Steve Thorne hat ganze Arbeit geleistet. Sein Solo-Debüt trägt den doch ungewöhnlichen Namen "Emotional Creatures: Part One". Was sofort suggeriert, dass es bestimmt auch mal einen "Part Two" geben wird. Wobei natürlich viele Veröffentlichungen mit Anhängseln wie "Part 2", "Part 3", "Vol. 40" usw. eher zum abgewöhnen sind. Aber wir wollen nicht vorgreifen und Schwarz malen, denn im Jahr 2005 haben wir es immer erst mal noch mit "Part One" zu tun.
Welches Standing Mr. Thorne in der Szene genießt, lässt sich durch die Liste der mitwirkenden "emotionalen Kreaturen" ergründen. Er hat es geschafft Spock's Beards, Nick D'Virgilio für drei Stücke an die Trommeln zu bekommen. Der von King Crimson und seinem spektakulären Einsatz bei Anderson, Wakeman, Bruford and Howe bekannte Tieftöner Tony Levin gibt eine Kostprobe seines Könnens. Der Asiat Geoff Downes keyboardet überzeugend wie immer. Darüber hinaus geben noch ein paar Kumpels Steve Thornes von Jadis und IQ ihr Stelldichein.
Wer es nach dem ersten Hördurchgang auch noch so beschwören wird - es ist nicht Tom Petty, der das Album eingesungen hat. Nein, das besorgte der Sänger aus Südengland selbst. Aber zugegeben: lässt man seine Stimme mit geschlossenen Augen auf sich wirken, dann hat sein Timbre schon eine gewisse Ähnlichkeit mit dem des Herzens der Heartbreakers.
"Auf sich wirken lassen" könnte glatt der imaginären Bedienungsanleitung von "Emotional Creatures: Part One" entnommen sein. Diesen Rat sollte man unbedingt befolgen, denn die Kompositionen verfügen über eine große emotionale Eindringtiefe. Die Songs sind ruhig, aber direkt. Sie lassen den Hören mitfühlen, mitleiden, mitverstehen. Dieses Kunststück vollbringt Steve zum Einen durch die treffsichere Instrumentierung. Ja, es kommt einiges an Instrumenten zum Einsatz, aber sie alle dienen dem Song und dem Anliegen, das dieser jeweils transportieren will. Flöte, Mandoline, diverse Gitarren, Tasteninstrumente und Bässe sorgen für die manchmal melancholischen, manchmal anklagenden Arrangements.
Zum Anderen lohnt es sich, die Texte wahrzunehmen. Es ist sicherlich nicht einfach für Musiker, bestimmte Themen so zu vertonen, dass die Aussage dazu weder aufgesetzt noch klischeegeschwängert ist. Ein Songtext bietet nun mal nicht genug Platz für lange Argumentationsketten und Erörterungen. SteveThorne schafft es aber, seine Statements ohne Weltverbesserungs- oder Oberlehrerallüren zu artikulieren. Ein Beispiel gefällig?
"Viva America,
Las Vegas was built on sand
At what price America?
The Indian's sacred lands."
Eröffnet wird die CD durch ein kleines, instrumentales Kleinod namens "Here They Come!" Klingt es zuerst nach Spieluhr, surren bald Synthesizersounds, fast wie beim "Blade Runner OST", durch die Komposition. Die Military Snare klopft den Teppich bis übergangslos Steves Satire- und Ironiefest "God bless America" beginnt. Der obige Textauszug entstammt diesem Song. Diese anklagende Nummer wird von der Akustikgitarre, der Flöte und dem eindringlich vorgetragenen Text beherrscht.
Ein klein wenig flotter geht es bei "Well Outta That!" zu. Dieser Song ist ein gutes Beispiel für den leisen aber perfekten multiinstrumentalen Einsatz. Im Soundhintergrund aus Keys, Gitarren und Percussion stecken viele Details. Viel Vergnügen beim entdecken!
Bei "Ten Years" zeigt Steve unmittelbar, welche Kraft seine gesanglichen Interpretationen haben können. Die Gesangsmelodie an sich ist schön. Durch die Seele in der Stimme wird sie ergreifend. Die Keyboardklänge geben dem Song dann den Rest!
Den Höhepunkt des Albums stellt für mich "Gone" dar. Über einen soliden Rhythmus hinweg erzählt Steve zwei Episoden. Der Refrain donnert dazu mit emotionaler Vehemenz. Nun wieder ein kleiner Einblick in die Dichtung des Künstlers:
"Feeling like the Devil's whore,
Billy couldn't take "no more",
Threw herself from Beachy Head
"Sorry Ma" was all she said."
und
"Took it into school and hey,
Girls and boys were blown away.
Heaven knows the reason why,
Lenny let the bullets fly."
Gary Chandler von Jadis spielt danach das wohl einzig mögliche Gitarrensolo. Es spielt es ebenso beherzt, wie Steve den Text intoniert.
Das Booklet umfasst 16 Seiten. Selten war ich so dankbar, dass Texte abgedruckt wurden. Darüber hinaus sind thematisch mit den Songs verwandte Bilder zu betrachten.
Steve Thorne überzeugt auch ohne seine Band The Salamander Projekt.
Diese Produktion ist eine bewegte 8 auf der Wahnwirtz Skala wert.
Wenn Steve diese Form hält, wird er noch sehr von sich reden machen.
Spielzeit: 52:59, Medium: CD, InsideOut Music, 2005
1:Here They Come, 2:God Bless America, 3:Well Outta That, 4:Ten Years, 5:Last Line, 6:Julia, 7:Therapy, 8:Every Second Counts, 9:Tumbleweeds, 10:Gone, 11:Goodbye
Olli "Wahn" Wirtz, 24.04.2005
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