Twin Guitars und jede Menge Siebzigerjahre Nostalgie
Gleich zwei Rock-Legenden im Doppelpack - Thin Lizzy und Uriah Heep - haben das H2O in Reichenbach bei ihrer "Wake The Sleeper"-Tour in einem dreistündigen Konzert zum Kochen gebracht.
Die irisch-britischen Rock-Urgesteine hatten in den Siebziger Jahren ihre größten Triumphe und gleichzeitig auch die größten Niederlagen, die infolge von Todesfällen und dem Ausstieg der maßgeblichen Ideenlieferanten spürbare Folgen hinterließen und somit einerseits zur Auflösung und im anderen Fall zu mehreren Umbesetzungen führten.
Thin Lizzy, die 1969 in Irland gegründet wurden und mit dem schillernden Shouter und Bassisten Phil Lynott einen der talentiertesten Songschreiber in ihren Reihen hatten, haben sich, nach einer Reihe von ansehnlichen Charts-Erfolgen und Besetzungswechseln, nach dessen Tod Mitte der Achtzigerjahre aufgelöst.
Neu formiert und mit einem Sack voller poetischer Texte zu ihrem blueseingefärbten Hard Rock im Gepäck, haben die Iren von Thin Lizzy mit ihrer Vitalität und Lautstärke die angereisten Fans aller Altersgruppen durch ihre energiegeladene Show schwer beeindruckt.
In der jetzigen Besetzung mit dem blonden, langmähnigen John Sykes, dessen Stimme der seines Vorgängers täuschend ähnlich ist, scheint die ideale Besetzung zusammengekommen zu sein.
"Jailbreak", mit einem meisterlichen Gitarrensoli von Ur-Gitarist Scott Gorham aus den Lautsprechertürmen geballert, spülte die Erinnerung an vergangene Tage sofort wieder an die Oberfläche. Mit ansteckender Spielfreude folgten weitere Knaller, wie "Are You Ready", das druckvoll und harmonisch an die applaudierende Menge abgeschossen wurde.
"Dancing In The Moonlight" wurde von DiCosmos Bass mit soliden Grooves verziert und die Stimme von Sykes gönnte sich keine Atempause, um einen Track dieser Art nicht in Routine erstarren zu lassen.
Was wäre ein Konzert ohne die obligatorische Ballade? "I'm Still In Love With You" präsentiert sich in atmosphärischer Form, die Molltöne werden von gefühlvollen Fingern aus dem Gitarrenhals gegriffen, so dass beinahe eine Ode an den verstorbenen Frontmann entsteht, der durch seine Songs in den Herzen seiner Fans weiterlebt. Dass Drummer Tommy Aldridge mehr als ein Routinier an den Kesseln ist, bewies er mit einem fulminanten Drumsolo bei "Sha La La", bei dem er die Sticks auf die Fellen hämmern ließ, dass es eine wahre Freude war.
"Suicide" wurde mit derartiger Metal-Power in kurzen, knackigen Riffs serviert, dass die letzten Ohrmuscheln frei geblasen wurden. Ein weiterer Hagel von bekannten Riffs folgte mit "The Boys Are Back In Town", einem der wohl bekanntesten Klassiker, bei dem die Twin-Gitarrensoli sich dem vorgegebenen Strickmuster nahtlos anpassten. Beinahe hyperaktiv turnten die Finger der beiden Gitarristen über die Griffbretter. "Cold Sweat" wird als derartig heftiges Brett abgerockt, dass das Publikum tief in den Rock-Strudel gezogen wird. Die Band kennt keinen Stillstand, sondern ist permanent in Bewegung. Sykes schüttelt die Mähne und feuert mit dem letzten Programmpunkt, "Black Rose", noch einen gezielten Treffer in das Traditionsbewusstsein der Anwesenden. Mehrstimmige Gitarrenparts wechselten zwischen den schwer arbeitenden Gitarristen wie Tennisbälle hin und her. Nicht nur bei der älteren Garde, sondern auch bei den reichlich angetretenen Jüngeren sorgte der, wie immer, viel zu kurze Set für donnernden Applaus.
Nach kurzer Umbaupause standen die Hard Rock-Traditionalisten Uriah Heep auf den Brettern, die mit "Wake The Sleeper" gleich ein neues Album im Gepäck hatten.
Bei über 30 Millionen verkauften Scheiben und längerer Veröffentlichungspause brachten die britischen Hardrocker in ihrer aktuellen Besetzung einige Geschmacksproben aus ihrem Hit-Arsenal mit einem tosenden Gitarrengewitter auf die Bühne. Mick Box, Leadgitarrist und als einziges Urmitglied von Anfang an dabei, bringt mit "Stealin'" die Augen der Fans zum leuchten. "Sunrise" wird von Strahlemann Bernie Shaw exzellent und mit dem richtigen Spirit alter Tage angestimmt. Er ist, wie immer, ein rasendes Energiebündel. Von einer Ecke zur anderen sich bewegend, das Mikro ständig an den Lippen, ist der Shouter in ständiger Bewegung.
Der Titelsong des neuen Albums wird krachend auf der Sechssaitigen mit Metal-Einschlag serviert, Russell Gilbrook haut routiniert die Rhythmen aus den Kesseln und Bassist Trevor Bolder drischt den Tieftöner mit unbewegter Miene. "Gypsy" und "Look At Yourself", Klassiker aus der Bandhistorie, sind mittlerweile Gassenhauer, die vielstimmig mitgesungen werden. "Shadow" und "Warchild", aktuelle Tracks, überzeugen mit brettharten Riffs die deutlich machen, dass die etwas älteren Herren noch lange nicht an Rente denken. "Easy Livin'" und "Lady In Black" werden mit orchestraler Orgel von Phil Lanzon famos interpretiert. Die stets gut gelaunten Urväter des Fantasy-Hard Rock bringen einen Rockgeschichtsunterricht, der keinen der Anwesenden ruhig lässt. Uriah Heep elektrisierten jeden Zuschauer und zeigten trotz der vorgerückten Stunde, dass sie anscheinend noch ewig weiterrocken könnten.
Line-up Thin Lizzy:
John Sykes (vocals, guitar)
Scott Gorham (guitar)
Tommy Aldridge (drums)
Francesco DiCosmo (bass)
Line-up Uriah Heep:
Mick Box (guitar, vocals)
Trevor Bolder (bass, vocals)
Bernie Shaw (lead vocals)
Phil Lanzon (keyboards, vocals)
Russell Gilbrook (drums, vocals)
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