Vorsicht: Ein musikalischer Schwertransport rollt hier auf Euch zu - springt auf, wenn Ihr nicht unter die Räder kommen wollt. Dieser Tieflader, mit seinem kraftvollen Turbolader, hat einen gewaltigen Klotz Schwermetall geladen - rau, laut, gnadenlos brutal und schweißtreibend...
Die vierköpfige Band stammt aus Stuttgart und legt mit "Schreit nach Vergeltung" ein ungewöhnliches Livealbum vor. Bemerkenswert, weil es gar nicht wie ein solches klingt. Sound und Produktion sind derart fett und dicht, wie man dies nur von Studioaufnahmen kennt. Aufsehen erregend auch, weil hier zehn neue Songs LIVE präsentiert werden, wahrscheinlich, um deren urwüchsige Energie unverfälscht, direkt zu transportieren.
Die Aufnahmen zu "Schreit nach Vergeltung" wurden im Frühjahr 2013 an drei Abenden im Stuttgarter Cue aufgezeichnet. Mit Gästen, die es in sich haben - doch dazu später mehr...
Die vier Burschen von Tieflader haben es faustdick hinter den Ohren. Vor allem der erstklassige Gitarrist Alex Scholpp, der seit geraumer Zeit Tarja begleitet und in dieser Funktion sicherlich den Kontakt zu dem ersten musikalischen Gast hergestellt hat: Apocalypticas Max Lilja verzaubert mit seinem Cello das balladeske "Dämmerung" zum - für meinen Geschmack - schönsten Werk dieser Scheibe, das geradezu nach Repeat-Taste-Drücken schreit.
Die Rhythmusfraktion, Robert Swoboda und Benjamin Baur, ergänzen ihren Gitarristen, ohne Ende powernd und polternd wie Sänger Doc Schneider, der mit seinem heiseren, oft Screamo-artigen Shouting perfekt zu dieser extrem hardrockigen Schwermetall-Band passt.
Zunächst schätze ich es als überaus lobenswert ein, Schwermetall mit deutschen Texten zu transportieren - quasi per 'Tieflader', haha. Zudem eine mutige, aber kluge Entscheidung, denn diese Verbindung kommt ganz exzellent rüber. Die hintergründigen Texte weisen teilweise recht bemerkenswert gesellschaftskritische Ansatzpunkte (Atomwahnsinn, Gier etc.) auf. Allerdings - das ist eine sehr persönliche Empfindung - sehne ich mich in diesem Zusammenhang doch ein wenig nach den Achtzigern zurück, als offensichtlicher und konkreter war, auf welcher 'Seite' der Texter politisch zu verorten war. Heute verschwimmen die Grenzen bedenklich, was manche Bands gefährlich im Trüben fischen und dabei die Saubermänner rauskehren lässt. Auch wenn dies ein gesamtgesellschaftliches Phänomen ist und ich hier ausdrücklich NICHT auf Tieflader anspiele, würde ich mich mit etwas mehr Eindeutigkeit und weniger Simplifizierung in manchen Passagen wohler fühlen. Die anfangs schrillenden 'Alarmglocken' entpuppen sich allerdings im Fall von Tieflader als glatter Fehlalarm.
Abgesehen von der energiegeladenen Show fehlt es mir bei Tieflader in der 'Basisversion' ein wenig an Abwechslung. Dafür sorgen allerdings die jeweiligen Gäste! In den beiden eröffnenden Nummern, von denen mir das rhythmische "Es hört nie auf" wirklich gut gefällt, ist dies der ebenfalls Tarja-erprobte Christian Kretschmar mit seinen (leider etwas zu dezenten) Keyboardpassagen. Extrem cool kommt Hansmartin Eberhards verschärftes Sax in "Steh auf" - natürlich ein völlig anderer Part als bei der Mardi Gras.BB, aber kein Stückchen weniger geil. Noch eine Portion abgedrehter ist Hans-Peter Ockerts jazziges Spiel in "Schrei nach Vergeltung". Für seine Experimentierfreude ist der Dozent an der Musik- und Kunsthochschule Böblingen bekannt - sein Beitrag hier ist schlichtweg großartig.
Das donnernde "Fukushima" transportiert den Wahnsinn, der sich dort abspielt und dies noch auf Jahrzehnte, ausgezeichnet. "Friede" war einer der Songs, deren Textpassagen mich anfänglich etwas 'misstrauisch' gemacht hatten, aber das kraftvoll pumpende Stück ist nicht nur unbedenklich, sondern auch klasse gemacht. Groß war die Freude auf ein 'Wiederhören' mit dem Wolfman, Volker Kunschner. Zumindest allen Lizard-Fans sollte dieser Hammond-Gott bestens vertraut sein... ich sage nur 'Abschiedskonzert'!! Leider geht sein exquisites Orgelspiel im hämmernden Sound von Tiefladers 'Katjuscha' (Stalinorgel) etwas unter.
Obwohl ich mich nicht gerade als Heavy Metal-Freak bezeichnen würde, kann ich das immerhin schon sechste Album des Stuttgarter Schwertransporters all diesen gerne empfehlen. Die Beschäftigung mit der Musik, aber auch den Texten, war durchaus anregend. Vor allem finde ich es mutig und aller Ehren wert, dass Tieflader sich ausschließlich ihrer Muttersprache bedienen. Wäre schön, wenn dieses Beispiel in dem Genre Schule machen würde..
Line-up:
Patrick 'Doc' Schneider (Gesang)
Alex Scholpp (Gitarre)
Robert Swoboda (Bass)
Benjamin Baur (Schlagzeug)
Gäste:
Christian Kretschmar (Keyboards - #1,2)
Max Lilja (Cello - #4)
Hansmartin Eberhardt (Saxofon - #6)
Hans-Peter Ockert (Trompete - #7)
Volker 'The Wolfman' Kunschner (Hammond B3 - #10)
Tracklist |
01:Bring das Opfer (3:30)
02:Es hört nie auf (4:41)
03:Hunger (4:16)
04:Dämmerung (6:06)
05:Das Ende der Welt (3:16)
06:Steh auf (4:48)
07:Schrei nach Vergeltung (6:35)
08:Fukushima (4:00)
09:Friede (4:25)
10:Wiedersehen (5:01)
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