Neben der Düsseldorfer Band Kraftwerk sind Tangerine Dream die wohl bedeutendsten und klassischsten Vertreter der elektronischen Musik. Während Kraftwerk jedoch stets mit Gesang arbeiteten und später sogar die ersten Vorstöße in Richtung Electro Pop wagten, hatten sich Tangerine Dream eher langen musikalischen Reisen in Form von Klanglandschaften und -malereien gewidmet. Zu Anfang waren TD noch sehr experimentell. Es entstanden Platten wie "Electronic Meditation" und "Alpha Centauri". Spätestens auf letzterer prägte Edgar Froese den Begriff 'Kosmische Musik': »Wir wollen versuchen, mit der so genannten kosmischen Musik Vorgänge hörbar machen, die am Rande der Vorstellungskraft der Menschheit liefen.«
Tangerine Dreams Musik war zu diesen Zeiten bis zu Scheiben wie "Atem" oder "Zeit" zwar sehr spannend, aber auch schwer verdaulich, da mit so einigen Dissonanzen versehen. Später kam die wohl klassischste Phase, auch 'The Virgin Years' genannt. In dieser Zeit erschienen die wohl größten Klassiker der Band wie "Phaedra", "Ricochet" oder "Rubycon". Ab dem Zeitpunkt arbeiteten TD mit ausgedehnten, sich langsam entwickelnden Stücken, die auf verschiedenen rhythmischen Sequenzen aufbauten und sich ständig wiederholten. In den achtziger Jahren experimentierten TD auch mit Gesang, wobei solche Werke weniger Beachtung fanden. In den Neunzigern kehrten TD dann wieder zu ihren Wurzeln zurück. Ein Album wie "Oasis" ist ein lebender Beweis dafür, dass elektronische Musik sehr vielseitig und spannend sein kann, und zwar ohne den entferntesten Kitsch-Anteil. Auf Live-Aufnahmen wie "Tangerine Dream Plays Tangerine Dream" kann man sich vom sphärischen, perfekten Sound der Band überzeugen.
Die Anzahl von Veröffentlichungen der Band ist schlichtweg überwältigend. Darunter muss die Qualität der Musik allerdings nicht zwangsläufig leiden. Im Gegenteil, immer wieder stellt man als Interessierter fest, dass egal aus welcher Epoche man zu Aufnahmen von TD greift, man immer auf musikalische Reife stößt.
Das neue Album "The Endless Season" ist der sogenannte "Part Five Of The Five Atomic Seasons", einem Zyklus, den Tangerine Dream als Auftrag angenommen haben. Es geht dabei um die Atombombenabwürfe am Ende des Zweiten Weltkrieges. Zum Beispiel nannte sich der vierte Part dementsprechend "Winter In Hiroshima". Beim Hören des neuen Werkes fällt jedoch nicht sonderlich auf, dass es sich um ein solches Thema handelt. Vielmehr schafft es das Werk, den Hörer wieder in eine Traumlandschaft zu entführen. Die 'spacigen' Klänge erzeugen Weltraumatmosphäre und würden sich perfekt als Soundtrack für Science Fiction-Filme eignen. Feststellen lässt sich das unter anderem, wenn man "The Endless Season" als Hintergrundbemalung für futuristische PC-Spiele wie Starcraft II benutzt.
Bandleader und Mastermind Edgar Froese ist für alles, was man auf dem Silberling hört, verantwortlich. Lediglich bei "The Seven Barriers" wird er von einem weiteren Gitarristen unterstützt. Froese schafft mit seinen Keyboards, Sequencern sowie ab und an auch seiner Gitarre atemberaubende Klangflächen. Auch das Drumming hat er selber programmiert. Über Sequencer-Mustern ertönen immer 'spacige' Keyboard-Akkorde und oder eine 'solierende', mal elektronisch verfremdete, mal lediglich verstärkte E-Gitarre. Die gesamte CD schafft es auch durchgängig, nicht in Banalitäten oder langweiliges Gesäusel abzudriften. Trotzdem kann es zu Beginn hier und da etwas zähflüssig werden, sodass dem Silberling am Anfang an der einen oder anderen Stelle etwas mehr Dynamik - wie ab dem vierten Track "Escape" - sehr gut zu Gesicht gestanden hätte.
Der Sound der Aufnahme ist superb gelungen, was heutzutage bei solcher Art Musik auch absolute Pflicht ist. Eine gute Anlage mit ausreichend Bass und hoher Lautstärke verbessert die ohnehin schon starke Klangkulisse nochmals um einiges. Bleibt also nichts anderes, als eine Kaufempfehlung auszusprechen, jedoch mit dem Hinweis, dass die Alben der 'Virgin Years' die wahren Klassiker bleiben werden. Und dass eine Platte wie "Tangerine Dreams Plays Tangerine Dream" durchgehend mehr Dynamik ins Spiel bringt und vielleicht der geringfügig bessere Einstieg in die Welt der neueren TD-Scheiben ist.
Wertung: 7 von 10 RockTimes-Uhren
Anspieltipp(s): "Devotion", "Escape"
Line-up:
Edgar Froese (keyboards, sequencers, drum programming, guitars)
Bernhard Beibl (second additional guitar - #5)
Tracklist |
01:Flashback (1:15)
02:Devotion (9:17)
03:Virtue Of Hope (4:37)
04:Escape (6:35)
05:The Seven Barriers (8:28)
06:Logic Of Intuition (6:39)
07:Shuntaya (6:30)
08:Restless Mind (5:22)
09:Wild Ocean Of Blue Fate (7:43)
10:Breaching Sky (4:07)
11:Morphing (4:03)
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