Tenacious D - Support: Sasquatch
13.08.2013, Zitadelle Spandau, Berlin
Zitadelle Spandau Tenacious D
Support: Sasquatch
Zitadelle Spandau, Berlin
13. August 2013
Stil: Heavy Metal


Konzertbericht vom 19.08.2013


Holger Ott
Dass es für mich heute ein spannender und aufregender Konzertabend wird, ist mir bereits Wochen vorher bewusst. Meine Freude darauf wächst täglich, denn was den deutschen Fans in diesem Jahr mit Tenacious D, der Band des Musikers und Schauspielers Jack Black, auf den Konzertbühnen geboten wird, ist mit Sicherheit einzigartig und um es schon mal vorsichtig anzudeuten, auch ein wenig ungewöhnlich. Man sollte also schon einen gewissen Hang zum Außergewöhnlichen haben, derbe Witze mögen und dem bösen F? Wort nicht negativ entgegen stehen. Wer zudem einen breit gefächerten Musikgeschmack besitzt und von soft bis hart alles mag, was so richtig reinhaut, der kommt an Tenacious D nicht mehr vorbei. Kein Wunder, dass die Spielstätte in Berlin, die Open Air-Arena Zitadelle Spandau, mit rund zehntausend Besuchern 'Sold Out' ist.
Bevor der Hauptact kommt, darf der Anheizer die Fans in die perfekte Stimmung bringen. Der Bühnenaufbau suggeriert allerdings weit mehr, als dann in knapp zwanzig Minuten Aufwärmphase geboten wird. Mein kürzestes Vorprogramm überhaupt, seit ich Zeit meines Lebens Konzertbesucher bin und zudem mit Abstand das Schlechteste, was ich als Musikfan von einem Supporter über mich ergehen lassen musste. Sasquatch, also die kanadische Wortwahl für Big Foot, nennt sich der Typ, dessen wahrer Name Mike Grey ist, als One Man Band im Fellkostüm auftritt und aus dem Tross von Tenacious D stammt. Nun gut, der Mann scheint ebenso abgedreht zu sein, wie die Hauptprotagonisten Jack Black und Kyle Gass. Aber selbst er hat inzwischen seine Fangemeinde und die schreit sich sogar schon vor dem offiziellen Einlass die Seele nach ihm aus dem Leib. Als er pünktlich die Bühne betritt, mag ihm sein Kostüm zwar vor der hereingebrochenen Kältewelle schützen, aber so richtig cool sieht er nicht unbedingt damit aus. Ohne viel zu reden, schrammelt er auf seiner Gibson herum und probiert sich durch diverse Titel der Musikgeschichte, wie "Black Betty" von Ram Jam und "Don't Stop Believing" aus dem Hause Journey. Ab und zu klemmt er sich stehend hinter sein Drum-Set und gibt mit der eher selten funktionierenden Kick-Drum den Takt vor. Als sich nach fünfzehn Minuten bereits zwei Techniker gleichzeitig um das Problem kümmern, benötigt er das Teil eh nicht mehr, gibt uns zum Abschluss noch den Blues mit "Yeti For Love" und stampft gemächlich von der Bühne. Ich denke, und da werden mir sicherlich Viele recht geben, jede Straßenband oder Solokünstler in der U-Bahn in Deutschland hätten das besser gemacht. Allerdings ist sein zweiter Auftritt im Verlauf der Tenacious D Show deutlich spannender und professioneller.
Bereits vor dem Einlass zeigt sich, dass an diesem Abend der Punk abgehen wird. Das Berlin Event Security Team, kurz B.E.S.T., ist mit mehreren Hundertschaften präsent, zieht strenge Kontrollen durch und riegelt zudem die Bühne wie einen Hochsicherheitsbereich bei einem Staatsbesuch ab. Sie werden im Verlauf des Konzertes noch jede Menge zu tun bekommen. Dabei steht doch eigentlich 'nur' ein Hollywoodstar auf der Bühne, wobei man Black und Gass immer als Team sehen sollte, nur dass der Eine mit seiner Schauspielerei etwas mehr Glück hat.
