ihre Freude mit diesem Silberling haben werden. Das Schöne dabei ist, dass die Songstrukturen überschaubar bleiben und sich keiner der Musiker in einem schier endlosen Gefrickel verliert.
"Pane Of Truth"…ja das ist so ein Beweis, dass einen die Platte auch vom 'Feeling' her fesseln kann. Ruhige und gefühlvolle Rockrhythmen und ein anklagender Gesang, verfeinert mit klaren Sologitarren, die dann dafür sorgen, dass der Song mit über 9 Minuten keineswegs zu lang ausfällt.
Zur Mitte des Albums hin wird es dann etwas verquerer. Macht aber nichts, man findet immer wieder zurück zu nachvollziehbaren Pfaden. Und der Refrain in "Answer To Life" ist sogar leicht mainstreamig. Also es dürfte klar sein, dass den Hörer hier eine Menge Facetten erreichen, einzig die Retro-Prog.-Fraktion dürfte nicht vollends überzeugt werden.
In "The Last Embrace" wird es dann auch mal richtig heavy, was allerdings über das Album gesehen eher die Ausnahme ist. Die Steigerung der musikalischen Härte dürfte sich aus der Story ergeben. Und so wird es bei "A Kind Of Eden" dann wieder ruhig und sanft und die Platte findet auch wieder zu ihrem Anfang zurück. Denn mit dem Titelsong "Posthumous Silence" werden die Anfangsmelodien gespielt, die einen dazu auffordern, dass Album von Neuem abzuspielen. Um das gesamte Werk zu erfassen sind sicherlich mehrere Umläufe erforderlich.
Die Produktion ist sehr gut und hat einen klasse Sound. Na dann bleibt mal zu hoffen, dass Sylvan auch über die Grenzen erfolgreich sein werden. Vorstellen kann ich es mir auf alle Fälle sehr gut. Und ich habe gehört, dass Sylvan noch in diesem Jahr ein weiteres Album veröffentlichen wollen, welches allerdings deutlich kürzere Songs beinhalten und kein bestimmtes Konzept verfolgen soll. Ich bin gespannt!
Line Up:
Vocals: Marco Glühmann
Drums: Matthias Harder
Bassguitars: Sebastian Harnack
Guitars: Kay Söhl
Keyboards: Volker Söhl


Spielzeit: 70:09, Medium: CD, Progrockrecords, 2006
1:Eternity Ends (2:03) 2:Bequest Of Tears (3:19) 3:In Chains (8:38) 4:Bitter Symphony (1:20) 5:Pane Of Truth (9:06) 6:No Earthly Reason (1:57) 7:Forgotten Virtue (6:43) 8:The Colors Changed (5:58) 9:A Sad Sympathy (1:42) 10:Questions (6:59) 11:Answer To Life (5:56) 12:Message From The Past (3:00) 13:The Last Embrace (3:27) 14:A Kind Of Eden (4:55) 15:Posthumous Silence (4:59)
Ralf 'Jogi' Ruhenstroth, 01.05.2006