"Der Perverse ist wieder da!", ließ Larry Flint angeblich durchsagen, als er nach langer Abwesenheit mal wieder das Hauptquartier seines Verlags betrat, in dem monatlich der moderne Atlas für weibliche Anatomie, bekannt als 'Hustler- Magazin', erscheint.
"Der Durchgeknallte ist wieder da!", möchte man in Analogie dazu rufen, wenn Devin Townsend samt Band eine neue Platte heraus bringt. Aber man ruft es respektvoll, denn in diesem Kontext ist es als Kompliment zu verstehen. 'Detonatio Intermedium' ist vielleicht genau der richtige Begriff für den Meister und seine Geniestreiche.
"Synchestra" hört sich doch schon nach einem Kunstbegriff an. "Syn" als Bestandteil eines Wortes wie Synergie, Syntron, Synthese, Synchron oder Synkope? "Chestra" hingegen könnte Orchestra entliehen sein. Aber wer weiß das schon, außer den Mitglieder der Devin Townsend Band natürlich, und wen sollte das sonst noch interessieren?
Genau, kümmern wir uns lieber um die Musik. Devin Townsend hat seinen eigenen Stil und man erkennt seine Werke an dem speziellen Sound. Er hat eine eigene Art zu komponieren und zu arrangieren. Die unverhofften Lagenwechsel sind ein Beispiel dafür. Natürlich mischt er wie ein Wahnsinniger die verschiedensten Musikrichtungen durcheinander, aber einiges bleibt immer gewährleistet: Die atemberaubende Intensität, die überschäumende Energie, die entfesselten Emotionen und die brachiale Vehemenz der Arrangements. Wie beiläufig verfällt Ryan Van Poederooven in lässiges Double-Bass-Gebolze. Devin selbst singt zeitweise wie ein junger Gott, nur um plötzlich einen overkilligen, Mark und Bein erschütternden Bölk loszulassen.
Ganz sicher wäre es nicht der original Devin Townsend, wenn nach einem aus der Sonne kommenden Break keine Country-Blues Passage Verwirrung stiften würde, wie bei "Triumph".
Es gibt aber auch so was ähnliches wie Walzerrhythmik und zwar beim "Babysong", aber immer irgendwie verfremdet und gehörig Unruhe verbreitend.
Auch an die Königsdisziplin der schrägen Unterhaltungsmusik wagt sich die Devin Townsend Band heran. Der Song "Vampolka" ist tatsächlich eine und ganze 1:36 Minuten lang, was für etliche Musikfans sicher mehr als genug ist. Die gute aber doch pathogene Stimmung wird ohne Abstriche zu "Vampira" hinübergerettet.
"Synchestra" beginnt erschreckend unelektrisch. Mit der Akustikgitarre als Begleitung sorgt Townsend für depressive Singer/Songwriter-Atmosphäre. Die Keyboards weben dazu einen gutturalen Klangteppich und in Verbindung mit den demütig klingenden Backingvocals gewinnt das Ganze drastisch an Dramatik. Schon dieser kurze Song ist einer der Höhepunkte der CD, es folgen im Anschluss aber gleich noch zwei weitere Geniestreiche. Das Feeling wird zu Beginn von "Hypergeek" beibehalten, bis der Song in etwas kippt, was es letztmalig mit dieser Virulenz wohl nur noch als Bestandteil der "Black Metal Symphonie In Deep C" von Waltari zu überleben galt.
Der absolute Renner des Albums ist und bleibt das schon erwähnte "Triumph". Devin singt unglaublich gut und mit betörenden Melodielinien, die Gitarren-Feed-Backs killen und der Mitreißeffekt des Songs ist geradezu klassisch.
Tja, aber als was kann man das Ganze nun bezeichnen? Als 'High Energie Metal Operette'? Oder als 'Fusioniertes Brachial -Sound Konzeptalbum'? Egal, jeder wird sich seine eigene Bezeichnung basteln, denn jeder wird andere Muster identifizieren.
Acht verstörte, durchgeknallte, synthetische, überdrehte und orchestrale RockTimes-Uhren für "Synchestra"! Und zurecht!
Eines steht für mich zumindest mal so felsenfest wie der obligatorische Fels mit dem Branding:
Devin Townsend is sich de Larry Flint vonne Musik! Konkret Alter - was geht?
Spielzeit: 65:27, Medium: CD, InsideOut Music, 2006
1:Let It Roll 2:Hypergeek 3:Triumph 4:Babysong 5:Vampolka 6:Vampira 7:Mental Tan 8:Gaia
9:Pixillate 10:Judgement 11:A Simple Lullaby 12:Sunset 13:Notes From Africa
Olli "Wahn" Wirtz, 24.01.2006
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