Beide sind sich auf der Schauspielschule begegnet und wie es oft bei späteren, tiefen Freundschaften ist, konnten sich beide anfangs nicht leiden. Erst das gemeinsame Interesse an der Musik hat dazu geführt, dass sie sich angenähert haben, viele Gemeinsamkeiten entdeckten und somit Tenacious D zum Leben erweckt haben. Nicht, wie es häufig bei berühmten Schauspielern vorkam, dass man sein Hobby zum Nebenjob gemacht hätte. Jack Black wurde erst später als Schauspieler groß und seit "School Of Rock" weiß jeder, dass er auch gut mit der Gitarre umgehen kann. Seitdem laufen beide Karrieren parallel und so abgedreht, wie er in seinen Blockbustern rüberkommt, so ist er ebenfalls auf der Bühne und bei der Wortwahl in seinen Texten. Da wird schon mal extrem heftig unter der Gürtellinie gearbeitet. Eigentlich sollten deshalb die Shows dem Jugendschutz unterliegen, doch selbst in unserem Land scheint sich niemand dafür zu interessieren und so entdecke ich im Publikum sehr viele junge Menschen, die normalerweise um 22.00 Uhr zu Hause sein müssten. Immerhin wird am Merchandise-Stand die aktuelle CD "Rize Of The Fenix" mit einem 'Censored'-Aufkleber versehen angeboten.
Aber daran will ich mich heute nicht weiter stören, auch nicht daran, dass die Fans gruppenweise volltrunken aus der Arena transportiert werden. Ich will heute meinen Spaß und erleben, wie durchgeknallt Jack Black wirklich ist. Natürlich kommt ihm auf der Bühne zugute, dass er Schauspieler ist. Seine Gestik und Mimik ist beispielhaft. Jede Szene sitzt perfekt wie im Film, dennoch lässt er sich des Öfteren gehen und rockt, was das Zeug hält. Er animiert die Fans, alleine mit seinen stechenden Blicken und die lassen sich nicht lange bitten, honorieren jede seiner Bewegungen mit lautem Gejohle und wünschen nach ihren Lieblingssongs. Dabei wird dann natürlich jedes Wort mitgesungen. Selbst die schwierigsten Textzeilen sitzen felsenfest in den Köpfen verankert. Black wird von der tobenden Masse nur noch stärker mitgerissen und dreht von Song zu Song immer mehr ab. BHs und alle möglichen Utensilien fliegen auf die Bühne. Eine Gruppe hat das Symbol der Tour, ein überdimensioniertes männliches Geschlechtsteil, nachgebaut und bevor es vom 'pogenden' Volk völlig zerstört wird, landet es als Trophäe auf der Bühne. Inzwischen ist Verstärkung für das Ordnerteam vor die Bühne gerückt und im Sekundentakt werden die Fans über die Absperrung gezogen, um nicht von der nachrückenden Menge zerdrückt zu werden. Auch ich muss mich etwas strecken, damit meine Rippen nicht am Geländer bersten. Der zusätzliche Wellenbrecher, in Höhe des Mischpultturmes, zeigt keinerlei Wirkung und anscheinend erfreut sich die Band an dem Aufruhr im Publikum. Black heizt die Meute nur noch mehr an, läuft wild gestikulierend von einer zur anderen Seite und hackt dabei auf seine kostbare Akustikgitarre ein. Zwischendurch frage ich mich immer wieder, warum er eigentlich nicht mal ne richtig geile Elektrische spielt. Vermutlich würde das nicht zur Show passen, die ja doch bis ins Kleinste theatralisch durchdacht ist. Nach jedem Song wird das Biedermann-Image aufgesetzt und das Duo Black/Gass bedankt sich höflich mit einem Diener bei den jubelnden Fans.
