Wollte man den Status hervorheben, den die Band Tamikrest, trotz ihrer noch relativ jungen Bandgeschichte, in der Bewegung des Wüstenblues einnimmt, hieße das, Kamele in die Sahara zu tragen. Die Gruppe erspielte sich auf internationalem Parkett einen Ruf als exquisiter Live-Act und ihre Alben mauserten sich zu Gipfelstürmern diverser Weltmusikcharts. Seit ihrem Longplayer Toumastin aus dem Jahr 2011 kommt man nicht mehr an ihnen vorbei, wenn man sich mit der Musik des schwarzen Kontinents intensiver beschäftigt.
Die Musiker sind in Mali zu Hause und gehören dem Volksstamm der Tuareg an. Dementsprechend sind die Lyrics der Songs in der Muttersprache der Bandmitglieder, Tamasheg, gehalten. Wie viele Nomadenstämme litten und leiden gerade auch die Tuareg unter politischen Unruhen, werden in Stammeskonflikten schnell zu Fremden im eigenen Land. Dieses Schicksal ereilte auch Tamikrest - auf Grund ihrer politischen Haltung und Herkunft wurden sie im Rahmen der Sharia in Mali verfolgt und leben heute im Exil in Algerien. Sie verstehen ihre Musik auch als Ermutigung, die Kultur ihres Volkes weiterzutragen, sie vor dem Verschwinden zu bewahren und sie in einen zeitgemäßen Kontext zu stellen. Inhaltlich setzen sie dabei auf Toleranz und Völkerverständigung. Sie skandieren keine Hassparolen gegen die Unterdrücker sondern bauen darauf, ihre Schicksale und Gefühle künstlerisch umzusetzen. Sie kämpfen aus Überzeugung mit Klampfen statt Knarren für ihre Sache.
"Chatma", die aktuelle CD der Band, ist ein Konzeptalbum. Der Titel bedeutet 'Schwestern'. Die zehn eindringlichen Songs schildern die Rolle, die Frauen so oft in Kriegen und politischen Konflikten einnehmen. Zumeist sind sie zum Warten und Bangen auf die Heimkehr ihrer Männer verdammt, ziehen Kinder unter unmenschlichen Bedingungen auf und bleiben dabei die Hüter der eigenen Kultur. Und selbstverständlich haben sie Gefühle - Trauer, Liebe und Leid liegen in ungewissen Zeiten eng beisammen.
Dass Tamikrest sich für diese Thematik mit einer weiblichen Leadsängerin verstärkten, ist nur folgerichtig. Mit Wonou Walet von der befreundeten Band Tinariwen konnten sie eine würdige Interpretin für ihr stringent gestyltes Opus gewinnen. Sie ist eine wandlungsfähige Vokalistin und beherrscht die traditionelle Sangestechnik der Tuareg ebenso wie das Timbre von Rock und Soul. Vor allem in den elegischen Momenten, wie dem Opener "Tisnant an Chatma" kommt ihre Fähigkeit, emotionale Tiefe zu vermitteln, bestens zur Geltung.
Trotz aller Tragik, die das Grundthema von "Chatma" beinhaltet, ist die vorliegende Scheibe kein von Verzweiflung gelähmtes Kammerspiel. Neben den eher melancholischen Balladen und psychedelisch angehauchten Nummern gibt es treibenden Rock und Funk ebenso wie derart groovende Melodien, dass das Tanzbein ganz von alleine zu zucken beginnt.
Somit macht das Album auf einen schlimmen politischen Konflikt aufmerksam, verbreitet aber ebenso Mut, für die Überwindung aller Krisen einzutreten. Die Sache der Tuareg wird mit angemessenem Selbstbewusstsein vorgebracht. Damit werden Tamikrest zu Botschaftern ihres Volkes und es bleibt zu hoffen, dass weltweit immer mehr Menschen durch diese Musik die faszinierende Kultur der Tuareg kennenlernen und für ihre Erhaltung eintreten.
Insgesamt ist "Chatma" ein Album, das zeitweilig ungebremst in die Beine geht und den Solarplexus kitzelt, aber ebenso zum Nachdenken anregt. Die Sahara lebt.
Line-up:
Wonou Walet (vocals)
Ousmane Ag Mossa (vocals, guitar)
Cheick Tiglia (bass, vocals )
Aghaly Ag Mohamedine (djembe, calabash, vocals)
Ibrahim Ag Ahmed Salim (drum kit, calabash)
Paul Salvagnac (guitar)
Tracklist |
01:Tisnant An Chatma
02:Imanin Bas Zihoun
03:Itous
04:Achaka Achail Aynaian Daghchilan
05:Djanegh Etoumast
06:Assikal
07:Toumast Anlet
08:Takma
09:Adounia Tabarat
10:Timtar
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