'Woodstock'-Legende Ten Years After ohne Alvin Lee, geht das? Viele Fans in der mit 800 Besuchern gefüllten Reichenbacher H2O haben sich das auch gefragt und waren begeistert. Alvin Lee, der 1975 zum ersten Mal und nach ein paar Versuchen und einer CD ("About Time") 1989 dann endgültig ausgeschieden ist, und 2002 durch Joe Gooch ersetzt wurde, wurde nicht vermisst. Die Band bewies mit viel Spielwitz und filigraner Gitarrenarbeit, dass die jetzige Mannschaft eine homogene kreative Gruppe und keine Oldie Cover Show ist.
Von Integrationsproblemen keine Spur. Joe Gooch hat das Erbe seines Vorgängers angetreten und mit Bravour bestanden. Von Beifall umrahmt, betraten drei Veteranen und ihr neuer Mitstreiter an der Gitarre die Bühne und legten einen furiosen Start hin, als ob diese Zusammensetzung in den letzten Jahrzehnten der Standard war.
Der neue Kollege ist nicht nur der Ersatzspieler, sondern beherrschte meisterlich den Anspruch zwischen Neuinterpretation von Rockklassikern und der technischen Umsetzung, die im neuen Jahrtausend an einen Gitarristen wie ihn gestellt wird. An Material mangelte es nicht, wenn man den Backkatalog dieser Gruppe kennt. "Big Black" und "The Hobbit" von der neuen Langrille kamen genauso gut an wie die alten Hits "I'd Like To Change The World" und "Good Morning Little Schoolgirl", in denen Gooch deutlich unter Beweis stellte, dass er den Blues verinnerlicht hat und dies auch durch Andeutung der Grundlicks exakt anspielte, sich jedoch genug Freiraum nahm um Improvisationen abzuliefern, die beim Publikum Begeisterung auslösten.
Die Gründungsmitglieder, bereits alle im gesetzten Alter, zeigten in keiner Situation irgendwelche Ermüdungserscheinungen. Fellgerber Ric Lee konnte mit einem Drumsolo restlos überzeugen und Bassist Leo Lyons war mit seinem Tieftöner verwachsen und modellierte Bassstrukturren mit einem Höchstmaß an Kreativität. Ebenso Chick Churchill an den Keyboards, der Paradeleistungen seiner Klaviaturfähigkeiten zeigte.
"Hear Me Calling" und "Love Like A Man" wurden neu und frisch aus den Boxen gehämmert. Hier zeigte sich, dass der neue Mann kein Plagiator ist, sondern jedem Stück seinen eigenen Stempel aufdrückte.
TYA, eigentlich aus dem Blues entstanden, hatten während ihrer sensationellen Karriere viele Meilensteine hinterlassen, so auch "I Can't Keep From Crying Sometimes", eine 20-minütige Hymne mit großem Improvisationsfreiraum, in denen nur noch das Gerüst stehen blieb. Hier zelebrierte der Frontmann die hohe Schule des Gitarrenkünstlers, mit exaktem Timing wurden die Soli variationsreich eingefügt. Gefühlvoll wurde der Gitarrenhals gestreichelt, die Töne quälten sich, drangen tiefer, explodierten und ordneten sich wieder in einem Kreisel der Erinnerungen neu, der die früheren Tage lebendig werden ließ. Eingestreut wurden Zitate von "Sunshine Of Your Love" ( Cream) und "Smoke On The Water" ( Deep Purple), in denen kurze Facetten der Rockgeschichte aufleuchteten.
Interessant, dass Gooch auch stimmlich durchaus in der oberen Liga mithalten kann, ohne Abstriche kamen die in ihrer Art doch recht eigenwilligen Tracks mit eigener Kennung rüber.
Aber was wäre ein Konzert ohne einen der Höhepunkte in der langjährigen Karriere des Quartetts: "I'm Going Home", das damals den Ruf des Vorgängers zum schnellsten Gitarristen der Welt begründete.
Hier setzte der Frontmann erst richtig zu einem Siegeszug der Improvisationskunst an. Spielen bis die Saiten glühen, so in etwa konnte man den Einsatz bezeichnen, solistische Meisterleistungen die auch den letzten Besucher zu tosenden Beifallsstürmen hinrissen.
Er hinterließ eine Lücke, die keiner bemerkte - so könnte man die Resonanz des Publikums auf die Abwesenheit des Vorgängergitarristen beschreiben.
Einzigartig war die Einstellung der Band zum Publikum, die anstelle eines Fotografierverbots sogar noch aufforderte, diese bei ihrer Arbeit abzulichten.
Bassist Leo Lyons' Aufruf an die Fans: »Mailt doch bitte Bilder von diesem Konzert an die Website der Gruppe und ihr werdet sehen, wir stellen sie ein.«
Ein absolutes Novum in einer Zeit, wo selbst Pseudo-Stars mit höchstem Sicherheitsaufwand über das Recht an ihren Bildern wachen und Absurditäten an der Tagesordnung sind.
Eines ist klar: Mit dieser Besetzung haben sich TYA wieder in die Jetztzeit katapultiert und sich auf der Landkarte der Power-Bluesrocker den ihren zustehenden Platz zurückerobert.
Bilder vom Konzert
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