Thunder = Donner oder donnern, ich hätte gewarnt sein müssen!
Aber der Reihe nach!
Seit ich diese britische Institution des zeitlosen Hardrocks mit Rock 'n' Roll-, Blues-, Soul- und Funkschattierungen erstmals auf einem deutschen Feld-, Wald- und Wiesen-Festival der Superlative als 45 minütigen Weckdienst für die sich im Kollektivkoma befindlichen Partyfestivalbesucher erlebt habe, und sich die Jungs trotz des unfassbaren Desinteresses den A... abspielten, wollte ich diesen Fünfer unbedingt mal in einem Klub mit ZuschauerInnen erleben, die diese Bezeichnung auch wirklich verdient haben.
Nur leider ließen sie sich, wohl ob des unverdientermaßen ausbleibenden kommerziellen Erfolgs im Lande der Bohlens und Siegels, nie in meiner mittelbaren Nähe blicken, und ehe ich mich versah, hatte sich die Gruppe 1999 aufgelöst. Schließlich haben die britischen PlattenkäuferInnen der Neuzeit auch nicht wirklich das, was den Begriff eines Musikgeschmacks rechtfertigt!
Umso größer war meine Freude, als sich Thunder 2003 mit dem großartigen "Shooting At The Sun" wieder zurückmeldeten.
Und weitere 2 Jahre später war es endlich soweit: Thunder back on stage!
7 Jahre nach ihrem letzten Besuch der Freien Hansestadt Hamburg wollten sie der altehrwürdigen 'Fabrik' wieder ihre Aufwartung machen. Dieses allerdings bereits im März, was wegen einer Erkrankung von Sänger und Frontmann Danny Bowes verschoben werden musste.
Jetzt, im Wonnemonat Mai, konnte es aber endlich losgehen.
Nach einer sehr leckeren und empfehlenswerten kulinarischen Stärkung beim Orientalen schräg gegenüber der Fabrik, direkt an der Kreuzung, entern zunächst die Hamburger Lokalmatadoren von 3Wishes die Bühne.
Sie bieten den leider noch nicht so zahlreich Anwesenden soliden Melodic-Hardrock mit allen Posen des Genres und letztlich nur eingeschränktem Wiedererkennungswert, haben aber durchaus ihr Handwerk gelernt und präsentieren neben einigen älteren Titeln ihrer ersten beiden Longplayer überwiegend Material des brandneuen Albums "Face Your Fears".
Das ist alles ganz gefällig, lockt die Leute aber nicht wirklich aus der Reserve und erinnert teilweise an den Sound der 80er, als solche Bands noch Spandexhosen und Fönfrisuren trugen, worauf die Jungs von 3Wishes aber dankenswerterweise verzichten.
Der Zeitrahmen scheint eng gesteckt zu sein, denn nach ziemlich genau 40 Minuten ist Schluss, der sehr sympathisch rüberkommende Sänger Andreas Knaak, der im übrigen seinen Job sehr kompetent und intonationssicher verrichtet, und seine Bandkollegen verabschieden sich artig und es folgt die Umbaupause, um die Basis für die folgenden Ereignisse zu schaffen.
Um ca. 22.10 Uhr ist es dann endlich soweit, eine Art Westernfanfare läutet analog zur Plattencovergestaltung der aktuellen Thunder-Scheibe The Magnificent Seventh den Prolog ein, der schließlich durch die ersten Riffs von "Loser" vom 2003er "Shooting At The Sun" jäh beendet wird.
Ja, ja, Thunder = Donner bzw. donnern, Schlagwerker Harry James nimmt dieses absolut wörtlich und wuchtet uns einen Drumsound in die Ohren, dass ich sofortigst verschreckt an meinen latenten Tinnitus denken muss.
Mist, keine Ohrstöpsel dabei, noch nicht einmal n' Papiertaschentuch, und der Kerl haut auf die Felle mit einer Lautstärke, als wolle er die gesamte 'AOL-Arena' beschallen!