Der Einzige, der dabei immer cool bleibt, ist Kumpel Kyle Gass. An Körperumfang wieder deutlich zugenommen, bewegt er sich nur recht selten und steht oft in der Gegend herum, als könne er kein Wässerchen trüben. Ab und zu lässt er sich von seinem Busenfreund dazu verleiten, etwas heftiger in die Saiten zu greifen oder auch mal ein paar Zeilen zu singen. Hauptsächlich ist er aber für die melodiösen Intros zuständig. Wenn man sich das mal bitte vor das geistige Auge führt: Da steht ein 'alter Sack' auf der Bühne, spielt die ersten Noten eines Intros und mehrere Tausend junge Menschen im Alter unter zwanzig Jahren flippen völlig aus. Das hat doch was und ist schon das halbe Eintrittsgeld wert. Dieses ganze Drumherum macht erst ein Tenacious D-Konzert aus. Das Publikum ist ein großer, wichtiger Bestandteil der Show und in Berlin hat diese Symbiose perfekt funktioniert.
Trotzdem sollte man nicht die Musik außer acht lassen. Für die Hauptstadt wurde die Setliste in einigen Punkten abgeändert. Hier sind mehr die harten Sachen angesagt. Die Fans fordern lautstark und sie bekommen einen Kracher nach dem anderen. Der Titelsong der aktuellen CD "Rize Of The Fenix" eröffnet den Reigen. Gleichzeitig wird das überdimensionale Statussymbol aufgeblasen und streckt sich in voller Größe in den Abendhimmel. "Low Hangin' Fruit" und "Senorita", ebenfalls neu, kommen sehr gut an und runden den ersten durchgehenden Block ab. Jack Black hält seine erste Ansprache und versucht sich etwas in Deutsch. Dass er es noch viel besser kann, darf der Besucher etwas später per Leinwand bewundern. Der dann eingespielte Kurzfilm wird von beiden komplett in deutscher Sprache gesprochen. Inzwischen wenden sich die musikalischen Themen seinem Hobby, der Liebe zur Musik, zu. "The Road" und auch neu "Roadie", als Huldigung an die vielen kleinen Helfer und im Speziellen seines persönlichen Roadies, der ihn von Hacke bis Nacke verwöhnt. Natürlich Bestandteil der Show, lässt sich Black von ihm den Schweiß abwischen, sich mit Wasser direkt in den Mund versorgen, sich massieren und abtätscheln. Nicht zu vergessen, natürlich auch die Gitarren um den Hals hängen. Sozusagen sein persönlicher Sklave.
Ronnie James Dio, großes Vorbild von Jack Black, kommt im Song "Dio" zu gebührenden Ehren und führt zur Wehmutsstimmung unter den Fans. Es wird doch tatsächlich etwas melancholisch in der Zitadelle und als 'Bruder' Kyle auch noch die Band verlässt ("Kyle Left The Band"), kann er nur unter Bitten von 'Bruder' Jack und mit Hilfe der heulenden Fans zurück auf die Bühne geholt werden. Die Show und die Story sind perfekt in Szene gesetzt und echt reif für einen Oskar.
Plötzlich Töne wie aus einer anderen Welt: Ein Medley mit bekannten Werken von The Who wird angestimmt. "Pinball Wizard", "There's A Doctor" und "Listening To You" in einem Atemzug. Oft als Zugabe gespielt, ist das Medley in Berlin Bestandteil des Hauptprogramms. An gleicher Stelle steht sonst ein Ausflug mit Led Zeppelin auf dem Programm. Dafür hat es das folgende "Throw Down" in sich. Ebenfalls von der neuen CD und in ein anschließendes Filmchen mit besonderem 'Tiefgang' integriert. Zur Erklärung: Black und Gass führen einen Dialog auf der Bühne, in dem es darum geht, dass Kyle Jack zwanzig Euro schuldet. Dieser ist nicht zahlungsfähig und so muss sich Jack etwas einfallen lassen, um an Geld zu kommen. Eine Leinwand wird heruntergefahren und die Fortsetzung findet in einem Kurzfilm statt, deutscher Titel: "Dreißig Minuten später", im Original "Blow Me". Black steht in bayerischen Lederhosen mit freiem Oberkörper am Straßenrand und versucht, Autofahrer auf sich aufmerksam zu machen, denen er seine Dienste anbieten kann. Im Cabriolet mit dem Stern rollt Gass vor, verhandelt mit ihm und man einigt sich auf Oralverkehr für eben diese zwanzig Euro. Das Ende des Kurzfilmes ist ein 'spritziges' Vergnügen bei dem beide erst anschließend merken, mit wem sie es zu tun haben. Das Publikum in der Zitadelle tobt vor Begeisterung.
