Robin Trower / Living Out Of Time Live
Living Out Of Time Live
Robin Trower gehört zu der Riege britischer Bluesrocker, die in den 70er Jahren vor allem in Deutschland eine große Anhängerschar fand. Mit seiner Band war er aber in ganz Europa ein gern gesehener Festival-Gast. Nach einigen Jahren war damit Schluss, zumal er es zu selten schaffte, seine Live-Potenz auf die Alben zu übertragen, die bei 'Chrysalis' erschienen.
Es folgten weitere Aufnahmen für kleinere Labels, die jedoch hierzulande kaum mehr Beachtung fanden. Zudem war er zeitlebens mit dem Kainsmal gestraft, der 'weiße Hendrix' zu sein. Nun, seine Spielweise ist ähnlich expressiv, es gibt stilistische und spieltechnische Anleihen (vor allem der häufige Gebrauch von Verzerrer, Wah-Wah-Pedal und Vibratohebel) - er bewegt sich zweifellos im übermächtigen Schatten des großen Gitarrenmagiers. Bei den Open Airs jener Zeit war er damit jedoch geradezu für die Rolle des 'Guitar Hero' prädestiniert.
Als kongenialer Partner stand Bassist und Sänger James Dewar (gestorben 2002) lange an seiner Seite, der mit melancholischer Stimme den Songs das unverwechselbare Profil gab. Ein gutes Portrait von Robin Trower findet sich auf der Homepage von Thomas Adam, für alle, die mehr über den ehemaligen Procul Harum - Gitarristen wissen wollen.
Jetzt erschien in der 'Rockpalast'-Reihe "Crossroads" ein Live-Mitschnitt vom 09.03.2005. Egal, ob es Zufall war oder ein Tribut an einen großen Gitarristen, es dürfte Trower besonders gefreut haben, dass das Konzert in der 'Harmonie' in Bonn an seinem 60. Geburtstag stattgefunden hat. Das mag zusätzlicher Anreiz für einen energiegeladenen Gig gewesen sein, der Trower in Bestform zeigte.
Begleitet wurde er von einer druckvollen Rhythmusabteilung mit Pete Thomson an den Drums und Dave Bronze am Bass (sowie Backing Vocals). Die Gesangsparts wurden von Davey Pattison übernommen, der sowohl das Timbre von Dewar draufhat, jedoch auch mit ganz anderen Stimmfärbungen Akzente setzt. So variabel, dass ich mich ernsthaft frage, ob er wirklich alle Titel gesungen hat.
Mit dieser Besetzung nahm Trower auch seine letzte, gleichnahmige Studio-CD auf, von der vier der elf Titel auf der Live-Scheibe stammen.
Sie beginnt mit dem Trower- Klassiker "Too Rolling Stoned", nach dem klar ist, dass es sich bei diesem Rockpalast keinesfalls um eine Rentnerparty handelte. "Sweet Angel" ist der erste neue Track, der jedoch auch noch deutlich die Vergangenheit bemüht. Am Schluss werden für meinen Geschmack die Pedale gar zu sehr malträtiert. "What´s Your Name" ist eine straighter Rocker, der sicher auch den Buddies von der Southern Rock-Fraktion Spaß macht. Ebenso druckvoll geht´s mit "Rise Up Like The Sun" weiter, dessen zackiges Gitarrenriff die Glieder zappeln und den Kopf bangen lässt.
Dann "Daydream" der Open Air Übersong überhaupt. Ein zehnminütiger Slowblues voller Magie, bei dem ich mich bei bestem Sommerwetter langgestreckt auf einer Festivalwiese wieder finde, den weißen Kumuluswolken am blauen Himmel zuschaue und mit mir einfach vollkommen im Reinen bin. Ein meditativer Zustand - spellbound, genau. Und außerdem klingt die Stratocaster hier schlichtweg himmlisch. Ich hätte auch nicht gedacht, dass diesen ebenfalls von Dewar´s Stimme mitgeprägten Song überhaupt jemand anders hinbekommen könnte. Respect Mr. Pattison! Die Hookline von "Living Out Of Time" kommt mir reichlich bekannt vor, woher will mir aber partout nicht einfallen.
Jedenfalls dreht Trower die Zeitschleife auch bei diesem neuen Song weit zurück. Mit "Breathless" schnellt er jedoch sofort wieder in die Gegenwart zurück und liefert einen schwerblütigen, psychedelisch angeturnten Knaller mit sehr schwermetallhaltiger Axt, der Gov't Mule alle Ehre machen würde. "Day Of The Eagle", ein vom Intro "Crosstown Traffic"-sehr nahestehender Track, kommt wesentlich flotter daher. Er mündet nahtlos in "Bridge Of Sighs", einem weiteren ellenlangen Heavyblues, bei dem Trower mächtige Gitarrenwände zu einem hypnotischen Riff auftürmt.
Die Düsternis wird verstärkt durch Pattisons dramatischen Gesang und durch Soli, die wie kalter Stahl durch den Song schneiden. Könnt´ ich mir gut als Soundtrack zur Schlacht um Helm´s Klamm vorstellen. Danach ist erstmal etwas leichtere Kost vonnöten, die "Close Every Door" bietet, wobei der Gitarrenmann sein Instrument aber immer noch ordentlich prügelt.
"I Want You To Love Me" kommt als gemäßigter Shuffle daher, bei dem Trower zeigt, dass er auch locker die Spielweise eines Steve Ray Vaughan beherrscht. Könnte auch für "Please Tell Me" gelten, das vom Gitarrensound her schon sehr an "Voodoo Chile" erinnert. Der Gesang wirkt hier eher etwas dünnbrüstig, so ganz passt das nicht zusammen. Zum Schluss gibt´s einen weiteren Klassiker Trowers mit "Little Bit Of Sympathy".
Keine Frage, der Mann braucht nicht um Sympathie zu buhlen. Ihm gebührt die Anerkennung und der Respekt eines großen Gitarristen, der mit 60 der jüngeren Konkurrenz immer noch zeigt, was ein Brett ist. Er war auch dann sehr zufrieden mit sich und den Kollegen, nachzulesen auf seiner Homepage: "Robin feels as though he's playing at his very best, and that the band is 'really cookin' ".
Wer auf 'Gitarre satt' steht, sollte sich diesen Mitschnitt unbedingt reinziehen. Der Sound ist o.k., allerdings etwas dumpf. Als Ergänzung und zum Vergleich empfehle ich das 1975er Live-Album Trowers, teilweise mit denselben Songs. Von dem 'Rockpalast '-Konzert gibt´s auch eine DVD, ergänzt mit einem Interview.


Spielzeit: 69:44, Medium: CD, Ruf Records, 2005
1:Too Rolling Stoned 2:Sweet Angel 3:What´s Your Name 4:Rise Up Like The Sun 5:Daydream 6:Living Out Of Time 7:Breathless 8:Day Of The Eagle 9:Bridge Of Sighs 10:Close Every Door 11:I want You To Love Me 12:Please Tell Me 13:Little Bit Of Sympathy
Norbert Neugebauer, 28.11.2005