Bis vor wenigen Jahren war
Tarja Turunen noch untrennbar mit dem Namen
Nightwish verbunden und auch heute gibt es immer wieder Stimmen, die mit
Anette Olzon als Nachfolgerin der finnischen Ausnahmesopranistin nicht einverstanden sind. Unbestritten ist sicherlich die Tatsache, dass
Olzon ein wahrlich schweres Erbe anzutreten hatte. Für
Tarja hat der Schritt in die 'Selbständigkeit' keinerlei Probleme in puncto Popularität oder Erfolg mit sich gebracht. Mit "My Winter Storm" und "What Lies Beneath" sowie der Live-Scheibe "Live At Sibelius Hall" kommt hier also die vierte Veröffentlichung auf den Markt. Erneut ein Konzertmitschnitt, jedoch dieses Mal deutlich weniger ruhig, weniger, fast könnte man sagen, sakral. Aufgenommen wurde diese Show in Rosario in Argentinien und es gibt neben der vorliegenden Doppel-CD auch eine DVD sowie eine Blu-ray.
"Act I" (wird es auch noch einen zweiten oder dritten Act geben?) bietet dem Fan von sowohl
Nightwish als auch
Tarja solo einen wirklich gelungenen Querschnitt durch das bisherige Schaffen. Selbst einem Neueinsteiger in Sachen Sopran finnischer Provenienz kann man diesen Konzertmitschnitt wirklich ans Herz legen. Es gibt neben verhalteneren Stücken eben auch solche, die eher aus der
Nightwish-Ecke kommen und eindeutige Metal-Ingredienzien besitzen. Man möge sich exemplarisch einfach mal nur die Parts mit Double Bass reinziehen oder das Publikum quasi ausflippen hören (bei der Video-Variante natürlich auch sehen), wenn die ersten härteren Töne von "Where Were You Last Night" anklingen. Dieses geht dann in "Heaven Is A Place On Earth" von
Belinda Carlisle über, um in
Bon Jovis "Livin' On A Prayer” fulminant zu enden - donnernder Applaus. Ganz ruhig und getragen dagegen wird es beim zweiten Medley dieser Scheiben, der Zusammenfügung von "Oasis" und "The Archive Of Lost Dreams", einzig vom Piano begleitet. Als krasser Gegensatz dazu folgt unmittelbar darauf das von schwerem Metall geprägte "Crimson Deep", das uns mit einem zähen Riff empfängt und aus
Tarjas noch aktuellem Album "What Lies Beneath" stammt. Nächstes Jahr wird ja Studioalbum Nummer 3 erscheinen und das argentinische Publikum durfte sich bei den Aufnahmen bereits ein Bild von einigen Nummern machen. "Never Enough" ist einer der bislang unveröffentlichten Tracks und schlägt eindeutig eine etwas härtere Gangart ein und auch hier gibt es tosenden Beifall. Durchaus interessant (positiv!) ist auch
Tarjas harte Adaption von
Mr. Coverdales altem Kracher "Still Of The Night", das mit vielen Streichern unterlegt eine ganz neue Note bekommt.
Highlights der beiden jeweils eine gute Stunde dauernden Scheiben sind für mich die eher Metal-lastigen Stücke, so natürlich direkt der Opener von CD 1, das tolle "Anteroom Of Death" – ein passender Einstieg. Auch die
Nightwish'sche Hymne "Nemo" von deren Album "Once", die ja bekanntermaßen weltweit auf Spitzenplätze geklettert ist. Logischerweise darf natürlich eine bombastische Adaption des "Phantom Of The Opera" nicht fehlen oder auch "Die Alive", das ebenso die klassischen Elemente des Symphonic Power Metal ausweist und in einem stark choral geprägten Part für eine tolle Einbindung des Publikums sorgt. Direkt danach folgt "Until My Last Breath", das ebenfalls die Publikumsreaktionen so eindeutig rüberbringt, dass man der Meinung sein könnte, man sei selbst dabei. Überhaupt gipfelt CD 2 in einem tollen Finale mit schier begeistertem Publikum. Es ist schon erstaunlich, wie es diese Sängerin schafft, den Bogen gerade nicht zu überspannen. Sopranistinnen können ja gern mal am Rande des Nervens entlang schliddern oder die Grenze auch überschreiten und alte Klassiker vollkommen überkitschen – nicht so unsere
Tarja hier. Noch nicht einmal das von mir sehr geliebte "Over The Hills And Far Away"
Gary Moores bekommt diesen Touch, es mündet ganz im Gegenteil in einem tollen Abschluss.
Ob und inwieweit diese beiden CDs den Konzertverlauf akkurat wiedergeben, lässt sich leider nicht erkennen, denn zwischen den einzelnen Songs wird leider immer wieder am Fade-Regler gespielt. Das kommt etwas nervig rüber und wäre in der Form sicherlich nicht nötig gewesen. Nachteil der mir vorliegenden Promo-Ausgabe ist zudem die Tatsache, dass keinerlei Angaben zu weiteren mitwirkenden Musikern ausgewiesen werden oder anderweitige Liner-Notes enthalten sind. Aber abgesehen davon gibt es weder an der Tracklist noch an der satten Produktion etwas zu meckern. Mir gefällt zudem, dass die Metal-Elemente dabei durchaus und eindrücklich zum Tragen kommen und der oft anhaftende Makel Tarjas, eine dieser nordischen Trällerelsen zu sein, Lügen gestraft wird. Zweifelsohne ein Konzert, das ich gern gesehen hätte und somit ist dies hier eine Live-Scheibe, die bei mir noch länger ganz weit vorne im Regal stehen wird – saubere Leistung, darf man unbesehen kaufen!