Dabei befinden wir uns doch in der vergleichsweise sehr überschaubaren 'Fabrik', was die sonstige Abmischung auch zu berücksichtigen scheint.
Ich schreibe bewusst scheint, denn zumindest von den beiden Gitarristen Luke Morley und Ben Matthews höre ich nicht besonders viel, schon gar nicht, wer was im Augenblick eigentlich spielt. Sie werden vom Donnerhall der Bass- und Snaredrums vollkommen übertönt, was ich persönlich wirklich nicht nachvollziehen kann.
Denn das hat die Band, allen voran Harry James gar nicht nötig, ihr Ensemblespiel ist nämlich phantastisch und wirklich heavy sollen doch andere Kapellen spielen und tönen!
Thunder ist im Grunde eine klassische Rock 'n' Roll Band härterer Gangart, mit wohldosiert eingesetzten Rockballaden, die es immer schaffen, knapp der Kitschfalle zu entkommen.
Genauso verhält es sich auch bei diesem Konzert, welches vor allem einen Gewinner hervorbringt: Danny Bowes!
Liebe Leute, trotz der lebensgefährlichen Trommelfellattacken von Harry James kann sich der Sänger souverän durchsetzen und versprüht dabei eine Energie und Leidenschaft, die ich so bisher nur ganz selten erlebt habe.
Darüber hinaus entpuppt sich der Mann als begnadeter Entertainer. Von der ersten Sekunde an hat er das jetzt zahlreichere Publikum vollkommen in der Hand, nein, anders, es frisst ihm geradezu aus selbiger!
Da sitzt jede Bewegung, jeder Augenaufschlag! Seine Gestik und Mimik ist einfach umwerfend und very, very british. Dazu kommuniziert er häufig mit dem Publikum und lässt dabei viel englischen Mutterwitz und Schalk im Nacken erkennen.
So befragt er das Auditorium, wer denn bitte schön im Besitz der aktuellen Scheibe sei, woraufhin sich alle zu melden scheinen. Er macht die Gegenprobe, und prompt meldet sich doch einer, der sich von nun an häufiger im Fokus des Interesses von Danny Bowes befindet. "Und nun für alle, außer dem Gentleman da hinten rechts, gibt's etwa in Hamburg keine Plattenläden mehr, oder sei er einfach nur zu faul?" , so in etwa amüsiert sich Bowes auf der Bühne und wir alle lachen herzlich mit.
Schließlich werde ich selber 'Opfer' einer Boweschen 'Attacke ', denn dieser hat natürlich längst registriert, dass ich kein Thunder-Shirt trage, sondern die guten alten Black Crowes anno 1991. Und da das bekanntermaßen ebenfalls eine klassische Rock 'n' Roll Kapelle der etwas härteren Gangart ist, bekomme ich selbstredend beim neuen Gassenhauer "I Love You More Than Rock 'n' Roll" mein Fett weg, indem er mich fragt, "ob das jetzt für Mr. Crowes genug Rock 'n' Roll sei?". Ich bestätige dies umgehend mit markerschütterndem Gebrüll beim Refrain, was aber glücklicherweise ziemlich untergeht, da alle um mich herum ebenfalls brüllen, was die Stimmbänder hergeben.
Ja, das ist überhaupt ein Trademark der Musik von Thunder. Teilweise werden die Refrainchöre des Publikums perfekt von Danny Bowes in Szene gesetzt. Einstimmig, mehrstimmig, links, rechts, mittig, oben links, oben rechts, nur die Männer, nur die Frauen, alle zusammen, also die gesamte Palette.
Gotthilf Fischer lässt grüßen!!!
Und es wird dankbar aufgegriffen, von hanseatischer Zurückhaltung ist nichts zu spüren!
Aber noch wichtiger als die Animations- und Entertainmentqualitäten von Danny Bowes ist seine überragende stimmliche Performance!
