Tears For Fears / Songs From The Big Chair
Songs From The Big Chair Spielzeit: 42:34
Medium: CD
Label: Mercury, 1985
Stil: New Wave


Review vom 12.12.2011


Holger Ott
Anfang der 80er Jahre machte die Musik einen großen Wandel durch. Langsam aber sicher brach das Computerzeitalter an und trieb seine Zweige auch in die Musikbranche. Junge, neugierige Künstler haben damals festgestellt, dass man nicht unbedingt Noten beherrschen muss, um einen Song zu komponieren. So wurden bei vielen Newcomer-Bands die Keyboards zu den tragenden Instrumenten. Es wurde experimentiert, was das Zeug hält und so mancher Act wurde zum mega-erfolgreichen Superstar. Einige von ihnen sind dabei 'On Top' geblieben, andere nach einigen Jahren leider wieder in der Versenkung verschwunden. Plattenlabels stürzten sich wie die Aasgeier auf solche Talente und schlachteten sie bis auf die Knochen aus, um dann am Ende selbst gefressen zu werden. Vom ehemaligen Mercury-Label wurde eine Band aus England emporgehoben, die in ihrer Glanzzeit einige Superlative verbuchen konnte. So zum Beispiel die meistgespielte Radio-Single der damaligen Zeit. Die Rede ist von "Everybody Want's To Rule The World" vom New Wave-Phänomen Tears For Fears. Ihre Musik war damals erfrischend anders. Es war eine Mischung aus synthetischen Klängen und analogen Instrumenten wie Drums, Bass und Gitarren.
Genau zu der Zeit, als die Band auf ihrem Höhepunkt war, habe ich mir meinen ersten CD-Player gekauft. Das gute Stück hat mich satte eintausend Mark gekostet und ich war stolz wie 'Bolle'. Aber nun fing der Stress erst richtig an. Welche CDs sollte ich mir zulegen, die ja seinerzeit nicht gerade ein Schnäppchen waren? Ich bin dann mutig gewesen und habe mir "Songs From The Big Chair" von Tears For Fears gekauft. Die Musik lief ständig im Radio und hat mich einfach angesprochen. Als ich dann zum ersten Mal ihren größten Hit "Everybody Wants To Rule The World" über meine Anlage spielte, war ich völlig platt. Diese Dynamik, dieser reine Sound ohne jedes LP-Knirschen und -Knistern, war einfach faszinierend. Seit dieser Offenbarung kaufte ich mir in regelmäßigen Abständen CDs von meinen Lieblingsplatten, um diese zu schonen. Zwar habe ich zu den silbernen Plastikscheiben bis heute keine derart intensive Beziehung aufgebaut wie zu meiner Plattensammlung, aber man muss ja mit der Zeit gehen...
Tears For Fears eröffnen ihr Album "Songs From The Big Chair" gleich mit einem Nummer-Eins-Hit, dem allseits bekannten "Shout". Bis heute wird das Stück in vielen Radiostationen gespielt und klingt noch immer recht zeitgemäß. Die Länge des Songs ist nicht unbedingt radiokompatibel, immerhin läuft das Teil fast sieben Minuten, aber in dieser Spielzeit zeigen Tears For Fears, weshalb sie damals an der Spitze standen. Die beiden Masterminds Curt Smith und Roland Orzabal legten seinerzeit noch sehr großen Wert darauf, dass nicht nur die Keys den Sound prägten. Echte Drums und Gitarren gaben nach wie vor den Ton an und die Tasten unterstützen nur durch ihre prägnanten Melodien. Nebenbei werden kleine, aber feine Geräusche - wie Glockengebimmel oder irgendetwas Undefinierbares - eingefügt. Gegen Ende des Songs klingt das Teil durch die einsetzenden Gitarren sogar sehr brachial und schwer. Ebenfalls in gleicher Länge liefert uns die Band mit "The Working Hour" etwas sehr Ruhiges zum Träumen. Zwar ist dieser heftige Stimmungswechsel etwas gewöhnungsbedürftig, aber dennoch sehr anschmiegsam und entspannend. Über die ganze Länge begleiten uns ein Saxofon und die leise Stimme des Sängers. Anschließend folgt mein bereits angesprochener Lieblingssong der CD. Das Keyboard-Intro ist aus Millionen herauszuhören, die Stimme verleiht einem eine Gänsehaut, die dazu einsetzenden fetten Gitarren-Riffs ergeben eine unglaubliche Dynamik in diesem Song - einmal gehört, kann man ihn nie mehr vergessen. Leider waren mit "Everybody Wants To Rule The World" bereits die goldenen Zeiten Tears For Fears beendet. Sicher gab es noch einige Nachfolger, aber das Niveau ließ deutlich zu wünschen übrig.
Auf "Songs From The Big Chair" ist diese Wandlung in den folgenden Werken bereits zu ahnen. Alles klingt etwas synthetischer und die Spannung lässt nach. "Mothers Talk" driftet deutlich in Richtung Disco ab und wird am Ende zum heillosen Durcheinander. "I Believe" ist ein klassischer Stimmungstöter und wirkt einfach zu ruhig und dadurch langweilig. Das passt nicht zu den vorangegangenen Songs. Schneller, aber nicht zwangsläufig besser wird es mit "Broken". Ohne jedes Highlight geht der Song an mir vorüber. Und weil mir anscheinend etwas entgangen ist, liefern mir Tears For Fears das gleiche Stück postwendend in einer Live-Version als Anhang zu "Head Over Heels". Genau dieses "Head Over Heels" hat noch einmal etwas Besonderes. Das Piano-Intro ist sehr bekannt und hat einen enormen Wiedererkennungswert. Leider fällt der Song etwas ab, geht dann reibungslos in "Broken" über. Dass es sich hierbei um Live-Mitschnitte handelt, erkennt der Hörer nur am Applaus zum Ende. Mit "Listen" bietet mir "Songs From The Big Chair" noch einmal einen ruhigen Absacker. Wiederum fast sieben Minuten mit leisen Klängen zwingen mich, die Stopptaste zu drücken.
Trotzdem war die CD zur damaligen Zeit sehr innovativ und ich denke, dass ich sie mir heute noch einmal kaufen würde, wäre sie nicht bereits seit über fünfundzwanzig Jahre mein Eigentum.
Line-up:
Curt Smith (bass, guitar)
Roland Orzabal (guitar, keybords, vocals)
Ian Stanley (keyboards)
Manny Elias (drums)
Tracklist
01:Shout
02:The Working Hour
03:Everybody Wants To Rule The World
04:Mothers Talk
05:I Believe
06:Broken
07:Head Over Heals/Broken (live)
08:Listen
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