»Rock Bands sind Schiffen ähnlich. Sie laufen unter den Fanfaren der Öffentlichkeit vom Stapel, nehmen eine Menge Passagiere für hochinteressante Reisen auf und sinken dann ohne Spuren zu hinterlassen.«
So beginnt der (englische) Text im Booklet. Und da ist was dran. Obwohl wir ja wissen, dass nicht alle Bands dieses Schicksal erleiden mussten (viele Dinosaurier sind immer noch - manche sogar sehr - erfolgreich), ist die Anzahl derer, die es nicht geschafft haben, ansehnlich groß. Und vergessen sind sie leider auch. Titanic war eine solche Band. Eine andere, die mir in diesem Zusammenhang spontan einfällt, ist Gentle Giant. Beide Formationen haben zum Teil hervorragende Platten gemacht, aber wie es eben so ist ...
Titanic war eine 1969 gegründete, 5-köpfige Band aus Oslo, Norwegen (mit einem Engländer am Mikro) und haben im Übergang der Dekade mehrere Longplayer veröffentlicht. Die LP steht noch in meinem Haushalt, ebenso wie das zweite Album "Sea Wolf" von 1972 - und beide sind in ihrer Erstehungszeit auf meinem Plattenspieler halb totgenudelt worden.
Die Debüt-Platte, von der hier die Rede ist, erschien 1970 auf dem Columbia-Label und ist zumindest den Insidern in Europa positiv aufgefallen. Repertoire Records kann man nur Respekt zollen, diese Platte als CD aufgelegt zu haben, obwohl man davon ausgehen muss, dass der Kreis der Käuferklientel vorhersehbar gering oder besser kaum existent sein wird.
Wegen ihres Hits "Sultana" vom "Sea Wolf"-Album - die Ähnlichkeit der Schreibweise dieses Songs mit dem Namen Santana war wohl gewollt - wurden sie dann in dieser Schublade abgelegt. Klar, dieser Track klang tatsächlich durch seine Percussions auch ähnlich, allerdings ohne die Gitarre von Carlos rüberbringen zu wollen oder zu können.
Man stellt eher fest, dass die Musiker (auch) auf ihrer ersten Platte wohl kein echtes Konzept hatten. Die Substanz der Band lag nämlich ebenso in Parallelen zu Yes aus eben jener Zeit. Im Gegensatz zu diesen hatten Titanic damals auch schwere Rocksounds im Angebot. Wir sprechen immerhin von der Zeit, als das 1971er "Yes Album" noch lange nicht erschienen war. Titanic haben bei der Geburt des Prog-Rock zumindest an der Eingangstür der Entbindungsstation gestanden und waren seltsamerweise gleichzeitig poppig verspielt.
Der Einstieg in das Album mit "Searchin'" ließ mit schweren Hammond- und Percussion-Klängen aufhorchen, die perfekt von einer klagenden Gitarre unterstützt werden. Die Pop-Schiene dieses Musik-Potpourris wird mit "Mary Jane" bedient, das irgendwie als Kreuzung zwischen den Bee Gees und den Beatles beim Hörer ankommt.
Beatles pur dann - nomen est nomen - in "Cry For A Beatle" als Wehmutsklage an die 'seligen', damals erst 3 Jahre vergangenen Zeiten von "Magical Mystery Tour", das bekanntlich 1967 erschien. Beide Tränendrücker konnten mich jedoch nie packen. Hier wurden die Vorbilder einfach zu stark (oder penetrant?) kopiert, bei "Cry for a Beatle" glaubt man gar, eine alte CD der 'Fab Four' im Player zu haben. Aber gekonnt ist das schon, selbst wenn man damit nichts gewinnen kann.
Dagegen ist "Something On My Mind" ein ganz anderes Kaliber. Heavy, groovy - mit Wah-Wah ohne Ende - das war doch eher der Sound, der zu mir passte, als ich mal 15 war. Den Regeln der Zeit entsprechend, einen recht langen Track einzuspielen, gibt es mit "I See No Reason" ein über 8-minütiges Epos, das dann auch die musikalische Krönung des Albums darstellt, jedoch die Konzeptionslosigkeit des kompletten Albums auch innerhalb des selben Songs zur Schau stellt. Aber trotz (oder gerade wegen?) dessen, hier wurden fast alle Stile zu einem Amalgam zusammengeschmolzen, dass man selbst heute nur staunen kann. Der Song startet langsam, eher als Pop-Song, um dann immer mehr an Fahrt zu gewinnen und in einem rauschhaften Finale zu enden, bei dem sich Drums (und Percussions!), die Hammond und die Gitarren nichts schenken.
Als Bonustracks gibt es auf dieser CD unter anderem "Santa Fé", das Anfang 1971 auch in deutschen Discos öfter mal neben "Magic Bus" vom "Live At Leeds"-Album der Who aufgelegt wurde. In Discos? Die Who und Co? Aber sicher! Discos waren zu jener Zeit was ganz anders, als man dies seit etwa 1976 kennt. Aber das weiß natürlich jeder, der 2005 die magische Grenze von 50 Lebensjahren überschritten und damit diese 'musikalische Revolution' auch in ihrem Subkulturumfeld, was Discos ja zweifelsohne Ende der 60er/Anfang der 70er waren, authentisch miterlebt hat.
Eine Empfehlung ist diese Platte an alle Zeitgenossen, die sie noch von damals kennen. Es macht Spaß, diese Songs wieder zu hören, vor allem auf dem viel besseren Equipment, das heute im Zimmer steht und logischerweise dem überlegenen Klang des Remasterings.
Als eine Band, die stilgebend war, sind Titanic zu recht nie aufgefallen. Also ein Fall für Liebhaber. Und genau deshalb der Dank an Repertoire Records. Es wäre traurig, wenn nur noch damals kommerziell hypererfolgreiche Releases wiederveröffentlicht würden. Es wär eine arme Welt!
Spielzeit: 44:53, Medium: CD, Repertoire Records, 2002 (Columbia Records 1970), Rock
1:Searchin' 2:Love Is Love 3:Mary Jane 4:Cry For A Beatle 5:Something On My Mind 6:Firewater 7:Schizmatic Mind 8:I See No Reason
Bonustracks: 10:Half Breed 11:Santa Fé
Manni Hüther, 09.07.2006
Externe Links:
...Leider keinen Link zur Band gefunden. Die sind im virtuellen Leben so wenig präsent wie im richtigen. Wenigstens das Musik-Zentralorgan "AMG" listet dankenswerterweise (wenn auch ohne jegliche Beschreibung) die Platten auf.
|