Ten Years After / Roadworks
Roadworks
Da kann man mal wieder sehen, was eine Blutauffrischung auch im musikalischen Bereich bewirken kann. Bestes Beispiel dafür ist Ten Years After. Schon 1969 beim legendären 'Woodstock Festival' räumten Ric Lee (drums), Chick Churchill (keyboards), Leo Lyons (bass) und Alvin Lee (guitar, vocals) so richtig ab und machten sich vor allem mit ihrem Supertitel "I'm Going Home" unsterblich. Schon damals wurde klar, was die große Stärke der Formation ausmachte, nämlich die ungeheuer energiegeladenen Live Shows. Dabei stand Flitzefinger Alvin Lee absolut im Vordergrund und bestimmte als Frontmann ganz klar das Geschehen bei allen Performances.
Doch wie bei so vielen anderen Acts kam es auch bei Ten Years After zu Differenzen, die schließlich zum Split der Gruppe führten. Alvin Lee war mit Ten Years Later und der Alvin Lee Band weiterhin aktiv. Vom Rest der Gruppe war jahrelang nichts zu hören. Im Jahr 1989 gab es eine kurze Reunion in Originalbesetzung, bei der das Album "About Time" entstand. Auch eine Tour, die unter anderem nach Deutschland führte, lief erfolgreich ab. Bis heute erinnere ich mich noch sehr gern an den Open Air Auftritt am 9. September 1989 auf der 'Waldbühne' in Northeim.
Kurze Zeit später war das Kapitel Ten Years After dann scheinbar endgültig zu Ende. Man konnte zahlreiche Meldungen über Streitigkeiten zwischen Alvin Lee und dem Rest der Band in der Fachpresse verfolgen.
Um so erstaunlicher waren dann die Gerüchte über eine Reunion der Gruppe, die im Jahr 2002 immer lauter wurden. Doch wer sollte der neue Mann an Mikrofon und Gitarre werden? Und vor allem, konnte er einem Alvin Lee das Wasser reichen? Wahrhaft keine leichte Aufgabe.
Schon auf der ersten Tour zeigte sich, dass Ten Years After mit Joe Gooch, so hieß der Neue, einen gleichwertigen Musiker gefunden hatten. Auch auf der nun folgenden aktuellen Studio Produktion "Now" hörte man heraus, wie gut er sich in die Band integriert hatte.
Die letzten Zweifel bei mir zerstreute Joe Gooch, als ich einen Live-Auftritt im Rahmen der 'Heroes Of Woodstock'-Tour in Braunschweig erleben durfte. Mein eindeutiges Fazit nach diesem Gig; auch im aktuellen Line Up haben Ten Years After eindeutig ihre Stärke auf der Bühne. Daran hat sich nichts geändert.
Und das ist auf "Roadworks" auch ganz hervorragend rübergebracht worden. Aufgenommen auf der Wintertour Ende 2004 in Deutschland sprüht die Band nur so vor Spielfreude. Die alten Klassiker wirken frisch und unverbraucht. Joe Gooch spielt sich durch das Programm als hätte er nie etwas Anderes gemacht. Dabei läuft er auch nie Gefahr Alvin Lee zu kopieren, sondern drückt den Songs seinen ganz eigenen Stempel auf.
Nicht umsonst gibt es bei "Hear Me Calling", "Love Like A Man" und "I Can't Keep From Crying Sometimes" jeweils im Mittelteil Jams mit ausgedehnten Solopassagen an Gitarre und Keyboards. Auch die anderen TYA Classic Rocksongs werden mit unwahrscheinlich viel Gefühl und gleichzeitiger Power dargeboten. Hier sei vor allem "Good Morning Little Schoolgirl" erwähnt, das mit seinem schweren Rhythmus nur nach vorne treibt und auch ein Riesensolo an den sechs Saiten beinhaltet, was frenetischen Zwischenappplaus des Publikums zur Folge hatte. Joe Gooch at his best!
Natürlich nicht fehlen darf Ric Lees legendäres Schlagzeugsolo "Hobbit". Immer noch fesselnd und perfekt vorgetragen. Der Meister an den Sticks hat nichts verlernt. Ganz heiß auch die über zehnminütige Version von "I'm Going Home". Da ist es wieder, dieses einzigartige Gefühl, das mich immer wieder befällt, wenn ich den Konzertfilm von 1969 sehe. Schön, dass man diesen Überflieger auch 36 Jahre später noch mit der gleichen Dynamik live auf der Bühne erleben kann.
Das Interessanteste an diesem Live-Album sind aber die Mitschnitte der neuen Songs, die es bisher nur als Studio-Tapes auf CD gab. Und auch sie passen hervorragend in das Set. Egal, ob der Opener "King Of The Blues" oder "When It All Falls Down", auch "Time To Kill", alle Titel strotzen nur so vor Kraft und Schwung und stehen auf dem gleichen hohen Niveau der bewährten Nummern.
Insgesamt zeigt diese Live-CD, dass Ten Years After auch im Jahr 2005 so lebendig und frisch klingen wie in ihrer Anfangszeit. In dieser Form und mit dieser Spiellaune werden sie ihren Fans und allen Freunden guter Rockmusik noch viel Freude machen.
Also erst mal "Roadworks" anhören und dann nichts wie hin zum nächsten Konzert der Band. Es lohnt sich!


Spielzeit: 99,19 Minuten, Medium: DCD, Fast Western, 2005
CD 1:
1:King Of The Blues (4,17)2:Hear Me Calling (6,19) 3:Good Morning Little Schoolgirl (6,52) 4:When It All Falls Down (4,36) 5:Working On The Road (4,54) 6:Big Black 45 (5,23) 7:The Hobbit (7,48) 8:Living It Up (4,04)
CD 2:
1:Love Like A Man (7,21) 2:I'd Love To Change The World (5,52) 3:Time To Kill (6,24) 4:I Can't Keep From Crying Sometimes (14,48) 5:I'm Going Home (10,38) 6:Reasons Why (5,01) 7:Choo Choo Mama (4,51)
Jürgen Bauerochse, 30.11.2005