Eine Warnung an alle Notare und Rechtsanwälte: Dieses Testament hat es in sich!
Fünf Jungs aus der Bay Area sind seit 1986 als Testament unterwegs und legen die gleichen Attitüden an den Tag, wie einst die Roten Khmer: Sie killen alles, was sich bewegt.
Vielleicht muss "Thrash Metal" aber auch so sein. Schnell, brutal, laut, aggressiv und gemein. Eines wird sämtliche Testamentsvollstrecker in aller Welt wohl überraschen. Gerade das Attribut "gemein" trifft auf die fünf Musiker im Bild nicht zu. Denn die DVD bringt es ans Licht. Die Erbschleicher von Testament wirken richtig nett. Klar geben sie sich doch irgendwie Mühe, ein bisschen böse zu sein. Wie sie dort so stehen, alle in optimistischem Schwarz uniformiert, in knallengen und ebenso schwarzen Hosen. Oder wenn sie reihenweise und ohne Unterlass originell den Mittelfinger präsentieren, sobald sich ein Kameraobjektiv auf sie richtet. Wären da nur nicht immer die Lachfältchen in den damals noch so jungen Gesichtern und das bubenhafte Grinsen, das sich schon mal auf die eine oder andere Grimasse schleicht. Machen wir uns und ihnen nichts vor! Trotz aller gegenteiligen Anstrengung sind die Burschen recht sympathisch.
Aber um es auch gleich vorwegzunehmen. Der Originalsound des Live Gigs ist es nicht. Im Gegenteil! Der ist grottenschlecht. Auch die optionale remasterte Version des Videos "Seen Between The Lines" bringt einen nicht viel weiter. Es scheppert ohne Unterlass. Bei dem remasterten Part zugegebener Maßen etwas dynamischer. Trotzdem ist der Klang selbst einer anständigen "Thrash Metal" Kapelle unwürdig. Denn schlechter Sound ist keine typische Eigenschaft irgendeiner Musik, für die Kohle hingelegt werden muss. Auf der anderen Seite zeigt dieser Mix aber auch, dass "Testament" vor nichts Angst haben. Nicht einmal vor der eigenen Authentizität.
Dass Testament wuchtig, gut ausgesteuert, ja sogar richtig klasse klingen können, wird auf der DVD ebenfalls bewiesen. Zu der Live-Performance gibt es nämlich die Videos "Practise What You Preach", "Souls of Black", "The Legacy" und "Nobody's Fault". Der Klang dieser Videoclips ist wirklich bombig. Richtig gelesen eben: "Nobody' s Fault"! Es handelt sich tatsächlich um die Testament-Version des Aerosmith-Klassikers. Testament werden damit nicht das musikalische Erbe von Aerosmith antreten können. Aber höchstwahrscheinlich wollten sie das auch gar nicht. Die Bildsequenzen deuten eher darauf hin, dass die Knaben in Schwarz wohl bloß zu einem Späßchen aufgelegt waren. Gelungen ist er allemal.
Der Live Mitschnitt umfasst 6 Songs. Dazwischen gibt's die Testamentarier vor dem Auftritt, nach der Show, in Interviews und überhaupt. Cool sind die Marshall-Wände im Bühnenbild. Teilweise sind bis zu drei Amps übereinander gestapelt. Und davor geht die wilde Lucy ab. Rätselhaft bleibt, warum die Birnen der Erbschleicher auf den Hälsen bleiben, bei einer solchen intensiven Stageaction.
Als Extras enthält die DVD die üblichen Beigaben wie eine Biographie, eine Discographie und eine Bildergalerie. Unter dem Menüpunkt "Dinner with Testament" kann man die Erbschleicher dabei bewundern, wie sie zu japanischem Fondue dummen Verzell halten. "Testament in Tokio" hingegen zeigt Testament in Tokio.
Statt eines Booklets ist der DVD das Titelbild als Poster beigefügt. Ob dieses Gimmick wirklich zielgruppengerecht ist? Dürfen wir mal gespannt sein, ob sich die mittlerweile mindestens Anfang Dreißig-jährigen Trasher dieses Ding ins Wohnzimmer hängen, zwischen der Lavalampe und dem Deckenfluter.
Für alle knallharten, unverwüstlichen Metalheads ist "Seen Between The Lines" eine brutale Reise ins Jahr 1991.
Gerade als man dachte, so nach dem kalten Krieg, nun wird alles gut, kamen Testament....
Medium: DVD, Escapi Music BV, 2005
1:Eris Inhabitans 2:Face In The Sky 3:Greenhouse Effects 4:Souls Of Black 5:Sins Of Omission 6:Disciples Of The Watch 7:Nobody's Fault (VC) 8:Practice What You Preache (VC) 9:Souls Of Black (VC) 10:The Legacy (VC)
Olli "Wahn" Wirtz, 23.02.2005
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