Wieder werden Sprechchöre laut, die unaufhörlich "Kickapoo" fordern und im Anschluss an "Kielbasa" wird der Wunsch endlich erfüllt. Publikum und Band sind völlig aus dem Häuschen. Als dann noch das laute Stampfen des monströsen Roboters "The Metal" aus dem Boxen dröhnt, ist der Höhepunkt fast erreicht. Dieser erneute Auftritt von Sasquatch, alias Mike Grey, im gezackten, bösen Outfit passt wie die Faust aufs Auge in die Show. Die Musik rockt jetzt nur noch. Fette Riffs und treibende Drums sorgen für grandiosen Heavy Metal-Sound, bei dem nun ein Hit den anderen jagt. "Beelzeboss", "We Beat The Devil" - hier zeigt Jack Black, woran sein Herz wirklich hängt. Er frönt den harten Tönen und ist nun endlich nicht mehr der berechenbare Schauspieler, sondern lässt sich im Rausch der Musik treiben und verausgabt sich dabei völlig. "Tribute", die Hymne des Duos, setzt fast den Schlusspunkt. Ordner und Sanitäter sind im Dauereinsatz, haben aber zum Glück wirklich alles im Griff. Somit scheint es kaum Verletzte zu geben, bis auf sehr viele, die dermaßen zugedröhnt sind, dass sie nicht mehr wissen, was sie tun oder wo sie sind. Während der letzten Songs des Hauptprogramms neigt sich das riesige Geschlechtsteil dem Publikum entgegen und ein Samenregen ergießt sich über alles, was sich vor der Bühne bewegt. Nach fast zwei Stunden volle Power kann es keinen besseren Höhepunkt geben.

Die Band hat wesentlich länger gespielt, als ich erwartet hatte und da die Spielzeit in Berlin leider immer noch begrenzt ist, gibt es nur zwei Zugaben in Kurzform. Jack Black schreit wie ein Baby im gleichnamigen Song und das Publikum darf sich auch noch einmal im Abschlussstück "Fuck Her Gently" befriedigt fühlen. Wie oft das Wort im Verlauf des Konzertes vorgekommen ist, vermag ich nicht zu sagen, aber es reicht garantiert bis zum nächsten Gastspiel von Tenacious D, bei dem ich mit Sicherheit und 'Hundert Pro' wieder dabei bin, denn ich steh total auf die Truppe und ich finde Jack Black richtig gut. Der Mann ist trotz Millionengage als Schauspieler einer von uns geblieben. Der wird nie vergessen, wo er hergekommen ist. Sein Herz hängt eindeutig an der Musik. Die Schauspielerei ist für ihn nur der Nebenjob, der ihm ein wenig Geld in die Tasche spült, damit er sich diese tollen Konzerte finanzieren kann.
Line-up Tenacious D:
Jack Black (vocals, acoustic guitar)
Kyle Gass (vocals, acoustic guitar)
John Konesby (guitar)
John Spiker (bass)
Brooks Wahrmann (drums)
Setliste Tenacious D:
01:Rize Of The Fenix
02:Low Hangin' Fruit
03:Senorita
04:The Road
05:Roadie
06:Dio
07:Dude (I Totally Miss You)
08:Kyle Quit The Band
09:Friendship
10:Wonderboy
11:Saxaboom
12:Pinball Wizard/There's A Doctor/Listening To You
13:Throw Down
14:Kielbasa
15:Kickapoo
16:Deth Starr
17:The Metal
18:Beelzeboss (The Final Showdown)
19:We Beat The Devil
20:Tribute
21:Double Team

Encore:
01:Baby
02:Fuck Her Gently
Externe Links: