Gleich zwei unserer Gastschreiber haben sich Torians "Dawn" vorgenommen. Die Jungs scheinen also anzukommen.
Gunnar legt vor:
Gut eine Dekade nach ihrer Gründung präsentieren uns die fünf Powermetaller aus Paderborn ihr drittes Werk "Dawn". Falls an der 'Make it or break it'-Regel, das dritte Album einer Band betreffend, irgendetwas dran ist, kann man zumindest davon ausgehen, dass Torian ihren Bekanntheitsgrad noch deutlich werden steigern können. Denn auch wenn man mit "Dawn" sicher in Anbetracht der vorherrschenden Masse an Bands keinen weltweiten Bekanntheitsgrad erreichen wird, ist doch ein überdurchschnittlich gutes, erfrischend schnörkelloses und dennoch innerhalb des traditionellen Metal-Spektrums sehr abwechslungsreiches Album gelungen.
Bereits seit dem ersten Silberling "Dreams Under Ice" verschreibt man sich kraftvollem Heavy Metal in der Schnittmenge aus typischem Teutonenstahl irgendwo zwischen Rage, Helloween und alten Blind Guardian. Letztere Referenz kann man vor allem aufgrund der gelungenen, begrüßenswerten Speed- und Thrash-Passagen anbringen, die "Dawn" auf ein gesundes Härteniveau hieven, das bei eingängigem Heavy Metal ja leider nicht mehr allzu selbstverständlich ist (ja, das geht an die Adresse der gefühlten drei Millionen so genannter 'Power Metal'-Bands da draußen, die beides nicht sind, weder Metal noch irgendwelche Anzeichen von Power haben).
Dabei können Torian aus allen Bereichen etwas, zelebrieren ruhige, fast schon anmutige Passagen, variieren geschickt das Tempo und puzzeln dazu zwar schon mal irgendwie gehörte, aber in diesem Kontext effektive Refrains und Gesanglinien ("Lost Command"), erzeugen mit zerbrechlich und traurig schön wirkenden Parts eine gekonnte und gut in den Gesamtsound der Band sich einbettende Melancholie ("Oceans", keine Sorge, die melancholische Seite wird auf dem Album auch nicht überstrapaziert) und treibende Ohrwürmer wie "Fall Of The Golden Towers" und "Grateful", deren Refrain auch von Gamma Ray oder Edguy stammen könnte. An Produktion und handwerklichem Können gibt es nichts Wirkliches zu bemängeln, manchmal wirken die Vocals etwas limitiert ob ihrer Bandbreite, gerade bei den ruhigeren Stellen, die Stimme von Sänger Marc passt aber sonst ganz gut zum Material, insbesondere wenn es härter und schneller wird und hat auch genug Kraft, um viel Spaß mit der Scheibe zu haben.
Dazu kommen noch weiterhin harte, rifflastige Nummern mittleren Tempos wie "Lords Of Babylon" und nicht zu vergessen die bereits erwähnten, mit schnellen Thrash-Eruptionen aufgewerteten Songs wie "Soul Desert Asylum". Das und der über 16minütige, nie langweilig wirkende Titeltrack machen "Dawn" zu einer der besten deutschen Neuerscheinungen der letzten Monate, die sich ganz gewiss auch international nicht zu verstecken braucht.
Well done!
Und nun Peter, der sogar die Höchstnote vergibt: 
Meine wunderschöne Heimatstadt Paderborn, erzkatholisch, CDU-dominiert, ist das Basislager von Torian. Seit nunmehr fast zehn Jahren wird nur ein Ziel verfolgt. Nein, nicht der Weltfrieden. Die erste Liga des Heavy Metal, die bel étage, der Traum jedes HM- positiv infizierten Musikers, dort anzukommen, sich zu etablieren und den altersschwachen Platzhirschen ordentlich ans Bein zu pinkeln. Diesem Ziel sind Torian Jahr um Jahr immer ein Stück näher gekommen.
Mit insgesamt 2,5 Veröffentlichungen in guter bis überragender Güteklasse haben sich die fünf wackeren
Streiter für eine bessere schwer-metallische Grundversorgung in der Spitzenklasse der zweiten Liga als potentieller Anwärter für die erste Liga etabliert. Nun soll mit dem dritten Frontalangriff wider den schlechten Geschmack das hart erkämpfte Ziel Realität werden.
Eine Frage bleibt natürlich: 'Dawn' oder 'Yawn'? Aufbruch in eine neue Zeit oder der Kampf mit der Orientierungslosigkeit? Ist das dritte Album einer Band die berühmte 'make it or break it'-Veröffentlichung?