Die Zwangspause scheint ihm sehr gut getan zu haben, denn ich habe ihn ehrlicherweise noch nie so gut singen gehört, weder auf Live-Scheiben, noch auf den Studioproduktionen. Da sitzt jeder Ton, mal hart, mal weich, mal kratzig, mal rein und klar, mal wird geshoutet was das Zeug hält und mal fast nur geflüstert, wirklich überragend.
Und dachte ich bisher, dass er sich in der Klasse und Kategorie eines Paul Rodgers bewegt, so fühle ich mich an diesem Abend ständig an 'the one and only' Steve Marriott erinnert!
Neben dieser absoluten Lichtgestalt verblassen seine Bandkollegen etwas.
Harry James Versuch, dieses zu kompensieren habe ich schon beschrieben, immerhin bekommt dieser noch in der Zugabe einen Solospot, indem er mit Akustikklampfe zunächst ein schräges "Smoke On The Water" andeutet, um anschließend den bandeigenen Klassiker "A Better Man" zu intonieren. Damit hat er natürlich alle Sympathien und das Publikum auf seiner Seite, und meine malträtierten Ohren können sich kurz erholen.
Luke Morley und Ben Matthews dagegen haben es schwer, sich zu profilieren. Einerseits wegen der bereits beschriebenen Soundprobleme, andererseits weil ich meine herausgefunden zu haben, dass beide nicht zu den größten Axtsolisten dieses Planeten gehören. Wirklich besonderes habe ich von beiden nicht vernommen, charakteristischer sind da schon eher die Riffideen eines Luke Morley, der überhaupt häufiger Rhythm spielt, als ich das vorher vermutet hatte und gar nicht so selten die Leadguitar Ben Matthews überlässt, der teilweise einen hübschen Gibsonsound hinzaubert. Darüber hinaus bereichert er den Sound sporadisch mit Orgelklängen, sofern diese denn die Chance haben, überhaupt durchzudringen.
Bassist Chris Childs hält unterdessen souverän den ganzen Laden zusammen.
Letztlich gilt hier analog zur Sprache im Fußball: Der Star ist die Mannschaft, mit Danny Bowes als Regisseur, ohne dem auch kein Fußballkollektiv auskommt!
Vom Programm her gibt es ca. 6(!) Songs vom hervorragenden aktuellen Album, zwei meines Erachtens sehr starke Songs von "Shooting At The Sun" ("Loser" und "Somebody Get Me A Spin Doctor") und ein ausgewogenes Best Of ihrer bisherigen Karriere.
Das grandiose Finale bestreitet schließlich das begeisterte Publikum, indem es bei "Dirty Love" vor lauter Brüllerei das Dach der 'Fabrik' geradezu abheben lässt.
Nach 105 äußerst fulminanten Minuten ist mein Tinnitus total betäubt, meine Knie etwas wacklig und meine Stimme völlig im Eimer, aber nicht nur ich denke wohl dass, solange solche Kapellen wie Thunder unterwegs sind, der Rock 'n' Roll noch lange quicklebendig in unsere Gehörgänge fetzen wird, ob nun mit oder ohne Hochfrequenzgepiepe!
Denn eines haben sie, allen voran ihr Sticksman, unmissverständlich deutlich gemacht:
Thunder = Donner oder donnern!!!
Und nicht zuletzt bemerke ich quasi im Outro dieses memorablen Abends eine äußerst trockene Kehle, die ich aber erst am Tag darauf zu stillen gedenke, wo es mich dann in den mir bisher unbekannten Spreewald verschlagen wird.
Das ist dann aber eine andere Story...
Unser Dank geht an Sabine und Raphaela von 'Moderne Welt' für die Akkreditierung.
Thunder - Hamburg - Fabrik, 25. 05. 2005
Olaf "Olli" Oetken, 02.06.2005
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