Pete Townshend / Empty Glass
Empty Glass
Wie auch bei "Who Came First" waren die Songs von "Empty Glass" eigentlich gar nicht für ein Solo-Album geplant gewesen. Vielmehr war es so, dass The Who immer noch dabei waren zu versuchen, den Tod von Keith Moon zu verkraften, Townshend als Workaholic etwa so viele Songs in der Schublade schlummern hatte, wie es Fliegen gibt und er dann auch noch ein Angebot für einen Solo-Vertrag bekam, das auszuschlagen (finanziell gesehen) einer Geistes-Schwachheit gleichgekommen wäre.
Oft wird "Empty Glass" als Townshends erstes richtiges Solo-Album bezeichnet, hatte er doch bei "Who Came First" des öfteren anderen Leuten das Feld überlassen oder sich auch mal an Songs bei seinem (damals noch unveröffentlichten) "Lifehouse-Projekt" bedient, die davor bereits von seiner Hauptband vertont worden waren.
"Rough Boys", seinen Söhnen gewidmet, startet das Album durchaus rockig, wobei man am Sound der Keyboards eindeutig die Zeichen der Zeit, sprich den Beginn der 80er Jahre, erkennen kann. Dennoch dürfte es für jedermann ein Einfaches sein, sich den Song auch in einer Version von The Who vorzustellen. Ruhiger, größtenteils von akustischer Gitarre und dem Schlagzeug bestimmt, erleben wir bei "I Am An Animal" einen seelisch angeschlagenen, an sich selbst zweifelnden und nachdenklichen Townshend, der überhaupt nicht mit sich im Reinen zu sein scheint.
"And I Moved" ist sehr atmosphärisch, vom Piano getragen und erscheint wie ein Traum, in dem Pete seinem alten Freund 'Moon, the Loon' begegnet.
Irgendwie fieberhaft und gespenstig, auf abartige Weise aber auch gut tanzbar.
Kommt "Let My Love Open The Door" zwar schmissig, aber mit Disco-Keyboard-Beat, so sind "Jools And Jim" und "Cat's In The Cupboard" wieder deutlich rockiger und sehr Who-kompatibel.
Diese beiden Songs 'umzingeln' "Keep On Working", das gut rüberkommt und im Titel wohl Townshends einzig wirkendes Rezept gegen seine Probleme jeglicher Art darstellt(e). "A Little Is Enough" hätte durchaus ein guter Song sein können, aber dieser eklige 80er Keyboard-Sound nervt (zumindest mich) doch gewaltig. Nichts gegen die Experimentierfreudigkeit des Vielschreibers an seinem Lieblings-Spielzeug (die Gitarre würde ich als seinen rechten Arm bezeichnen), aber geschmackssicher hört sich für mich anders an.
"Empty Glass" ist meiner Meinung nach der beste Song des Albums, rockt schön geradeaus und war als Outtake von den "Who Are You"-Sessions übrig.
Pete präsentiert sich hier wieder sehr zerbrechlich, in Selbstzweifel verstrickt und erstaunlich offen. Abgeschlossen wird das Original-Album von "Gonna Get Ya", wieder deutlich selbstbewusster und zielstrebiger. Das Einzige was hier fehlt ist John Entwistles donnernder Bass. Klasse Abschluss!
"I Am An Animal" eröffnet die Bonus-Tracks zu schrecklichem Drum-Computer, Akustik-Gitarre, Piano und einem Gesang, der fast noch emotionaler klingt, als auf der fertigen Version. Dazu gibt es noch "Keep On Working" und "And I Moved" in abgespeckteren Versionen und mit anderen Vocals, sowie eine lange Version von "Gonna Get Ya" mit einem ebenfalls anderen Vocal-Track. Alle vier Bonus-Nummern kann man wohl mit dem Begriff "Work In Progress" am besten beschreiben.
Insgesamt bleibt festzustellen, das bei "Empty Glass" dem Keyboard fast derselbe Stellenwert wie der Gitarre zugebilligt wurde und wir in mehreren Stücken einen sehr offenen, zerbrechlichen und nach Antworten suchenden Pete Townshend erleben, der sich übrigens mit zwinkerndem Auge in den Liner-Notes bei 'Remy Martin' dafür bedankt, sein Leben gerettet zu haben, weil sie den Stoff so verdammt teuer verkaufen.
Humor hat der Mann!
Die Songs sind durchaus gut, der Sound Geschmacksache. Aber sicherlich hat der 'Meister der Windmühlen' die Chance des Solo-Vertrages auch wahrgenommen, um seiner Experimentierfreude freien Lauf zu lassen. Absolut aufwertend auch das wunderschöne Digipack mit klasse Booklet und der remasterte, deutlich verbesserte Sound.
Unterm Strich 7 (wohlwollende) RockTimes-Uhren.


Spielzeit: 61:56 Min, Medium: CD, SPV, 2006 (1980), Rock
1:Rough Boys 2:I Am An Animal 3:And I Moved 4:Let My Love Open The Door 5:Jools And Jim 6:Keep On Working 7:Cat's In The Cupboard 8:A Little Is Enough 9:Empty Glass 10:Gonna Get Ya
Bonustracks: 11:I Am An Animal (Alt.Vocals) 12:Keep On Working (Alt.Vocals) 13:And I Moved (Alt.Vocals) 14:Gonna Get Ya (Long Version)
Markus Kerren, 22.07.2006