Im aktuellen Fall würde ich sagen, ja! Mit ganz vielen Ausrufungszeichen. Natürlich wird auch hier das Rad nicht neu erfunden, aber trotzdem lebt "Dawn" genauso wie das vorherige "Thundertimes" nicht nur vom Hören und Genießen. Es sind die vielen Kleinigkeiten, die sich ein um das andere Mal neu erschließen und so jeden Titel immer wieder in einem anderen Licht erscheinen lassen. "Dawn" braucht Zeit um genauso zu reifen wie schottischer Malt Whisky. Somit ist Zeit ein ganz wichtiger Faktor, um die mehr als 60-minütige, zwölf Titel umfassende Werkschau in ihrer Gesamtheit zu verstehen und dann gebührend zu lobpreisen.
Wurde der Vorgänger "Thundertimes" zu Recht allerorten gebührend bewertet, müsste der Druck auf die Band einen zumindest gleichwertigen Nachfolger auf den Weg zu bringen, entsprechend groß gewesen sein. Ist es möglich "Headless Redeemers", "Stormbringer" oder das überlange "Eternal Dreamless Sleep" zu überbieten? Titel mit Referenzcharakter, an denen sich manch anderer Mitbewerber für alle Ewigkeiten die Zähne ausbeißt? Ja, es ist möglich! Hölle, Hölle, Hölle, ist das ein heißes Eisen!
Reinster Stahl ohne Schrottanteil! Pures rotglühendes Edelmetall! Von Schmieden, die ihr Handwerk verstehen, in Form gebracht. Nicht verformt. Wäre ich mit einer weiteren Silberscheibe im gleichen Stil wie der Vorgänger bemustert worden, es ware mir recht gewesen. Nur nicht das Niveau unterschreiten. Allerdings, was ich zum mittlerweile fünfzigsten Mal (ich habe eine gedankliche Strichliste angefertigt) höre, ist die Belohnung für den ganzen Schund, den ich während der ersten vier Monate diesen Jahres ertrage musste. "Dawn" lebt von der Überzeugung seiner Erschaffer, von frischen, unverbrauchten Ideen und vom Wissen, dass am Ende des Entstehungsprozesses etwas Großes entstehen wird. "Dawn" ist dramaturgisch geschickt aufgebaut, lässt mit instrumentalen Steigerungen gegenüber den beiden
Vorgängerscheiben die Ohren ein um das andere Mal freudig wackeln. Es bedarf keines renommierten Studios am nördlichen Polarkreis, keines Namedroppings mit dem Logo abgehalfterter Ex-Promimusiker, die durch Gastbeiträge ihr karges Hartz IV-Salär aufbessern wollen.
Quasi vor der Haustür fand sich alles, um diese CD mit geschickt arrangierten Keyboardpassagen, großartigen aber nicht übertriebenen Chorgesängen und einer mehr als druckvollen Produktion zu einem überzeugenden Ganzen zusammenzufügen.
Müsste ich aus den neun Haupttiteln, drei sinnergebende Instrumentaltitel außen vorgelassen, einen aussuchen, der stellvertretend für alle anderen steht, kann es nur eine Wahl geben. Den abschließenden Titelsong! 16:30 Minuten! Die Quintessenz der ganzen CD! Alles was vorher gehört wurde, nochmals zusammengefasst. Vollgas voraus, ruhige balladeske Momente, das Gaspedal wieder bis zum Anschlag
durchgetreten, gesangliche Leistungen vom Feinsten, alles gut gemischt und kein bisschen langweilig.
Torian sind auf der Überholspur an Blind Guardian, Brainstorm, Rage, Iced Earth und ähnlichen Mitbewerbern ganz gemütlich vorbeigezogen. Bei der Korrekturlesung dieses Review höre ich Rages neuestes Opus. Stumpf, dumpf, ohne Willen zur Anstrengung. Im Gegensatz zu "Dawn" und Torian, die sich ohne nukleare Blähungen ihre Lorbeeren hart erarbeiten müssen und somit ehrlich und authentisch bleiben.
Während der heimische SC Paderborn 07 ganz vorsichtig an die Tür zur Bundesliga geklopft hat, sind Torian gleich durch gestürmt und haben es sich in der Champions-League gemütlich eingerichtet.
Line-up:
Bengt Kunze (Bass)
Marc Hohlweck (Gesang)
Carl Delius (Gitarre)
Alexander Thielmann (Gitarre)
Manuel Gonstalla (Schlagzeug)
Tracklist |
01:Run Of The River [Overture] (1:25)
02:Grateful (4:32)
03:Soul Desert Asylum (4:34)
04:Thunder Batallions (4:33)
05:Lost Command (6:49)
06:Oceans (5:04)
07:Fall Of The Golden Towers (4:41)
08:Anthem To Ignorance [Instrumental] (1:56)
09:Lords Of Babylon (5:17)
10:Fires Beyond The Sun (5:28)
11:Wounded [Instrumental] (1:36)
12:Dawn (16:30)
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